Im Bunker
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BEETHOVEN. Ein Geisterspiel am Staatstheater Mainz | Foto (C) Torsten Silz
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Bewertung:
Überspitzt könnte man meinen: Es ist Beethovenjahr, und keiner geht hin!
Ja, die globale Seuche hat wohl nicht nur alles durcheinander gebracht, sie ist wahrscheinlich auch die größte schuldige Verhinderin von allem möglich Schönen, Guten und Erhabenen - all diesen schönen, guten und erhab'nen Dingen, die "nur" Künstlerinnen oder Künstler ihrem Publikum bescheren könnten, falls man sie dann zueinander ließe.
Und falls nicht? Dann bunkerte man sich halt erst mal voreinander ein.
Das Staatstheater Mainz wollte nun also - wie so viele andere um es herum - auch einen kreativen Großbeitrag zum 250. Geburtstag des Komponisten beisteuern:
Es plante "ein aufwändiges spartenübergreifendes Projekt, Anfang Mai sollte die Uraufführung im Großen Haus sein. Wegen der Coronapandemie mussten die physischen Proben eingestellt, die Premiere abgesagt werden. Das Theater reagierte schnell, Regisseur Jan-Christoph Gockel und Generalmusikdirektor Hermann Bäumer stellten sich der neuen Herausforderung, gestalteten die Proben um und überarbeiteten das Konzept. Die Theaterleitung ging auf das ZDF und auf 3sat zu und fand so einen starken Kooperationspartner. Gemeinsam entwickelten das Theater und die Verantwortlichen im Sender das Projekt weiter, sodass nun die außergewöhnliche Premiere einer Theatervorstellung für das Fernsehen zu erleben sein wird, die inhaltlich und ästhetisch weit über die gewohnten Streaming-Formate hinausgeht." (Quelle: staatstheater-mainz-com)
Als BEETHOVEN. Ein Geisterspiel ging das gemischte Unterfangen letztes Wochenende über'n Sender, und auf 3sat kann man es sich noch ein Weilchen in der Mediathek anschauen...
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Julia Kurzweg hat eine in sich gezellte und nach oben offene Panoptikumsdrehbühne konstruiert, in deren Wohn- oder Aktionsräumen die Live-Kameraleute von De-Da-Productions zielführende Spannerdienste leisten; selbst der unerfahrenste Theatergänger in und außerhalb von Rheinland-Pfalz wird darin zwingend Castorf'sche Ästhetik schluckaufmäßig mitgeteilt bekommen haben, aber ist total okay so.
Rüdiger Hauffe spielt den Beethoven-Biografen Schindler, und als solcher tut er Einiges aus dessen Monografie zitieren, aber auch als "Heutiger" (womöglich gar als Hauffe selbst) steuert er - wie als wäre er in diesem Stück der Conférencier - die einen oder andern Sätze bei.
Desweiteren gibt es Begegnungen und/ oder Monologe, Dialoge mit Anika Baumann als Bettina von Arnim; aus deren Briefen würde man erfahren haben, was mit Beethoven und seinem Frauenbild so alles war, also auch außerhalb seiner ihn nach und nach so furchtbar malträtierenden Ertaubungspein. / Zum Schluss der eine Stunde und zwanzig Minuten währenden TV-Performance tritt die Baumann dann als furchtbar aufgeblasene Europa-Brummsel auf; das war dann übrigens DIE Szene dieser Inszenierung überhaupt, zum Brüllen, denn: Europa sucht im Großen Saal des Staatstheaters Mainz nach ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, fragt immerfort "wo sind die denn?", "wo seid ihr?", "habe euch doch schon so viel gegeben", und dann wirft sie gar mit Euromünzen um sich und bekommt eine Corona-Luft-Attacke, woraufhin Michael Dahmen (als Singende Statue) mit einem Beatmungsgerät vorbei spaziert, und Europa keucht und hechelt, und dann ist sie einfach nicht mehr da; nur noch ihr Riesenblauesumstandskleid sprich die Europa-Flagge bleiben "heil" zurück... Den schauspielernden Vincent Doddema (als Beethoven) beobachtet man schließlich, wie er justament mit seinem Laptop eine Mail an die EU schreibt à la "entziehe ich Ihnen die Rechte an der Ode an die Freude"; wollte sicher sagen: Freude schöner Götterfunken, alles bla-bla-bla?!
Wiewohl der schöne Bariton vom Dahmen freilich dann auch wundervollerweise singt - Kanons und Lieder ("Lisch aus, mein Licht", "Nimm sie hin denn, diese Lieder"), und begleitet wird er dabei meistens von Fiona Macleod (als Automatische Pianistin).
Auch: Michael Pietsch kommt in dem wirren Stück als der berühmte Automatenerfinder und -entwickler Mälzel (s. Kanon WoO 162) vor.
Musikalisch bietet das zu Hörende diverse Wiedererkennungsschnipsel aus Beethovens 3., 5., 8. und (selbstverständlich) 9. Sinfonie oder Für Elise oder der Klaviersonate op. 111 oder dem Coriolan oder dem Tripelkonzert u.a.m.
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Sogar George Floyd hatte man nachträglich und still gedacht.
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BEETHOVEN. Ein Geisterspiel am Staatstheater Mainz | Foto (C) Torsten Silz
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Andre Sokolowski - 16. Juni 2020 ID 12299
BEETHOVEN - EIN GEISTERSPIEL (Großes Haus, 6/2020)
Ein Projekt von Jan-Christoph Gockel
Musikalische Leitung: Hermann Bäumer
Inszenierung und Fernsehregie: Jan-Christoph Gockel
Redaktion ZDF/3sat: Jule Broda und Dietmar Klumm
Bühne: Julia Kurzweg
Kostüme: Sophie Du Vinage
Puppenbau und -spiel: Michael Pietsch
Dramaturgie: Ina Karr, René Michaelsen und Jörg Vorhaben
Licht: Ulrich Schneider
Live-Kamera: De-Da Productions
Choreinstudierung: Sebastian Hernandez-Laverny
Mit: Anika Baumann (Bettina von Arnim-Brentano), Michael Dahmen (Singende Statue), Vincent Doddema (Ludwig van Beethoven), Rüdiger Hauffe (Anton Felix Schindler), Michael Pietsch (Johann Nepomuk Mälzel) und Fiona Macleod (Automatische Pianistin)
Mitglieder des Opernchors und des Philharmonischen Staatsorchesters Mainz
Uraufführung am Staatstheater Mainz: 14. Juni 2020
Gesehen und gehört in der Mediathek von 3sat am 15.06.2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatstheater-mainz.com/
http://www.andre-sokolowski.de
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