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Premierenkritik

Die Fliege

machen

NEBENAN am Burgtheater Wien


Norman Hacker und Florian Teichtmeister in Nebenan von Daniel Kehlmann - am Burgtheater Wien | Foto (C) Matthias Horn

Bewertung:    



Eine hyperrealistische altmodische Bar mit einer Tür zur Toilette, in die man Einblick erhält, Neonröhren, eine rauchende Zigarette der Wirtin im Aschenbecher am Tresen, eine Wanduhr, die 35 Minuten nachgeht, ein Dartautomat (Bühne: Jessica Rockstroh). Burgtheaterdirektor Martin Kušej hat, offenbar in Ermangelung von Dramen oder so, den Film Nebenan von den beiden Daniels Kehlmann und Brühl auf seine Bühne gebracht. Genau besehen wurde daraus ein Zweipersonenstück mit Staffage. Anstelle von Daniel Brühl himself spielt Florian Teichtmeister, der nun, ein genialer Einfall, Florian heißt, den Filmschauspieler und anstelle von Peter Kurth Norman Hacker, dem man immer gerne zuschaut, dessen Verfolger Bruno. Der hat allerlei herausbekommen über seinen wohlhabenden Nachbarn und quält ihn und das Publikum mit seinem Wissen.

„Mach mal die Fliege“, heißt es an einer Stelle. So redet kein Mensch in Österreich. Entweder also ist die Gentrifizierung nur am Prenzlauer Berg ein Thema, dann muss man sich fragen, warum dieser Film ausgerechnet in Wien adaptiert werden muss, oder sie ist auch am Ort relevant, dann ist dieses „Piefkinesisch“ überflüssig.

Die Regie hatte, wie gesagt, Martin Kušej. Es ist – sprechen wir es unverblümt aus – eine Tragödie. Wo ist die Radikalität seines Herzog Theodor von Gothland oder seines King Arthur abgeblieben? So wie Nebenan hat man vor 60 Jahren am braven Wieer Volkstheater Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Jean Anouilh oder später noch Fritz Hochwälder gespielt. Als Kušej bei der Besetzung der Nachfolge von Klaus Bachler als Burgtheaterdirektor zugunsten von Matthias Hartmann, nicht ohne offensichtliche Kränkung, übergangen wurde, hat er am Münchner Residenztheater noch ein paar Glanzlichter gesetzt. Inzwischen strahlt der kärntner-slowenische Rebell von einst in Körperhaltung und Gesichtsausdruck nur noch Selbstzufriedenheit aus. Was auf der Bühne zu sehen ist, zeugt nicht von Genie, sondern allenfalls von Routine und Abgeklärtheit.

Das Premierenpublikum war dennoch happy. Anhaltender, kräftiger Applaus, erst recht, als Daniel Kehlmann und Daniel Brühl, ein veritabler Hollywood-Star, der die Idee zu dem Film beigesteuert und Regie geführt hat, die Bühne erklimmen.




Nebenan von Daniel Kehlmann - am Burgtheater Wien | Foto (C) Matthias Horn

Thomas Rothschild - 16. Oktober 2022
ID 13855
NEBENAN (Burgtheater Wien, 15.10.2022)
basierend auf dem gleichnamigen Film von Daniel Brühl und Daniel Kehlmann

Inszenierung: Martin Kušej
Bühne: Jessica Rockstroh
Kostüme: Justina Klymczik
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Anika Steinhoff
Besetzung:
Daniel ... Florian Teichtmeister
Bruno ... Norman Hacker
Wirtin ... Katharina Pichler
Clara ... Elisa Plüss
Micha ... Stefan Wieland
Taxifahrer/ Guido/ Dirk ... Arthur Klemt
UA war am 15. Oktober 2022.
Weitere Termine: 19., 22.10./ 01., 09.11.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.burgtheater.at/


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