Film & Live-Musik
Beckett | Saunders & G. Richter
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Bewertung:
Der Dichterphilosoph Beckett hat mit dem damaligen Südfunk Stuttgart (heute Teil des Südwestrundfunks) zwischen 1977 und 1982 unter eigener Regie vier Projekte, darunter auch den Film Ghost Trio, der auf dem gleichnamigen D-Dur-Klaviertrio Ludwig van Beethovens basiert, realisiert. Es geht dabei nicht um Probleme oder Darstellungen der psychologischen Konflikte menschlicher Existenz oder um ethische oder politische Fragen. Wie in vielen seiner Werke versucht er herauszufinden, was sich hinter den Worten verbirgt. Die beiden Arbeiten Not I und Ghost Trio können das Publikum aufgrund der Kargheit der literarischen Mittel und der Reduzierung von Inhalten auf ein Minimum an die Grenzen des Erträglichen bringen, wenn monotone Stimmen und akzentlose Farben repetierend wiederholt werden. Der Kontrast zum dritten Stück MOVING PICTURE mit den multifarbigen Aktionen von Richters Bildern und den schrillen Trompetenklängen von Saunders Musik könnte nicht größer sein.
"Die Musik ist nicht so gefährdet wie die Malerei, in einer so bloßen Unterhaltungskultur zu verkommen. Das liegt sicherlich auch an der deutschen Trennung zwischen U und E, zwischen Unterhaltungs- und ernsthafter Musik. Aber neben der absolut dominierenden Popmusik existieren der klassische Musikbetrieb und daneben die experimentelle, ernsthafte Neue Musik. Jede hat ihr Publikum, und dadurch muss die E-Musik nicht derart billig um Quoten buhlen und sich verrenken. Das halte ich für einen ganz großen Vorteil." (Gerhard Richter im Gespräch mit Marco Blaauw im Rahmend er Aufführung von MOVING PICTURE)
Ein weiterer, vielleicht der entscheidende Grund für den Unterschied bei der Rezeption von Musik und Malerei ist wohl, dass am 1. Juli 1903 die Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht, der Vorgänger der GEMA gegründet wurde. Initiatoren des Gründungsprozesses wie u.a. Richard Strauss, wollten vor allem das Urheberrecht und die Einnahmen der Komponisten sichern. Auf der anderen Seite sichert das System GEMA, dass Musik allen gehört und von allen aufgeführt werden kann. Das ist der große Unterschied zur Malerei. Bilder können exklusiv erworben werden, der Besitzer bestimmt dann, wo das Bild gezeigt wird, schlechtestenfalls im privaten Schlafzimmer, für immer versteckt vor der Gesellschaft.
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Dank GEMA kann das Publikum also heute im wundervoll restaurierten Zoo-Palast in Berlin die Trompetenklänge von Marco Blaauw öffentlich genießen. Und Dank der Filmemacherin Corinna Belz, welche zu Gerhard Richter in vielen Jahren ein produktives Arbeitsverhältnis aufbauen konnte, können wir auch sein Bild 946-3 heute und hier in filmischen Bewegungen erleben. Eine Art transzendente Musik lässt einen tief in die ledernen Sessel des Zoo-Palastes sinken. Elektronische Effekte kontrastieren die sonst eher monotone Musik. Richters Farbenwelt hat eine riesige Vielfalt und ist doch gleichzeitige ausgewogen. Faszinierend die anfangs kaum sichtbaren Veränderungen und Modifizierungen, welche kongenial mit der Musik korrespondieren.
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Steffen Kühn - 16. September 2020 ID 12465
MUSIKFEST BERLIN (Zoo-Palast, 14.09.2020)
Samuel Beckett: Not I (1973)
- Ghost Trio (1975/76)
Gerhard Richter & Corinna Belz: MOVING PICTURE (946-3) Kyoto Version (2019/2020)
mit der gleichnamigen Live-Musik von Rebecca Saunders für Trompete solo und Elektronik (2019/20), UA
Marco Blaauw, Trompete
Sebastian Schottke, Klangregie
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
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