Katholischer
Fundamentalismus
EGMONT von Christian Jost
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Edgaras Montvidas als Egmont im Theater an der Wien| Foto (C) Monika Rittershaus
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Bewertung:
Oper geht nicht mehr? Unsinn. Sie geht ganz ausgezeichnet, wenn alles zusammenkommt: Ein einfallsreicher Komponist – Christian Jost –, ein erfahrener Librettist – Christoph Klimke –, ein spannender Stoff – Egmont –, die Story also vom Widerstand gegen den katholischen Fundamentalismus, ein routinierter Regisseur – Keith Warner – und ein erstklassiges Ensemble, das geeignet ist, das Theater an der Wien als gleichwertig mit der renommierteren Staatsoper – Stagione versus Repertoire – zu bestätigen.
Klimke hat Goethes Drama auf seinen Kern reduziert. Nebenfiguren wurden beseitigt, die verbliebenen sechs Akteure typisiert und kontrastiv einander gegenübergestellt. Mit dem Schluss - „Ein Engel in Sicht“ – verschieben Klinke und Jost die Aussage, die so modern wirkt, ins Transzendentale. Auch die Kraniche des Librettos, zu denen der Ausstatter überdimensionale schwarze Papiervögel nach japanischem Vorbild beigesteuert hat, verweisen in diese Richtung. Weil der Regisseur offenbar so viel Askese misstraut, fügt er Akrobaten hinzu, die an Stoffbändern ihre Kunststückchen vollführen. Das ist zwar nicht neu, wird hier aber einleuchtend eingesetzt, wenn etwa das Sterben der Margarete von Parma durch eine Akrobatin verdoppelt wird.
Ashley Martin-Davis hat Bühne und Kostüme in Grauschattierungen zwischen Weiß und Schwarz getaucht. Wer nun allzu schnell auf Farbsymbolik wettet, sieht sich getäuscht: Sowohl (der böse) Alba, hinter dem in einer Szene Kruzifixe und Gewehre hängen, wie auch (die gute) Clara strahlen in blendendem Weiß. Hingegen hält sich der Komponist an die überlieferte Stimmcharakteristik, wenn er Egmont mit einem Tenor und seine Gegenspieler Alba und Macchiavell mit Baritönen besetzt.
Jost komponiert weitgehend gemäßigt atonal, aber expressiv. Am Anfang stehen, vom unsichtbaren Arnold Schönberg Chor unter ihrem bewährten Leiter Erwin Ortner gesungen, Cluster, die an Ligeti erinnern. Stellenweise gibt es tonale Zitate. Wenn Macchiavell Margarete karessiert, ertönt aus dem Orchestergraben, wo Michael Boder das ORF Radio-Symphonieorchester Wien dirigiert, eine Phrase, die an Miles Davis' Sketches of Spain, also an Joaquin Rodrigo erinnert. Das Ensemble meistert die nicht einfache Partitur bravourös. Edgaras Montividas verleiht der Titelrolle eine fast lyrische Note. Wie Don Carlos ist er nicht wirklich ein Kämpfer. Seine Redlichkeit drängt ihn fast an den Rand des Geschehens. Ihm steht mit prächtiger Stimmfülle Bo Skovhus als Alba gegenüber. Den eigentlichen schmierigen Intriganten Macchiavell singt Károly Szemerédy. Die Frauenrollen sind mit Theresa Kronthaler in der Hosenrolle von Albas Sohn Ferdinand, Angelika Kirchschlager als Margarete von Parma und, prima inter pares, der fabelhaften Maria Bengtsson als Clara beglückend besetzt. Wer in erster Linie wegen der Sängerinnen und Sänger in die Oper geht, muss hier keine Abstriche machen.
Egmont ist eine Auftragskomposition. Auch so kann man Beethoven ehren. Es müssen nicht immer alle neun Symphonien sein.
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Egmont im Theater an der Wien | Foto (C) Monika Rittershaus
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Thomas Rothschild - 20. Februar 2020 ID 12008
EGMONT (Theater an der Wien, 19.02.2020)
Oper in fünfzehn Szenen von Christian Jost
Libretto von Christoph Klimke unter der Mitarbeit des Komponisten
Musikalische Leitung: Michael Boer
Inszenierung: Keith Warner
Ausstattung: Ashley Martin-Davis
Licht: Wolfgang Göbbel
Choreografie: Ran Arthur Braun
Besetzung:
Egmont ... Edgaras Montvidas
Clara ... Maria Bengtsson
Margarete von Parma ... Angelika Kirchschlager
Macchiavelli ... Károly Szemerédy
Herzog Alba ... Bo Skovus
Ferdinand ... Theresa Kronthaler
Arnold Schoenberg Chor
(Choreinstudierung: Erwin Ortner)
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Uraufführung war am 17. Februar 2020.
Weitere Termine: 21., 24., 26.02.2020
Auftragswerk des Theater an der Wien
Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-wien.at/
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