Momentaufnahmen
zwischen
Anziehung
und Abstoßung
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Annina Euling und Sven Gey in Mister Paradise am FWT Köln | Foto © Markus J. Bachmann
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Bewertung:
Ist das Gegenüber der Traumpartner, oder zerplatzt dieser Traum bei der nächsten Konversation? Lohnt es sich an etwas festzuhalten, was einem wertvoll erscheint, oder sollte man möglichem Schaden direkt vorbeugen? Zwei Akteure begegnen sich in wechselnden Rollen, sie reden stark aufeinander ein, oft jedoch aneinander vorbei. Sie entziehen sich dabei mitunter dem Willen des anderen, dies mehr oder weniger bewusst. Sie kreisen umeinander, um sich selbst oder beschimpfen sich.
Der US-amerikanische Dramatiker Tennessee Williams (1911-1983) ist bekannt für seine tiefenpsychologischen Porträts von Familien in der Krise. Seine Figuren hängen oft Hoffnungen nach, scheitern und leiden. Am Freien Werkstatt Theater in Köln zeigt nun Julie Grothgar vier wenig bekannte Kurzstücke des Autors als Kammerspiel mit zwei bis drei Akteuren.
Überraschungsgast des Abends ist Markus J. Bachmann, der für die vorliegende Produktion auch die Fotos besorgte. Er setzt sich zu Beginn als Diva im bodenlangen, hautfarbenen Kleid genüsslich in Szene. Er mimt in einer szenischen Lesung von Madame Melissengeist Mrs. Hardwicke-Moore, eine Frau im heruntergekommenen Zimmer einer miesen Pension. Sie wird von fliegenden Kakerlaken heimgesucht, verhandelt mit wechselnden nächtlichen Besuchen lautstark um Geld, kann jedoch ihre Miete nicht zahlen. Sie streitet mit der Vermieterin Mrs. Wire (Annina Euling) über die Beseitigung der Kakerlaken und die Bezahlung der überfälligen Miete. Der Streit eskaliert, weil Uneinigkeit herrscht, was zuerst geschehen muss. Da mischt sich ein verkannter Schriftsteller aus dem angrenzenden Nebenzimmer ein (Sven Gey). Schräge Lebenslügen deuten sich an.
Die verschiedenen Situationen werden durch eingespielte Musik des pathosgetränkten National Anthem, gesungen von Beyoncé, oder Frank Sinatras „New York“ unterbrochen. Während das Akteurenduo sich zwischen den Szenen umkleidet, schließt Bachmann einen durchsichtigen Vorhang, auf den bewegte Videoprojektionen geworfen werden. Mal sehen die Zuschauer blühende Pflanzen, dann wieder militärischen Drill. Ausstatter-Duo Philipp Basener und Martina Kock sorgen mit hellen Cowboyhüten, einer schräg gesetzten „Motel“-Aufschrift, einem angedeuteten Western-Windrad und etwas Theaternebel für leise Wildwest-Romantik.
Die nächsten Szenen werden nun vom Akteurenduo gespielt und nicht mehr abgelesen.
In Die Frau des fetten Mannes geht es darum, ob Vera (Euling) das Wagnis eingeht, sich aus einem resignierten Alltag für einen möglichen Liebhaber zu befreien. Hier spielt Sven Gey in unterschiedlichen Kostümen sowohl den ungeliebten Ehegatten als auch den potentiellen Liebhaber. Mal spricht ihn Vera mit „Du Sofakissen“ an, mal flirtet sie. Es wird während des Dialogs nicht ganz deutlich, dass er zwei unterschiedliche Typen verkörpert, zumal dieser Einakter unterbrochen wird. Im Mittelteil sprechen Euling und Gey mit künstlich verzerrten, sich zerdehnenden Stimmen schwer verständlich, nebeneinander platziert auf einem Sofa, scheinbar den Einakter Zum Abriss freigegeben.
Neben der eröffnenden, temporeichen Lesung ist so schließlich das titelgebende Mister Paradise das Highlight des Abends. Eine junge Frau (Euling) tritt entschlossen mit unverhohlener Bewunderung auf ihr erstauntes Gegenüber zu. Mit anerkennen Gesten rühmt sie ihn als Anthony Paradise. Er gesteht der längst vergessene oder gänzlich unbekannte Autor eines Gedichtbandes zu sein, den sie zufällig in einem Antiquitätenladen entdeckte. Sie schwärmt von seinen Gedichten, will ihn groß herausbringen und berühmt machen. Er zeigt sich erstaunt und erschrocken und behauptet, er sehe seine Zeit weiterhin noch nicht gekommen. Die vergnügliche Szene endet mit von Gey live gespielter, schräger Dudelsackmusik einer Hymne, dazu guckt Euling mit versonnen-verhangenen Blick direkt ins Publikum.
Ein kurzweiliger Abend von verheißungsvoller Theatralik mit kleinen oder großen Überraschungen.
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Mister Paradise am FWT Köln | Foto © Markus J. Bachmann
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Ansgar Skoda - 23. Oktober 2023 ID 14443
MISTER PARADISE (Freies Werkstatt Theater, 20.10.2023)
Inszenierung: Julie Grothgar
Ausstattung: Philipp Basener und Martina Kock
Mit: Annina Euling und Sven Gey
Premiere war am 20. Oktober 2023.
Weitere Termine: 08., 09.11./ 06.12.2023
Weitere Infos siehe auch: https://www.fwt-koeln.de
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