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ROMANISCHE NACHT 2019

Sagenhafte

Stimm-

schwingungen



Stefan Temmingh spielt auf der Blockflöte eine Improvisation auf ein traditionelles afrikanisches Lied der Xhosa Lieder bei der ROMANISCHEN NACHT in der Kirche St. Maria im Kapitol | Foto © Ansgar Skoda

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Das Festival Romanischer Sommer feierte im 31. Jahr seines Bestehens unterschiedliche Arten des Erzählens von und mit Musik. Unter dem Motto "Sagenhaft" präsentierten international renommierte Künstler vom 26. bis 28. Juni in den Romanischen Kirchen Kölns Werke unterschiedlicher Gattungen und Stilistik. Neben eigenen Kompositionen und Improvisationen wurden mit hochkarätigen Vokal- und Instrumentalstimmen Werke vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart aufgeführt. Ein Höhepunkt und Abschluss des Festivals war wieder die ROMANISCHE NACHT in Kölns größter romanischer Kirche St. Maria im Kapitol. Alle konzertanten Werke des Abends beschäftigten sich mit existentiellen und geistlichen Fragen des Menschseins und mit schöpferischen Erzählungen. Der beeindruckende Resonanzraum der 100 Meter langen und 40 Meter breiten Basilika wird wie in den Vorjahren atmosphärisch in kontrastreichen Farben beleuchtet.

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Die ukrainische Sängerin und Komponistin Mariana Sadovska eröffnete den Abend mit mündlich tradierten Liedern und Erzählungen aus ihrer Heimat. Traditionelle Wiegenlieder, Regenlieder oder Frühlingsrufe bereichert die Künstlerin in ihren Ukrainian Callings durch eigene Arrangements und Kompositionen. Sie begleitet ihren Gesang selbst an einem indischen Harmonium. Vor ihrer Performance gibt sie in kurzen und lebendigen Erzählungen jeweils den Songinhalt auf Deutsch wieder. Viele der Lieder behandeln archaisches Wissen, Hochzeitsrituale, magischen Glauben an Naturkräfte oder Lebensgeister des Menschen. Sadovska reist seit fast 30 Jahren regelmäßig durch entlegene Landstriche der Ukraine. Sie berichtet, dass ihr die meisten Songs während ihrer Reisen über ukrainische Dörfer von den Dorfbewohnern mitgegeben wurden. Dabei wurde stets auch hervorgehoben, zu welchen Anlässen, wie und warum die Lieder traditionell gesungen wurden. Sadovska erzählt während ihrer Vorführung auch von den seit Anfang 2014 andauernden bewaffneten Konflikten mit Russland. Während ihrer Reise über ukrainische Dörfer musste sie etwa okkupierte und besetzte Dörfer meiden. Trotzdem verwebt sie auch leise Eindrücke von Krieg, Zerstörung und Flucht in ihren neuen Arrangements und Klangbildern alten Liedmaterials. Ihre archaischen Rufe und Laute berühren. Ein kleines Highlight ihrer vielversprechenden Eröffnung der ROMANISCHEN NACHT ist auch der zur Aufführung gebrachte ukrainische Kehlgesang „White Voice“ oder „Open Throat“. Hierbei erzeugt Sadovska eine Melodie, indem sie langsam mit Hilfe des Zwerchfells Luft durch den geöffneten Kehlkopf herauspresst. Ihre Performance hat zahlreiche starke dramatische und sehr bewegende Momente. Eindringliche und überschwängliche Lieder bezeugen den großen Fantasiereichtum der rituellen Gesänge und traditionellen Motive in der Ukraine.



Mariana Sadovska singt traditionelle ukrainische Lieder bei der ROMANISCHEN NACHT in der Kirche St. Maria im Kapitol | Foto © Ansgar Skoda


Das Programm wird im Anschluss vom südafrikanische Blockflötisten Stefan Temmingh unter dem Schwerpunkt Zeitgenössische Interventionen bestritten. Der ECHO-Preisträger (Instrumentalist des Jahres 2016) performt eigene Improvisationen auf „Um Home“, einem traditionellen afrikanischen Lied der Xhosa und auf das „Lamento di Tristano und Trotto“„Moondances – Three Native American Sketches“ des Amerikaners Walter Mays von 1999. Auch er leitet seine aufzuführenden Musikstücke durch einen etwas theatralischen Vortrag ein, in dem er Songinhalte kurz und feierlich skizziert. Später tritt er ein zweites Mal auf und spielt dann auf der Blockflöte unter anderem Kompositionen von Claude Debussy und Willem Jeths.

Das Ensemble Dialogos setzt einen weiteren Höhepunkt während des abendfüllenden Konzertes. Mittelalterliche Dokumente berichten von einem Eklat in der Winchester Kathedrale in England um 964. Kanoniker der Kathedrale wurden aufgrund von "bösen und skandalösen Verhalten, Stolz, Unverschämtheit" vertrieben und durch Mönche aus Abingdon ersetzt. Es sind Schriften von Wulfstan, Dichter und Kantor in Winchester, überliefert, die die Ereignisse und sogar die Gesänge dokumentieren, die die Kanoniker zum Zeitpunkt der Ankunft der Mönche interpretierten. Dialogos erstellte für die ROMANISCHE NACHT ein Programm, das das Aufeinandertreffen von Mönchen und Kanonikern aus unterschiedlichen Blickwinkeln bebildert. Clara Coutouly und Katarina Livljanić singen mit virtuosem Ausdruck polyphone Stücke aus dem archaischen Winchester Tropar. Begleitet werden sie von Albrecht Maurer an den Fiddeln und Norbert Rodenkirchen an den Flöten, die auch einige Instrumentalsolos haben. Wulftans über tausend Jahre alte Geschichte führt durch das Geschehen. An den Lettner vom Kirchenschiff werden während der Performances Übersetzungen der farbenfrohen Szenen geworfen, wie: "Errette mich aus dem Maul des Löwen! Schütze mich vor den Stößen des Einhorns!" Geleitet wird Dialogos von Katarina Livljanić. Die auf Aufführung von mittelalterlicher Musik und Choral spezialisierte Sängerin und Musikwissenschaftlerin gründete das Ensemble 1997. Livljanić wird übrigens ab September als Professorin für Gesang des Mittelalters und der Renaissance an die Hochschule für Musik FHNW in Basel in der Schweiz berufen.

Den letzten Programmpunkt des bis kurz nach Mitternacht reichenden Abends gestaltet wie im Vorjahr der Kölner Kammerchor Consono unter der Leitung von Harald Jers. Gesungen werden vier Stationen auf dem Jakobsweg mit Paths of Miracles (2005) des Komponisten Joby Talbot. Die vier spirituellen Sätze in sieben Sprachen und 17 Stimmen beschreiben die vier wichtigsten Stationen des Pilgerweges: Roncesvalles, Burgos, León und Santiago. Obertongesang, geistliche Gesänge, meditative Gebete und bewegende Rhythmen wechseln einander ab. Der sehr präsente Chor bewegt sich währen der Vorführung im Kirchenraum. Viele Chorsänger treten wiederholt mit gekonnten Solos hervor. Dem Pilger begegnen während der Wallfahrt auf den Spuren des Heiligen Jakobus Krankheit, Tod und allerlei Glaubensprüfungen. Ein bereichernder Abend voll berührender Klänge, ausdrucksvoller Erzählungen, Bilder und Geschichten.



Clara Coutouly (li.) und Katarina Livljanić vom Ensemble Dialogos performen polyphone Gesänge aus dem 11. Jahrhundert bei der ROMANISCHEN NACHT in der Kirche St. Maria im Kapitol | Foto © Ansgar Skoda

Ansgar Skoda - 1. Juli 2019
ID 11540
Weitere Infos siehe auch: http://www.romanischer-sommer.de/programm/fr-28-06/


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