Mycelium
Ballet de l’Opéra de Lyon/ Christos Papadopoulos
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Bewertung:
Mycelium ist die neulateinische Bezeichnung für Mycel, was (lt. Wikipedia) "die Gesamtheit aller Hyphen, also der fadenförmigen Zellen eines Pilzes oder Bakteriums (beispielsweise bei Streptomyceten)" ist. Und weiter heißt es da:
"Die einzelnen Hyphen sind meistens mit bloßem Auge nicht zu erkennen, sondern nur mikroskopisch. Mycele mit dichter Lagerung der Hyphen sind jedoch in ihrer Gesamtheit mit bloßem Auge zu sehen, beispielsweise Schimmelpilzmycele in sonst klaren Fruchtsäften, Pilzmycel auf der Oberfläche von Camembert-Käse, 'Schimmel' auf Nahrungsmitteln.
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden als Pilze nur die sichtbaren Fruchtkörper bezeichnet. Der eigentliche Pilz ist bei Speisepilzen jedoch überwiegend das feine aus Hyphen bestehende Mycel im Boden oder – bei Baumpilzen – im Holz, das wegen seines Vorkommens in diesen undurchsichtigen Substraten meistens nicht wahrgenommen wird. Pilzmycele können eine Größe von über einem Quadratkilometer, eine riesige biologische Masse und ein hohes Alter erreichen, etwa bei den Hallimaschen – im Malheur National Forest erstreckt sich ein individuelles Hallimasch-Mycel über eine Fläche von 9 km² und gilt mit einem Alter von geschätzt 2400 Jahren und einer Masse von rund 600 Tonnen als größtes Lebewesen der Erde."
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Das [s.o.] wäre also das gewesen, was ich hätte voraus- oder mitdenken müssen, um hinter das wahrlich grandios anzuschauende Geheimnis des gleichnamigen Stücks von Christos Papadopolous zu kommen; und in etwa diente mir der Wikipedia-Eintrag nachgerade auch als kleine Krücke, um "in Wirklichkeit" zu sehen resp. zu erahnen, was die 19 schönen Tänzerinnen und Tänzer vom Ballet de l´Opéra de Lyon mir nahebringen wollten.
Aber nicht nur sehend, sondern v.a. auch hörend (Musik: Coti K.) schien ich schlau und schlauer aus dem allen werden zu wollen; der elektronische Sound gewann an Rhythmus, wurde quasi immer "tanzbarer"...
Die Bühne war leer und fast stockdunkel, viel später wurden die schwarzen Rückvorhänge durch die Luft aus einer unsichtbaren Windmaschine etwas aufgebauscht. Ich hörte sowas wie Unterwassergeräusche und einen (über der Wasseroberfläche?) stattfindenden Motoren- oder Arbeitslärm; auch als dumpfes Hämmern wahrnehmbar. Also spielte sich alles, was mit diesem vermeintlichen Mycel zu tun haben könnte, unten ab - und weiter oben spielte halt eine für die Tänzerinnen & Tänzer (als Mycele) völlig andere Geschichte.
Erst trat ein einzelner Tänzer auf, machte zur Seite, hin und her, unmerklich kleine Schritte, dass es aussah, als würde ihn ein Laufband hin und her bewegen... Dann gesellte sich eine Tänzerin hinzu mit fast den gleichen Fortbewegungsmechanismen; und da waren sie schon zwei... Und immer weiter komplettierte sich, auf diese Art und Weise, die gesamte Company - ihre motorischen Bewegungen gingen zunächst von ihren Schultern aus, und sie gruppierten sich zu einem Pulk und schritten (wie der einzelne am Anfang) hin und her, von rechts nach links, von links nach rechts, nach vorn, wieder nach hinten usf.
Und ziemlich zum Schluss hin (ab dem dritten Drittel vielleicht) wurde es immer abwechslungsreicher, und der Pulk entflechtete sich zwischendurch, um sich sogleich dann wieder zu vereinen; und er formte Wellenbewegungen... ja und dann knäuelte sich dieser Pulk in sich zusammen, ging nach hinten, und es wurde immer dunkler, bis man ihn dann nicht mehr sah.
Verblüffend schön und rätselhaft.
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Mycelium mit dem Ballet de l’Opéra de Lyon | Foto (C) Agathe Poupeney
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Andre Sokolowski - 30. August 2024 ID 14892
Mycelium (Haus der Berliner Festspiele, 29.08.2024)
Choreografie: Christos Papadopoulos
Choreografische Assistenz: Georgios Kotsifakis
Musik: Coti K.
Lichtdesign: Eliza Alexandropoulou
Kostümbild: Angelos Mentis
Ballettmeister*innen: Amandine François und Raul Serrano Nuñez
Mit: Jaqueline Bâby, Kristina Bentz, Eleonora Campello, Noëllie Conjeaud, Jeshua Costa, Katrien de Bakker, Tyler Galster, Paul Grégoire, Jackson Haywood, Mikio Kato, Amanda Lana, Almudena Maldonado, Albert Nikolli, Leoannis Pupo-Guillen, Roylan Ramos, Anna Romanova, Marta Rueda, Giacomo Todeschi und Kaine Ward
Eine Produktion der Opéra de Lyon, Biennale de la danse in Kooperation mit dem Théâtre de la Ville, Paris
Weitere Infos siehe auch: https://www.tanzimaugust.de
https://www.andre-sokolowski.de
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