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Die Stimme des Walfischs

VOX BALAENAE von George Crumb

Bewertung:    



Gestern Abend lernten wir das zirka halbstündige Stück Vox Balaenae des mittlerweile 92jährigen amerikanischen Komponisten George Crumb in einem Livestream aus der UdK Berlin kennen. Drei Spitzenkönner ihres Fachs, die renommierten Kammermusiker und Hochschullehrkräfte Christina Fassbender (an der Flöte), Konstantin Heidrich (am Cello) und Björn Lehmannm (am Klavier), boten es dar:

Es ist Programmmusik im besten Sinne des Wortes, ihrem Schöpfer ging es also, wie der Titel ja schon sagt, um "die Stimme des Walfischs" - selbige ist dem Naturfilmfreund seit Jahren und Jahrzehnten gut vertraut; ich lauschte dem Gesang das erste Mal, als er in einer der zig Folgen von Jacques-Yves Cousteaus Geheimnissen des Meeres, die sogar der DFF zu meiner Zeit ausstrahlte, hörbar war.

Crumb wollte seine Vox Balaenae über die Musik hinaus auch theatralisch angeordnet wissen. Er bestimmte, dass die Ausführenden Halbmasken (freilich mit Sehschlitzen, damit die Musiker auch ihre Noten, die sie spielen müssten, sehen könnten) tragen sollten, und er wollte dunkelblaues Raumlicht, das sich tiefseeartig um sie spülte.

Die drei Sätze seines Stücks heißen (auf deutsch:) "Auf den Beginn der Zeit", "Variationen über die Zeit des Meeres" und "Meer-Nocturne".

Und man war schon baff mitanzuhören, was das Trio alles so aus seinen Instrumenten rausholte, wie es mit ihnen umging, welche Art Vefremdungen und "Missbräuche" es ihnen sozusagen angedeihen ließ, um die verblüffendsten und unerwartetsten Effekte zu erzielen. Dass es also stellenweise in der Tat so klang, als wär'n die drei auf einer Unterwasserexkursion.

Fassbender beispielsweise blies und sang zugleich in ihre "Sankyo 14 Karat Vollgoldflöte mit 18 Karat Kopf" [wissen wir aus ihrer Homepage] rein, sodurch klang es, als wollte sie sich über Vokalisen mit dem Walfisch unterhalten. Heidrich seinerseits erklimmte spürbar oft das viergestrichne a'''' auf seiner höchsten Cellosaite. Ja und Lehmann hatte stellenweise mehr dann mit dem Innenleben seines Flügels als mit dessen Tastatur, die er selbstredend auch hörbar bediente, voll zu tun. Auch standen vier oder fünf (oder sechs) diverse Zimbeln zu gelegentlichen Tonerzeugungen bereit. Das ausklingende Gute-Nacht-Lied wurde schlussendlich mittels profanem Pfeifen spitzmundig (von Heidrich? war dann freilich wegen dieser blauen Dunkelheit nicht eindeutig erkennbar) intoniert.


*

Zuvor spielten die fulminanten Musiker noch Philippe Gauberts impressionistische Trois Aquarelles und Debussys von ihm zu seiner Lebzeit nicht vermarktetes Klaviertrio G-dur; der damals 18jährige wäre so eine Art von "Unterhalter" bei der legendär-unheimlichen Tschaikowski-Gönnerin Nadeshda von Meck gewesen, und wahrscheinlich, weil er noch so furchtbar jung war, brauchte er das Geld.

Auch gab es ein Musikvideo von Kathrin Hunze (re:capture) zu hören und zu sehen, mit viel Klangteppichs und englischsprachigen Worthüllseleien und noch mehr an deutschem Waldgetier wie Schnecke, Rehlein, Wildschwein, Häschen, Ente oder Wolf, alles unkonturiert in imponierendem Weißgrünblaudunkelrot getaucht. Verfremdungen um zu verunsichern - mit 10 Minuten Dauer; gut, okay, konnte man sich ruhig ohne vorher abzuschalten reinziehen, warum auch nicht.

Nicht zu vergessen der brachiale Auftakt des bemerkenswerten Livestreams mit Keiko Abes The Wave, einer kurzweiligen Schlagwerk-Orgie in drei Wellen mit dem sensationell als Zuchtmeister an seiner Marimba sich präsentierenden Simone Rubino [s. Foto unten] und seinen nicht minder sensationell "gehorchenden" Schlagwerkstudenten Hyeyeon Cho, Moisés Santos, Seong Cheol Choi und Jonathan Erzer!!



Simone Rubino (Marimba) | Foto: Marco Borggreve; Bildquelle: udk-berlin.de

Andre Sokolowski - 2. Juni 2021
ID 12946
crescendo 2021 (Konzertsaal der UdK Berlin, 01.06.2021)
Musikfestival der Universität der Künste


Keiko Abe (geb. 1937): The Wave für Marimba solo und vier Schlagzeuger
Simone Rubino (Marimba)
Hyeyeon Cho, Moisés Santos, Seong Cheol Choi und Jonathan Erzer (Schlagzeug)

re:capture
Eine Videoarbeit von Kathrin Hunze

Philippe Gaubert (1879-1941): Trois Aquarelles

Claude Debussy (1862-1918): Klaviertrio G-Dur

George Crumb (geb. 1929): Vox Balaenae (Voice of the Whale) für drei maskierte Spieler

Christina Fassbender (Flöte)
Konstantin Heidrich (Violoncello)
Björn Lehmannm (Klavier)

Livestream auf udk-berlin.de v. 01.06.2021


Weitere Infos siehe auch: https://www.udk-berlin.de/


http://www.andre-sokolowski.de

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