10 Männer,
2 Frauen,
Ponys,
Hunde
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Rolando Villazón und Thomas Hampson in South Pole an der Bayerischen Staatsoper | Foto (C) Wilfried Hösl
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Bewertung:
"1910 begannen zwei konkurrierende Teams ihre Expeditionen in die Antarktis: ein britisches um Robert Falcon Scott und ein norwegisches um Roald Amundsen, im Wettlauf um die Ehre, der erste Mensch am Südpol zu sein. Amundsen gelangte einen Monat vor Scott ans Ziel; Scott und seine vier Begleiter kamen im Schneesturm auf dem Rückweg ums Leben. Der Nachricht von Amundsen Erfolg folgte bald diejenige von Scotts heroischem Scheitern. Scott wurde zur tragischen Legende."
(Quelle: Bayerische Staatsoper)
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Wie/warum "erobert" man(n) den Südpol, könnte demzufolge [s.o.] eine der zentralen Fragen aller Fragen sein, welche die zweiteilige Doppeloper South Pole stellt. Es ist ein Auftragswerk der Bayerischen Staatsoper, und komponiert hat's der in Prag geborene Miroslav Srnka und getextet der australische Dramatiker Tom Holloway.
Synchron oder mal etwas vor- bzw. etwas nachläufig (und je nachdem, von welcher Perspektive aus gesichtet und gehört oder gefühlt würde) werden die je mit 5 Expeditionsmitgliedern festgeschriebenen zwei Teams aus Großbritannien resp. Norwegen in einer zeitgerafften Spanne zwischen 1911 und 1913 ab- und durchgehandelt. Und es geht also sehr explizit um einen ausschließlichen Männer(wett)kampf - denn wem fiele auch so derart Tollkühnhaftes ohne jeden tiefen Sinn & Nutzen ein als halt so Männern, die sich mit so Männer(wett)kampfsachen selbst beweisen oder jeweils von den andern Männern, die sie schwächer hielten als sich selber, abzugrenzen suchten.
Die zwei sphärenartig in South Pole hineingeschmuggelten Landlady (Mojca Erdmann) sowie Kathleen Scott (Tara Erraught) - jene Beziehungsfrauen der zwei jeweiligen Teamchefs - dienten wohl auch dazu, auf die potenziellen Schwachpunktkomponenten und Versagernöte der von Komponist und Dichter ausgesuchten Supermann-Protagonisten (dem Rolando Villazón als Scott sowie dem Thomas Hampson als Amundsen) ausgleichender Weise abheben zu können; also dass die Chose nicht am Ende allzu maskulin-heroisch oder maskulin-entsagend abverlaufen sollte - - dass diese zwei Damen allerdings zumeist nur dummes Zeug von sich zu geben wussten (Stichworte wären da "Eifersucht" und "Chemikalien"), steht auf einem ganz, ganz andern Blatt geschrieben.
Über 333 Seiten stark ist das von Malte Krasting, Julia Schmitt, Nicole Brodhof und Henry Arnold zusammengestellte Programmbuch (inkl. Libretto) - so ein tolles Ergänzungsbeiwerk habe ich noch nie zuvor durchblättern dürfen!
Die Inszenierung von Hans Neuenfels ist hell und klar und also völlig einleuchtend. Er lässt die beiden Südpolteams auf der mit Katrin Connan zusammen entworfenen Einheitsbühne, die durch eine Art von über allem her schwebenden weißen Kissen mit 'nem aufgestickten schwarzen Mittelkreuz (= Südpol) dominiert wird, nebeneinander agieren - die Kostüme Andrea Schmidt-Futteters haben dann gleichsam 'nen "dual getrennten" Touch. Beeindruckend und durchaus witzig auch diese Idee, Ponys und Hunde, die die jeweiligen Teams transportbedingtermaßen mit sich führten, durch Statisten hervermenschlichen zu lassen; umso derb-schockierender die Massentötungsszene durch Pistolen-Kopfschüsse.
Für Kirill Petrenko wäre es die erste Opern-Uraufführung gewesen, seit er Generalmusikdirektor an der Isar ist. Er kniete sich mit ganzer Kraft und Leidenschaft in die nicht unüppige Partitur hinein - diese Musik lässt sich schwer nacherzählen; es scheint ziemlich Alles, was man sich von einer großen Oper so erhoffte, drin zu sein. Das personelle Aufgebot des Bayerischen Staatsorchesters ist enorm, und dennoch konnte/kann es auch außer gebührlich laut geziemend moderat oder verschwindend leise musizieren.
Unfassbar-unglaubliche Begeisterung eines auf zeitgenössische Musik schier vorbehaltlos neugierigen Münchner Publikums! Die Uraufführungs-Serie (5 Termine!) konnte restlos abverkauft werden. Wer South Pole diese Spielzeit noch einmal erleben will - zu den Münchner Opernfestspielen (am 5. Juli 2016) wäre eine letzte, passende Gelegenheit.
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South Pole an der Bayerischen Staatsoper | Foto (C) Wilfried Hösl
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Andre Sokolowski - 13. Februar 2016 ID 9131
SOUTH POLE (Nationaltheater München, 11.02.2016)
Musikalische Leitung: Kirill Petrenko
Inszenierung: Hans Neuenfels
Bühne: Hans Neuenfels und Katrin Connan
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer
Licht: Stefan Bolliger
Konzeptionelle Mitarbeit: Henry Arnold
Dramaturgie: Malte Krasting
Besetzung:
Robert Falcon Scott ... Rolando Villazón
Kathleen Scott ... Tara Erraught
Lawrence Oates ... Dean Power
Edward "Uncle Bill" Wilson ... Kevin Conners
Edgar Evans ... Matthew Grills
Henry "Birdie" Bowers ... Joshua Owen Mills
Roald Amundsen ... Thomas Hampson
Landlady ... Mojca Erdmann
Hjalmar Johansen ... Tim Kuypers
Oscar Wisting ... John Carpenter
Helmer Hanssen ... Christian Rieger
Olav Bjaaland ... Sean Michael Plumb
Bayerisches Staatsorchester
Uraufführung an der Bayerischen Staatsoper war am 31. Januar 2016
Weiterer Termin: 5. 7. 2016
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper.de
http://www.andre-sokolowski.de
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