Tinnitus
IN CONVERSATION WITH...
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Foto (C) Eva Radünzel-Kitamura
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Bewertung:
Die literarisch-musikalische Performance In Conversation with... meint Beethovens Kommunizieren über seine sog. Konversationshefte (ab 1818), mit deren Hilfe er Sozialkontakte, wie wir heute sagen würden, aufrecht zu halten versuchte; ca. 400 hätte es gegeben, 137 Exemplare wurden überliefert und sind bis zur Gegenwart in der Berliner Staatsbibliothek verwahrt, 2 weitere besitzt das Bonner Beethoven-Haus.
Und für diejenigen, die es bisher womöglich noch nicht wussten:
Schon mit 28 Jahren fing das inflationäre Hörleiden, welches dem Komponisten Jahr um Jahr bis zum Totalverlust seines Gehöres kurz vor seinem frühen Tod (als 57jähriger!) zu schaffen machte, an. Unfassbar, dass er in dem ihn zunehmend so beeinträchtigenden Gesundheitszustand seine wichtigsten und Hauptwerke zustande brachte: die Missa solemnis, die Neunte Sinfonie, die Klaviersonaten op. 109 bis 111 oder die letzten Streichquartette einschließlich der "Großen Fuge".
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Die Theatermacherin Isabelle Kranabetter hatte sich jetzt mit dem Komponisten und Musik-Performer Iñigo Giner Miranda insbesondere die Frage "nach der Authentizität einer Künstlerfigur" gestellt:
"Die Basis der Untersuchungen bilden die Konversationshefte des tauben Beethoven. Diese überliefern nur die Stimme seines Gegenübers. Beethoven antwortete mündlich und bleibt für den Leser stumm. Die Leerstelle bietet Raum für Projektionen, Mythen und Fälschungen, den das Projekt mittels zeitgenössischer Theater- und Musikästhetik auslotet."
(Quelle: elisabeth-berlin)
Dabei wurden beispielsweise "Einkaufslisten, politische Diskussionen und Familienzwiste aus den Konversationsheften sowie späte Kompositionen Beethovens (...) durchforstet".
Die Sopranistin Lisa Ströckens, der Schauspieler Tobias Dutschke, die Geigerin Emmanuelle Bernard, der Cellist Jakob Roters und die Pianistin Neues Estarellas sangen, sprachen oder spielten, musizierten abwechselnd mal solo, dialogisch oder auch "im Chor"...
Bis zur Hälfte der Performance konnte man zig Namen der Gesprächs-/ Konversations(heft)partner Beethovens auf an die Wand gebeamtem Schrifttum nachlesen und deren Einträge als simultan zitierten Vortrag hören.
Und ab da - bis zu dem "linearen" Tinnitus-Finale - waren alle nachgereichten Sprech-Einlagen mittels tontechnischem Eingriff und/ oder Verzerrtsein hör- und wahrnehmbar. Das wiederum bedeutete für uns (das Publikum), dass wir uns quasi körperlich in diesen etwaigen Hör-und-Nichthörzustand Beethovens hineinversetzen konnten und auf diese Weise Quasizeugen dieser unglaublichen Tragik völlig eingeschränkter, unerlebbarer Akustik wurden.
Äußerst suggestiv, und zwar als Ganzes.
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In Conversation with... in der Villa Elisabeth, Berlin | Foto (C) Eva Radünzel-Kitamura
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Andre Sokolowski - 22. Februar 2020 ID 12017
IN CONVERSATION WITH… (Villa Elisabeth, 21.02.2020)
Werke und Fragmente von Ludwig van Beethoven sowie Bearbeitungen der Werke und Neukompositionen von Iñigo Giner Miranda
Musikalische Leitung und Ton: Iñigo Giner Miranda
Inszenierung und Konzept: Isabelle Kranabetter
Ausstattung und Licht: Michael Kleine
Technische Leitung und Licht: Catalina Fernandez
Mit: Lisa Ströckens (Sopran), Tobias Dutschke (Sprecher), Emmanuelle Bernard (Violine), Jakob Roters (Violoncello) und Neus Estarellas (Klavier)
Premiere war am 21. Februar 2020.
Weitere Termine: 22., 23.02.2020
Eine Produktion von Isabelle Kranabetter in Koproduktion mit der Tafelhalle Nürnberg
Weitere Infos siehe auch: https://www.elisabeth.berlin/
http://www.andre-sokolowski.de
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