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ANGABE DER PERSON
von Elfriede Jelinek


Angabe der Person von Elfriede Jelinek am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair

Bewertung:    



Elfriede Jelinek ist gerade wieder sehr präsent. Im Kino läuft ein filmisches Portrait der Regisseurin Claudia Müller mit dem Titel Elfriede Jelinek - Die Sprache von der Leine lassen. Und im Theater hatten gerade zwei Uraufführungen von neuen Texten der 76jährigen Literaturnobelpreisträgerin Premiere. Am Schauspielhaus Zürich inszenierte Regisseur und Ko-Intendant Nicolas Stemann das Stück Sonne, los jetzt! Am Deutschen Theater Berlin brachte Regisseur Jossi Wieler Jelineks recht persönlichen, im November in Buchform erschienen Text Angabe der Person auf die Bühne. Beide Herren sind langjährige Uraufführungsregisseure von Jelinek-Stücken. Bevorzugt Nicolas Stemann einen eher performativen Umgang mit den für Elfriede Jelinek typischen Fließtexten, so ist Jossi Wieler für seine ordnende Hand gegenüber den von der Jelinek-Leine gelassenen Textmassen bekannt.

So auch in seiner Inszenierung für die große Bühne des Deutschen Theaters. Regisseur Wieler und sein Dramaturg Bernd Isele haben den über 180 Seiten langen Text stark gekürzt und hauptsächlich in drei Monologe aufgeteilt, die die Schauspielerinnen Linn Reusse, Fritzi Haberlandt und Susanne Wolff hier nacheinander über die Rampe bringen. Das erweist sich einerseits als großes sprachkünstlerisches Literaturtheater, hat aber anderseits den Nachteil, dass die Inszenierung ansonsten nicht allzu viel Dramatisches zu bieten hat. Das liegt sicher auch an Jelineks wiedermal inhaltlich völlig aus dem Ruder laufenden Fließtext, den die Bühnenfassung zwar geschickt aber auch sehr gefällig bündelt, was den drei Damen viel Platz zum persönlichen Vortrag gibt und dem Publikum die Mühsal des Lesens erspart, ihm aber auch kaum theatrale Höhepunkte bietet.

Aber worum geht es eigentlich in Angabe der Person? Etwa vor 10 Jahren bekam Elfriede Jelinek unverhofften Besuch von der bayrischen Steuerfahndung in ihrem Zweitwohnsitz in München. Das Finanzamt beschlagnahmte viele persönliche Schriften und die Festplatte ihres Computers zur Beweissicherung. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung betrifft das österreichische Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland. Jelinek, die sich mehr in ihrem Wohnsitz in Wien-Hütteldorf aufhält, sollte nachgewiesen werden, dass sie fällige Steuern in Deutschland nicht entrichtet hatte. Dazu wurde sogar geprüft, wie häufig etwa die Klospülung in der Münchner Wohnung betätigt wurde. Das Verfahren wurde nach einigen Jahren wieder eingestellt, scheint die Autorin aber nachhaltig beeindruckt zu haben, wie ein schon 2013 auf ihrer Website veröffentlichter Text beweist.

Das allein reicht sicher noch nicht für eine literarische Abrechnung mit der Gründlichkeit deutscher Behörden. Jelinek benutzt das für sie sicher traumatisierende Ereignis nicht nur für einen Exkurs zu allen möglichen Steueroasen oder Briefkastenfirmen, der Text streift hier kurz auch die Fälle des Tennisspielers Boris Becker oder des durch den spektakulären Münchner Bilderfund bekannt gewordenen Cornelius Gurlitt, Sohn des Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Ein Für und Wider steuerlicher Gerechtig- bzw. Ungerechtigkeit, die hier eh kaum hinreichend beurteilt werden kann, der Autorin aber für eine Anklage des Unrechts am jüdischen Teil ihrer Familie väterlicherseits dient. Und das macht letztendlich diesen Text erst wirklich interessant, da Jelinek hier nicht mit persönlichen Details geizt, indem sie Mitglieder der im Nazireich verfolgten Jelinek-Familie vorstellt und deren Schicksal von Flucht bis zum Mord im Gas schildert. Das allerdings mit der ihr typisch ironischen und auch provozierenden, sich selbst stets mit auf die Schippe nehmenden Art.

Das bleibt nicht ohne Anspielungen an die eigene Lust, die Opfer immer wieder vor sich herzutragen, sie sich auf die Schultern zu setzen, wie es auch im Text heißt. Für die gründlichen deutschen Täter führt sie den in Nürnberg als Kriegsverbrecher hingerichteten Nazi-Anwalt Arthur Seyß-Inquart und den Reichsjugendführer Baldur von Schirach an. Besonders arbeitet sich Jelinek an der Familie von Schirach inkl. des Schriftstellers und Dramaturgen Ferdinand von Schirach ab. Dessen Stücke, in denen das Publikum auch mal über Leben und Tod entscheiden kann, wurden am Deutschen Theater und dem Berliner Ensemble uraufgeführt. Die Frau von Baldur von Schirach konnte nach dem Krieg Teile des Familienbesitzes in Kochel am See billig zurückkaufen, während Jelineks Familienangehörige nie entschädigt wurden. Der Text meandert so immer auch wütend von Thema zu Thema, wobei die Flüchtlingskrise und das unablässige Mahnen der Autorin auf die ausbleibende Gerechtigkeit für die Opfer staatlicher Gewalt eine Rolle spielen. Auch den Hass auf sich als „Nestbeschmutzerin“ thematisiert sie und bezeichnet sich z.B. als „eine Art Windel für die Welt“.

Diese so persönliche „Angabe der Person“ oder das Bauen einer „Lebenslaufbahn“, wie es zu Beginn heißt, wird von den drei Schauspielerinnen auf fast leerer Bühne in den besagten drei Soloauftritten bestritten. Ein Raumfragment, von Anja Rabes auf der Drehbühne gestellt, soll wohl die Münchner Wohnung darstellen. Davor sitzt Bernd Moss mit Kopfhörern an einem Tisch mit Aufnahmegeräten, schreibt auf einem Notebook oder dreht an Reglern. Es könnte der jüngst verstorbene Mann von Elfriede Jelinek sein, der hier hin und wieder ein paar Worte wie „Ach Elfie“ spricht. Mal setzen sich die Schauspielerinnen auch auf seinen Schoß. Viel mehr passiert nicht. Wieler setzt auf die bloße Präsenz der drei Jelinek-Darstellerinnen, wobei Linn Reusse zu Beginn noch recht zuversichtlich einen Aktenordner auf die Bühne knallt. Fritzi Haberlandt kommt der ironisch sprühende Part des Abends zu, was für einige Lacher und Beifall im Publikum sorgt. Bildlich spielt sie die wie eine Krähe hackendende Schreibwut der Autorin oder setzt sich auch mal auf das Klo. Abgeklärt und zunehmend resignierend spricht Susanne Wolff die persönlichen Teile des Textes. Dazu hat PC Nackt seichte Pianomusik für ein automatisches Klavier auf der Bühne komponiert. Der Abend hätte mit dem finalen Zusammenspiel der drei mit vom Band kommenden Textfragmenten enden können, aber auch Bernd Moss darf sich noch von seinem Platz erheben. So erhebend war der Abend dann aber doch nicht.



Fritzi Haberlandt, Susanne Wolff und Linn Reusse in Angabe der Person von Elfriede Jelinek am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair

Stefan Bock - 17. Dezember 2022
ID 13968
ANGABE DER PERSON (Deutsches Theater Berlin, 16.12.2022)
von Elfriede Jelinek

Regie: Jossi Wieler
Bühne und Kostüme: Anja Rabes
Komposition und Musik: PC Nackt
Licht: Matthias Vogel
Dramaturgie: Bernd Isele
Mit: Fritzi Haberlandt, Bernd Moss, Linn Reusse und Susanne Wolff
UA war am 16. Dezember 2022.
Weitere Termine: 22., 29.012.2022// 02., 25.01.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de


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