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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Wir von der

Babylonischen

Gemeinde



Otto Katzameier als Der Tod in Jörg Widmanns Babylon an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Arno Declair

Bewertung:    



Es ist nicht allzu oft, dass neue (neue!) "Großopern" auf deutschsprachigen Bühnen ur- bzw. nachgespielt werden. Die Bayerische Staatsoper hob vor sechs Jahren unter Leitung Kent Naganos und in der Regie von Carlus Padrissa/La Fura dels Baus Jörg Widmanns Babylon (auf Peter Sloterdijks Libretto) aus der Taufe. Ein, wenn man der zeitnahen Berichterstattung von der Isar traut, durchschlagender Erfolg!

Auch Daniel Barenboim, der in den letzten Jahren viel und gern das eine oder andere Jörg-Widmann-Opus für Orchester mit der Staatskapelle musizierte, kriegte plötzlich Lust auf dessen Oper Babylon; der Komponist hatte sie extra (wohl für ihn) noch einmal überarbeitet - doch Barenboim gab nun, gesundheitlich bedingt ("Operation an seinem rechten Auge", wie es hieß), das Dirigat kurzfristig ab; Christopher Ward sprang für ihn ein...



"Von den Grenzen der Sprache, vielmehr der Sprachverwirrung, handelt Jörg Widmanns Babylon. Der Komponist stellt hierin die multikulturelle Gesellschaft der vorantiken Hochkultur-Metropole ins Zentrum seiner Oper. Zwischen Chaos und Ordnung bewegen sich nicht nur die Babylonier, sondern auch der jüdische Tammu, der sich der babylonischen Priesterin des Krieges und der freien Liebe, Inanna, zuwendet und seine einstige Getreue, die Seele, verlässt. Als zur Besänftigung der Götter, welche die Menschen Babylons einst mit der Sintflut straften, ein Menschenopfer dargebracht werden soll, fällt die Wahl des Priesterkönigs auf Tammu. Nach der Hinrichtung Tammus beschließt Inanna, in die Unterwelt hinabzusteigen, um den dort herrschenden Tod zu überzeugen, ihren Geliebten in die Welt der Lebenden zurückkehren zu lassen. Schließlich wird ein neuer Vertrag zwischen den Göttern und den Menschen geschlossen und die Ordnung – zumindest vorläufig – wiederhergestellt."

(Quelle: staatsoper-berlinn.de)


Masse und Macht (will sagen: Ohnmacht) kommen in dem hyperambitionierten Opus - mit dem doch recht lausig nachlesbaren Text des sich in puncto Philosophie womöglich etwas besser auskennenden Sloterdijk - rein musikalisch voll zum Tragen, und so sind es ohne jeden Zweifel dann v.a. Widmanns aufwühlende Chorpassagen, die sein Babylon so recht zum Kochen bringen. Martin Wright und Anna Milukova waren für die Einstudierung des Staatsoperchores, der an exponierten Stellen nicht viel leiser als die den Orchestergraben bis zum Bersten ausgefüllt habende Staatskapelle Berlin klang, zuständig. Im dritten der in summa sieben Bilder ("Das Neujahrsfest") verrichtete das Doppelbollwerk diesbezüglich ganz besonders exzessive Arbeit; bayerische Marsch- und Wiesnweisen werden da aufs Burschikoseste vermischt und gegenseitig unterwandert, was sich ziemlich lustig anhört.

Und wir lesen [im Programmheft], dass der Widmann seine Oper deutlich kürzen und auch etwas ruhepoliger als wie in seiner ursprünglichen München-Fassung nachdisziplinieren tat - "nachprüfen" und vergleichen können das selbstredend nur diejenigen, die bei der ersten Uraufführung in 2012 schon mit dabei gewesen waren.

Ein schier blauschlammfeuchtes Highlight war für mich die große Euphrat-Arie (Stichwort Sintflut und die überschwemmte Zeit danach), mit der sich Mezzosopranistin Marina Prudenskaya den allergrößten Sympathiestau der ihr lauschenden und mitfühlenden (nicht nur Babylonischen) Gemeinde sicher sein konnte!

Wie überhaupt - von der Besetzung her - die andern beiden Lulu-gleichen Frauen (Mojca Erdmann als Die Seele und Susanne Elmark als Inanna) selbstverständlich auch aufs Abgöttischste überzeugten und gefielen!!

Otto Katzameier (als Der Tod) und Andrew Watts (als Der Skorpionmensch) sowie Charles Workman (als Tammu) schienen ebenso nicht fehlbesetzt.

Andreas Kriegenburg (Regie) "übersetzte" die an sich nicht nacherzählbare/n Geschichte/n in die auf und ab fahrende Trümmerhaushydraulik Harald Thors; und Tanja Hofmann ließ die tollsten Kleider und Klamotten, die man sich nur denken kann, für alle auftretenden Hundertschaften schneidern.

*

Kurzfazit:

Weltuntergangsszenarien hatten/haben immer wieder Konjunktur, und eigentlich sollte man es allmählich leid sein, sich mit diesem depressiven Kram bis Ende seines Lebens zu befassen; irgendwie ist mir zur Abwechslung mal wieder nach dem Rosenkavalier zumute!




Babylon an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Arno Declair

Andre Sokolowski - 10. März 2019
ID 11269
BABYLON (Staatsoper Unter den Linden, 09.03.2019)
Musikalische Leitung: Christopher Ward
Inszenierung: Andreas Kriegenburg
Bühnenbild: Harald Thor
Kostüme: Tanja Hofmann
Choreografie: Zenta Haerter
Video: Robert Pflanz
Licht: Olaf Freese
Elektronik: Gilbert Nouno
Choreinstudierung: Martin Wright und Anna Milukova
Dramaturgie: Roman Reeger
Besetzung:
Inanna ... Susanne Elmark
Die Seele ... Mojca Erdmann
Tammu ... Charles Workman
Der Priesterkönig ... John Tomlinson
Der Tod ... Otto Katzameier
Der Euphrat ... Marina Prudenskaya
Der Skorpionmensch ... Andrew Watts
Ein Priester ... Florian Hoffmann
Ezechiel ... Felix von Manteuffel
Ein Schreiber ... David Oštrek
Erster Pförtner zur Unterwelt ... David Oštrek
Zweiter Pförtner zur Unterwelt ... Giorgi Mtchedlishvili
u.v.a.
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Münchner Uraufführung an der Bayerischen Staatsoper: 27. Oktober 2012
Berliner Uraufführung der revidierten Fassung: 9. März 2019
Weitere Termine: 11., 20., 22., 24.03.2019


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de

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