AUTOR:INNENTHEATERTAGE 2023
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Wilhelm Troll - eine Faktenaustreibung
von Lasse Koch
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Bewertung:
Die Schweiz ist in diesem Jahr mit drei Inszenierungen bei den AUTOR:INNENTHEATERTAGEN vertreten. Neben den Bühnen Bern sind auch das Theater Basel und das Schauspielhaus Zürich eingeladen worden.
Vom Theater Basel kommt die knallige Social-Media-Satire Wilhelm Troll - eine Faktenaustreibung mit einem Text von Autor Lasse Koch, der in der Regie von Jörg Pohl Ende November 2022 uraufgeführt wurde. Aus dem ehemaligen Schweizer Rebellen und Freiheitskämpfer ist hier ein wütender Internet-Troll geworden. In eine Art spießiges Hotelzimmer mit Doppelbett, Tisch, zwei Fenstern mit Lamellenjalousien und einem angeschlossen WC-Raum (Bühne: Lena Schön, Helen Stein) schleicht der in die Jahre gekommene, einst als linker Punk gestartete männliche Protagonist (Jan Bluthardt) und begrüßt das Publikum mit: „Hi Leute, ich bin Hitler.“ Gecancelt und als Nazi bezeichnet liegt er voller Selbstmittleid auf dem riesigen Bett und versteht die heutige Welt nicht mehr. Drei PC-Internet-Sheriffs (Flamur Blakaj, Jonathan Fink, Elena Marieke Gester) weisen ihn als „Superclown“ in die Schranken. Der Tod des Alphamännchens währt aber nicht sehr lang.
Lasse Koch zeigt in 6 Akten die Auferstehung des rechten Hipsters als Troll in Internetforen. Dazu lässt er in Akt 2 die „Developer“ auftreten. In Steve-Jobs-Manier entern vier Computer-Nerds die Vorbühne und preisen im Chor den Sturz der Gatekeeper. Gemeint sind die Erfinder und Programmierer des Internets und der Social-Media-Portale, in denen nun jeder seine Meinung in die Kommentarspalten kippen kann. Jan Bluthardt zappt sich in seinem Zimmer durchs Netz der unbegrenzten Möglichkeiten. Fabian Dämmich performt dazu das personifizierte Überangebot des World Wide Wep wie ein zappeliger Alleinunterhalter mit Zaubertricks, Flitter und Werbeofferten. Der gecancelte Held wird im Internet wiedergeboren. Bluthardt und Dämmrich als diabolisches Duo Infernale gerieren sich in einer Art Talkshow als Verschwörungstheoretiker und Klimaleugner. Der Protagonist ist, wie es bei Jan Böhmermann immer so schön heißt, im Internet falsch abgebogen.
Das ist bis hierher ganz lustig gemacht. Eine chaotischer Tür-auf-Tür-zu-Klamotte mit Auftritten und Abgängen auch durch die Fenster. Den Troll werden die PC-Engel (wieder Flamur Blakaj, Jonathan Fink und Elena Marieke Gester) nicht mehr los. Er ist „too big to ignore“. Irgendwann mutieren sie selbst zur Trollarmee. Da hat die Inszenierung ihren Höhepunkt erreicht, und die Zimmerwände öffnen sich. Ab hier herrscht dann nur noch eine wie der alte Elvis kostümierte Trumpfigur, zu der alle anderen beten. Fabian Dämmrich auf dem Hooverboard spricht zu seinen Anhängern wie ein Fernsehprediger von neuen Mauern gegen Flüchtlinge usw. Willkommen in der Hölle. Der Kurzschluss ist zwar nicht falsch, als Zeiger, wohin das führt. „Fake it till you make it.“ Irgendwie hat ja jeder das Potential zum Internet-Troll. So lustig wie das hier daherkommt, ist das in der Realität für viele aber nicht. Da sind dann wohl Autor und Regisseur irgendwo doch etwas zu schnell abgebogen.
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Wilhelm Troll - eine Faktenaustreibung von Lasse Koch am Theater Basel | Foto (C) Ingo Höhn
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Stefan Bock - 11. Mai 2023 ID 14190
Wilhelm Troll - Eine Faktenaustreibung (DT Berlin/ Kammerspiele, 08.05.2023)
von Lasse Koch
Regie: Jörg Pohl
Bühne und Kostüme: Lena Schön und Helen Stein
Mitarbeit Bühne: Klara Mand
Komposition: Evelinn Trouble
Dramaturgie: Kris Merken
Mit: Jan Bluthardt, Fabian Dämmich, Flamur Blakaj, Jonathan Fink und Elena Marieke Gester
UA am Theater Basel: 2. November 2022
Gastspiel des Theaters Basel zu den Berliner AUTOR:INNENTHEATERTAGEN
Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-basel.ch/
Post an Stefan Bock
AUTOR:INNENTHEATERTAGE
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