Lia Rodrigues
Borda
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Bewertung:
Die Performance Borda, die mich gestern Abend im Haus der Berliner Festspiele total verblüffte und erfreute - zweifelsohne zählte und zählt sie zu den wenigen wirklich nennenswerten Highlights des an diesem Wochenende zu Ende gehenden Festivals TANZ IM AUGUST 2025 - , wurde kreiert von der brasilianischen Tänzerin und Choreografin Lia Rodrigues (69). Vor 35 Jahren gründete sie ihre Company; sie nennt sich bis heute Lia Rodrigues Companhia de Danças und ist...
"...an der Entwicklung von Bildungs- und Kunstinitiativen in der Favela de Maré in Rio de Janeiro beteiligt. Das Ergebnis ist das 2009 eröffnete Centro de Artes da Maré (Kunstzentrum Maré) und die 2011 eröffnete Escola livre de Danças da Maré (Freie Tanzschule Maré).
In ihrem gesamten beruflichen und künstlerischen Leben hat sich Lia Rodrigues nicht nur der Ausbildung und dem künstlerischen Schaffen gewidmet, sondern auch dem Unterrichten in Form von Workshops und Seminaren. Mit einer Mischung aus Militanz und Utopie glaubt sie an die Synergie zwischen Kunst und gesellschaftspolitischen Prozessen."
(Quelle: tanzimaugust.de)
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Neun Tänzerinnen und Tänzer (David Abreu, Vitor de Abreu, Raquel Alexandre, Cayo Almeida, João Alves, Valentina Fittipaldi, Andrey de Silva, Leonardo Nunes, Daline Ribeiro) stecken zu Beginn unter einem quälend langsam in ein "aufgehendes Sonnenlicht" (designed von Nicolas Boudier) getauchten Berg von scheinbar brachliegendem Kunststoff aus unterschiedlich großen Thermoplanen und Polsterungen; alles hell und weißlich. Erst nach und nach wurde klar, dass der sich peu à peu vergrößernde und irgendwie auch kreißende Berg - viel später fliegt urplötzlich eine einem Säugling ähnelnde Stoffpuppe durch die Luft - durch die Akteurinnen und Akteure unter ihm bewegt und aufgerichtet worden war...
Aus den sich in Zeitlupe entwickelnden gespenster- und riesenähnlichen Plastikskulpturen blickten schließlich fratzenhafte menschliche Gesichter; alles blieb, wie seit Beginn schon, stumm...
Die Plastemüllbergspielenden verteilten sich, und ihre menschlichen Vereinzelungen gingen in ein gegenseitiges Kommunizieren (alles rein mimisch, mit immer hörbareren Flüstereinlagen) über...
Ja und nach einer gefühlten halben Stunde änderte sich die bis dahin untotige, geisterhafte Grundstimmung; von ferne wurde ein pochender und immer gleich klingender Rhythmus laut und immer lauter, und zu ihm wollten ab nun die sich in permanent wechselnde und farbenfrohe Kostümierungen begebenden Tänzerinnen und Tänzer auf das Ungestümste und schier Ausgelassenste toben und tanzen - und so ging es immer fort.
Zuletzt wurde es wieder ruhig, und alle verbargen sich, so wie am Anfang, unterm weißen Berg.
Sehr einprägsam und über alle Maßen schön.
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Borda mit der Lia Rodrigues Companhia de Danças | (C) Sammi Landweer
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Übrigens: Das portugiesische Wort Borda steht für "Grenze, Schwelle, Saum oder Dekor"; und die Tänzerinnen und Tänzer hätten in ihrem gleichnamigen Stück nicht nur Abgrenzungen "von Gruppen und Völkern, Eigenem und Fremden" heraufbeschwören wollen, sie hätten "auch nach den Vieldeutigkeiten und Möglichkeiten dieser Zwischenräume" gesucht und danach gestrebt, "die Ränder in Bewegung zu versetzen, sie schweben und tanzen zu lassen".
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Andre Sokolowski - 28. August 2025 ID 15432
Borda (Haus der Berliner Festspiele, 27.08.2025)
Kreation: Lia Rodrigues
Von & mit: David Abreu, Vitor de Abreu, Raquel Alexandre, Cayo Almeida, João Alves, Valentina Fittipaldi, Andrey de Silva, Leonardo Nunes und Daline Ribeiro
Choreografische Assistenz: Amalia Lima
Dramaturgie: Silvia Soter
Künstlerische Zusammenarbeit: Sammi Landweer
Lichtdesign: Nicolas Boudier
Technische Leitung: Magali Foubert und Baptistine Méral
Eine Produktion von Lia Rodrigues Companhia de Danças in Kooperation mit TANZ IM AUGUST u.a.
Weitere Infos siehe auch: https://www.tanzimaugust.de
https://www.andre-sokolowski.de
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