Berliner Philharmoniker
Patricia Kopatchinskaja / Kirill Petrenko
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Bewertung:
Trauerkonzert und Feuervogel, welch ein überraschendes Programm!! Auch die Entstehungszeiten der beiden Werke des gestrigen Abends könnten gegensätzlicher nicht sein: das künstlerisch gelähmte Nazi-Deutschland, wo freies Denken und Kreativität verfolgt wurde auf der einen Seite - und auf der anderen Seite Paris im beginnenden 20. Jahrhundert mit all seiner Kreativität und Vergnügungssucht. Was verbindet, ist zum Beispiel, dass sich Karl Amadeus Hartmann und Igor Strawinsky sehr geschätzt haben.
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Eine hohe Wertschätzung strahlt auch aus dem Zusammenwirken von Patricia Kopatchinskaja und Kirill Petrenko, die sich schon seit dem Studium aus Wien kennen. Patricia Kopatchinskaja, bekannt für ihre außergewöhnlichen Auftritte, betritt ohne Schuhe in legerem Mantel die Bühne, dahinter Maestro Petrenko immer gleichzeitig das Publikum und die Musiker "seiner" Philharmoniker anlächelnd. Und schon geht es los:
Die ersten Töne, welche Kopatchinskaja in den Saal haucht, sind schlichtweg atemberaubend. Sie scheint aufgeladen von der Empörung Karl Amadeus Hartmanns über die Invasion der Nazis in die Tschechoslowakei und ganz verloren im geschichtlichen Kontext des Widerstandes gegen die Nazidiktatur. Wie sie sich musikalisch klagend in das Leid dieser düsteren Zeit Deutschlands einfühlt, spürt man besonders im 2. Satz. Sie selbst spricht im Programmheft davon, dass man dieses Stück „blutend“ interpretieren muss. Wenn man das liest, fragt man sich, was sie damit meint. Jetzt, beim Hören ihrer wunderbaren Interpretation, entsteht ein Bild davon. Im Allegro des dritten Satzes wird es sehr dynamisch. Vorbei das Leid und die Klage, jetzt ist Widerstand. Kirill Petrenko treibt das nur aus Streichern bestehende Orchester, Kopatchinskaja hört zu, tanzt und steppt zur Einleitung, ihr Gesicht zuckt mitgenommen, derart aufgeladen stürzt sie sich in die Aktionen. Diese Aufführung des Concerto funebre gehört in den Bereich der beeindruckendsten Musikerlebnisse.
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Patricia Kopatchinskaja | Foto (C) Marco Borggreve
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Die Kontrast nach der Pause ist sehr groß; dramaturgisch geht die Programmierung des Abends nicht auf, die Fallhöhe ist zu hoch. Aber man genießt in der narrativen, auf musikalische Effekte bauenden Musik des Feuervogels die außerordentliche Qualität der Solisten der Berliner Philharmoniker. Kirill Petrenko ist in der Lage die Klangkaskaden und Eruptionen so zu justieren, dass Raum bleiubt für die bezaubernden Blechblassaktionen und vor allem die sensitiven Horn-Soli. Das Publikum genießt ein fast voll besetztes großes Haus und feiert ihren neuen Chefdirigenten, welcher in den letzten Monaten seines Amtsantrittes aufgrund der Corona-Maßnahmen nur wenig sichtbar sein konnte.
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Steffen Kühn - 17. September 2021 ID 13148
MUSIKFEST BERLIN 2021 (Philharmonie Berlin, 16.09.2021)
Karl Amadeus Hartmann: Concerto funebre (1939) für Violine und Streichorchester
Igor Strawinsky: L'Oiseau de feu (Originale Fassung von 1910)
Patricia Kopatchinskaja, Violine
Berliner Philharmoniker
Dirigent: Kirill Petrenko
Weitere Infos siehe auch: https://www.berlinerfestspiele.de/de/musikfest-berlin/start.html
Post an Steffen Kühn
http://www.hofklang.de
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