Beethovens letzte Streichquartette
Musikerinnen und Musiker der Berliner Philharmoniker im kammermusikalischen Großeinsatz
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Bewertung:
In den Altersszenen des TV-Films Louis van Beethoven [am 25. Dezember, 20 Uhr im Ersten] wird zur musikalischen Untermalung aus den letzten Streichquartetten und der Großen Fuge Beethovens zitiert, ja und so weiß dann auch der etwas "unbeleckte" Fernsehzuschauer sofort, dass es sich insbesondere bei diesen Werken um Musik gehandelt haben könnte, die so ungleich nah dem Tod des Maestros, der, als er sie komponierte, vollkommen ertaubte, war - und zwar viel näher noch als andere der Spätwerke davor einschließlich seiner Neunten Sinfonie.
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Bildquelle: berliner-philharmoniker.de
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Mit Mitte 50 komponierte Beethoven die Streichquartette Nr. 12 bis 16 und die Große Fuge. Heute gab es alles das - aus sechs voraufgezeichneten Konzerten - als dreiunddreiviertelstündigen Gesamt-Livestream auf DIGITAL CONCERT HALL zu erleben; und der Geiger Philipp Bohnen (selbst Akteur in op. 130) führte in die jeweiligen Werke kurz und allgemeinverständlich ein.
Die Musikerinnen und Musiker der Berliner Philharmoniker spielen selbstverständlich nicht nur in Orchester-, sondern ebenso in kammermusikalischen Formationen, und das Varian Fry Quartett (mit Marlene Ito, Philipp Bohnen, Martin von der Nahmer, Rachel Helleur-Simcock) oder das Marzona Quartett (mit Luiz Felipe Coelho, Romano Tommasini, Wolfgang Talirz, David Riniker) wären da beispielsweise zu erwähnen. Doch auch "lose" treten sie in unterschiedlicher Besetzung auf. Summa summarum waren es jetzt 20 Philharmoniker, die sich für diese umfängliche Streichquartette-Jubiläumsreihe vor den Mikrofonen und den Kameras zusammenfanden, um uns Zuhörern und Zusehern den späten Beethoven auf diese Weise engagiert und enthusiastisch zu vermitteln.
Durch die zyklische Geballtheit diese fünf bzw. sechs Juwele Beethoven'scher Kammermusik, so auf einen Schlag hin, angeboten zu bekommen, ist natürlich auch die Willenskraft und Duldsamkeit des Hörers arg in Anspruch genommen; es gibt quasi keine Gnade - noch dazu, weil man nicht einfach mittels Stopptaste während des Livestreams kurz mal so pausieren kann, um an der Stelle, wo man stoppte, später fortzufahren, nein! also entweder hörst du alles und auch möglichst bis zum Ende an, oder du (schwächelnde Lusche) kapitulierst und schaltest halt dann einfach ab...
Ich bevorzugte am Schluss die Darbietung des nicht bloß wegen seines mysteriösen dritten Satzes ("Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit, in der lydischen Tonart") unfassbar schönen Streichquartetts in a-Moll op. 132 - mit den beiden Geigern Simon Roturier und Angelo de Leo, der Bratschistin Naoko Shimizu und dem Cellisten Dietmar Schwalke! Nicht nur dass ich ihre Art zu spielen, ihren streicherischen Duktus schon entwaffnend fand, auch ist und bleibt es (sowieso) mein Lieblingsstreichquartett des Jubilars.
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Simon Roturier, Angelo de Leo, Naoko Shimizu und Dietmar Schwalke (v.l.n.r.) spielen Beethovens Streichquartett Nr. 15 a-Moll op. 132 | Screenshot des Livestreams auf digitalconcerthall.com v. 17.12.2020
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Beim 16. und letzten Streichquartett, was auch als allerletztes abgeschlossenes Beethoven-Opus gilt, musste ich unvermeidlich an die vor paar Wochen aus dem Wiener Konzerthaus (ebenso als Live-Stream) übertragene Uraufführung von Sofia Gubaidulinas Der Zorn Gottes denken - hierin bezieht sie sich direkt auf die zwei legendären Notationen Beethovens im vierten Satz von op. 135 - "Muss es sein?" / "Es muss sein!" - - hatte sie da doch vielleicht was falsch verstanden, denn der Moderator wies noch einmal ausdrücklich auf den besonderen Humorgehalt gerade dieses einen (allerletzten) Satzes hin...
"Anton Schindler hatte in seiner Beethoven-Biographie behauptet, die Zusätze 'Muß es sein?' und 'Es muß sein!' stammten von einer Wochengeldforderung von Beethovens Haushälterin. Zu diesem Zweck fälschte Schindler etwa im Jahr 1840 sogar eine Seite eines Konversationsheftes, die auf den 11. oder 12. Dezember 1826 datiert ist: 'Die Alte braucht wieder ihr Wochengeld'. Doch arbeitete Barbara Holzmann, die mit 'die Alte' gemeint war, frühestens ab 20. Dezember 1826 wieder für Beethoven. Von Beethovens persönlichem Freund Karl Holz, dem zweiten Violinisten des Beethoven nahestehenden Schuppanzigh-Quartetts, ist jedoch folgender Zusammenhang überliefert: Der wohlhabende Musikliebhaber Ignaz Dempscher wollte Beethovens Streichquartett Nr. 13 B-Dur op. 130 in seinem eigenen Hause aufführen lassen, woraufhin Beethoven von Dempscher eine Entschädigung von 50 fl. für Ignaz Schuppanzigh, den Leiter des Schuppanzigh-Quartetts, verlangte. Dempscher antwortete mit einem resignierten 'Wenn es sein muß!', woraufhin Beethoven den Kanon WoO196 mit dem Titel 'Es muß sein, ja, ja, ja, heraus mit dem Beutel! Heraus, heraus, es muß sein!' verfasste. Der Kanon entstand in zeitlicher Nähe zum Quartett, höchstens jedoch einige Monate vorher." (Quelle: Wikipedia)
Noah Bendix-Balgley und Marlene Ito (Violine), Naoko Shimizu (Viola) und Knut Weber (Violoncello) waren die Solistinnen und Solisten des besagten Streichquartetts.
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Andre Sokolowski - 17. Dezember 2020 (2) ID 12656
NAHAUFNAHME BEETHOVEN – TEIL 4 (im Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin)
Streichquartett Nr. 12 Es-Dur op. 127
Noah Bendix-Balgley, Violine
Luis Esnaola, Violine
Martin von der Nahmer, Viola
Stephan Koncz, Violoncello
Streichquartett Nr. 13 B-Dur op. 130
Varian Fry Quartett:
Marlene Ito, Violine
Philipp Bohnen, Violine
Martin von der Nahmer, Viola
Rachel Helleur-Simcock, Violoncello
Streichquartett Nr. 14 cis-Moll op. 131
Aleksandar Ivíć, Violine
Anna Mehlin, Violine
Sebastian Krunnies, Viola
Solène Kermarrec, Violoncello
Große Fuge für Streichquartett B-Dur op. 133
Marzona Quartett:
Luiz Felipe Coelho, Violine
Romano Tommasini, Violine
Wolfgang Talirz, Viola
David Riniker, Violoncello
Streichquartett Nr. 15 a-Moll op. 132
Simon Roturier, Violine
Angelo de Leo, Violine
Naoko Shimizu, Viola
Dietmar Schwalke, Violoncello
Streichquartett Nr. 16 F-Dur op. 135
Noah Bendix-Balgley, Violine
Marlene Ito, Violine
Naoko Shimizu, Viola
Knut Weber, Violoncello
Live-Stream v. 17.12.2020 auf digitalconcerthall.com
Weitere Infos siehe auch: https://www.digitalconcerthall.com/
http://www.andre-sokolowski.de
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