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Konzertbericht

Metacosmos von

Anna Thorvaldsdottir

Berliner Philharmoniker musizierten außerdem Prokofjew und Strauss
Bewertung:    


"Bravo, bravo...!" - mein Nachbar im ausverkauften Großen Saal der Berliner Philharmonie kann sich gar nicht beruhigen nach den ersten dreizehn Minuten des heutigen Konzertes. Anna Thorvaldsdottir, die Komponistin von Metacosmos, ist zur europäischen Erstaufführung anwesend.

So geht der Applaus und die vielen Bravos in die nächste Runde, als die nur 41 Jahre junge zierliche Isländerin vom Dirigenten Alan Gilbert auf die Bühne geholt wird. Aber nicht nur mein Nachbar ist begeistert, nein, der ganze Saal ist sichtlich angetan von ihrem Stück. Bei meinem Nachbarn entlädt sich nach dem Applaus seine Begeisterung nun auch verbal: „Toll, welche Klangfarben Anna Thorvaldsdottir aus dem Orchester gelockt hat. Unglaublich wie diese Klangfarben aus allen Ecken des Konzertsaales schimmerten.“ Ich erwarte nun eine Diskussion unter Neue-Musik-Fans und konstatiere zu meiner Überraschung: Nein, sagt der Nachbar, er höre eigentlich nie so derartige Musik, ist eher auf die nachfolgenden Programmpunkte (mit Prokofjew und Strauss) eingestellt, aber sowas Wunderbares hätte er noch nie gehört.

Es gibt sie also doch, die klassisch notierte Musik von heute lebenden Komponisten, welche ganz spontan Zuhörer anspricht. Musik, die ohne lange Erklärungen und ohne Vorwissen einfach nur gefällt. Anna Thorvaldsdottirs Metacosmos beginnt mit rauschhaftem tiefem Grummeln, wie eine Art Rückgrat werden sich die Bässe immer wieder bemerkbar machen. Oft wird das Material der Komponistin mit den tosenden Pochen und Knirschen der Elemente auf Island verglichen. Vulkane, Geysire, Gletscher, heiß und kalt; eine Welt der Gegensätze. Ich denke, wenn die Komponistin aus Südfrankreich kommen würde, würde man auch Entsprechungen für ihre Musik finden. Aber das ist eigentlich nicht wichtig. Wichtig ist, wie einem das Hörerlebnis fesselt und in seinen Bann zieht. Die Musik ist nicht dogmatisch in Sinne irgendwelcher -ismen. Anna Thorvaldsdottirs bedient sich völlig frei im Repertoire des großen Orchesters. Dabei stehen schroffe Aktionen, die auch schon mal Verwunderung auf den Gesichtern der Zuhörer auslösen, neben fast melodischen Abschnitten. Aber nicht eine Melodie im klassischen Sinn. Thorvaldsdottir findet Zusammenhänge auf einer ganz dem Hören fokussierten Ebene. Eine Art Tutti - auf den großen Trommeln liegen Becken und werden archaisch stimuliert - leitet das Ende des Stückes ein. Ein farbiges tiefes Thema in den Bratschen wirkt sehr emotionalisierend. Das Schluss ein Meisterstück, ein fast quietschiger Ton der ersten Geige verschwindet, fast ohne dass man es bemerkt. Dann Stille, und das Stück schwingt sich langsam aus im Saal. Großartig!

*

Sergej Prokofjews Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 hat es nach so einem Erlebnis nicht leicht - als wäre man plötzlich aus dem Hochgebirge ins Flachland geworfen wurden. Das soll nichts über die Qualität der Partitur oder der heute Ausführenden sagen. Das ist einfach nur ein ganz anderer heutiger Ansatz, ein Hörerlebnis zu schaffen. Und gerade auf die Ausführende Solistin Lisa Batiashvili freut sich natürlich der ganze Saal. Schon mit 16 Jahren gewann sie erste Wettbewerbe und begann danach eine steile Karriere. Klar, sie bewegt sich sicher in der höchst anspruchsvollen Partitur, aber souverän gelingt es ihr auch, eigene Akzente zu setzten. Nahezu schroff wirken manche Aktionen, und man meint die Moderne durchschimmern zu hören. Nach dem Stück ist vor dem Stück. Lisa Batiashvili wird nicht ohne Zugabe entlassen. Mit einem Satz aus Georg Philipp Telemanns Abschied zieht die Solistin den Saal noch mal ganz auf ihre Seite.

Die Berliner Philharmoniker schillern in Strauss´ Symphonia domestica dann in tausenden Farben. Soloaktionen werden sekundenschnell in massive Tuttis entwickelt. Einprägsame Themen kehren immer wieder und verschaffen dem Stück einen hohen Erinnerungswert. Wie zum Beispiel im Scherzo das Spiel des Kindes, witzig wie die Themen turbulent aufeinander losgelassen werden. Alan Gilbert hat das Orchester immer voll unter Kontrolle und verschafft den einzelnen Stimmgruppen Raum, ihre Qualität entfalten zu können.

Ein wunderbarer Konzertabend!
Steffen Kühn - 27. Januar 2019
ID 11174
BERLINER PHILHARMONIKER (Philharmonie Berlin,24.01.2019)
Anna Thorvaldsdottir: Metacosmos
Sergej Prokofjew: Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 63
Richard Strauss: Symphonia domestica op. 53
Lisa Batiashvili, Violine
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Alan Gilbert


Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de

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