Zurück aus
der Zukunft
|
Wildfire Road (Flächenbrand) am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu
|
Bewertung:
Heute sind wir ja nahezu übersättigt von Katastrophenmeldungen. Da ist es schön, wenn ein neues Theaterstück leichtfüßig vom drohenden Armageddon erzählt. Verena Regensburger inszeniert die Uraufführung Wildfire Road (Flächenbrand) als kurzweiliges Zweipersonenstück mit witzigen filmischen Querverweisen. Situationskomik, sphärische Klänge und eine fiebrige Leuchtstoffröhren-Installation begleiten eine absurde Endzeitvision mit rettenden Irrwegen. Die Übersetzung aus dem Englischen der Vorlage der heute 37jährigen Autorin Eve Leigh besorgte Henning Bochert.
Bühnenbildnerin Marie Häusner hat eine kleine grüne Insel inmitten eines kalten, schwarzen Bühnenbodens geschaffen; umgeben von metallischen Stäben, die während der Inszenierung mal gelb oder rötlich flackern oder leuchten. Die beiden Figuren liegen versunken auf dem grünen Teppich aus Kunstgras. Das junge Paar Mariella (Sandrine Zenner) und Dave (Sören Wunderlich) erscheint leicht rußig und verschmutzt. Es trägt löchrige Kleidung und hat kleine Verletzungen davongetragen. Es erzählt das Geschehen im lässigen Plauderton aus der Rückschau und nimmt dabei wechselnde Rollen ein.
Mariella glaubte früh zu erkennen, dass hier etwas nicht stimmt, da die Gesichter des Bordpersonals aschfahl seien. Es laufe etwas schief. Befürchtungen werden laut, dass nicht nur das Reisevorhaben auf Abwege gerate. Über Tonwiedergaben an den Lichtstäben kommen andere Fluggäste zu Wort (Ensemblemitglieder am Theater Bonn), die anfangs nichts bemerkt haben. Sie bekommen angesichts ungeahnter Wendungen ihrer Flugreise aber Angst, später machen sie sich Gedanken zum Klimawandel. Mit pantomimischen Einlagen verkörpern Wunderlich und Zenner auch andere Figuren wie die überforderte Pilotin und ihre heimliche Weggefährtin im Passagierraum.
*
Wildfire Road handelt von einer „friedlichen“ Flugzeugentführung. Die Entführerin möchte ein Flugzeug, dessen Ziel Tokio ist, in Sibirien zur Notlandung zwingen. Sie behauptet, sie käme aus der Zukunft und habe gute Absichten. Die Fluggäste und das Bordpersonal sind in heller Aufregung. Bald gibt die Abgesandte aus der Zukunft zu erkennen, dass überall in Europa Lauffeuer („Wildfires“) ausbrechen und sich ausbreiten. Die weite Fläche Sibiriens biete hingegen Sicherheit, und der Landeanflug hier sei eine Rettung. Die Vorstellungskraft der Fluggäste und der Crew ist gefragt. Schlussendlich ergehen sich die beiden Akteure auf der Bühne einer gedanklichen Vision der Klimarettung.
„Wo wir hinfahren, brauchen wir keine Straßen.“ heißt es mal; so mancher erinnert sich an das berühmte Zitat aus den 80er/90er-Filmklassiker Zurück in die Zukunft. Auch Daves Turnschuhe nehmen sich ein bisschen aus wie die Nike Mags von Marty McFly in Zurück in die Zukunft. Während Dave in kurzen Szenen eine Art Raumfahrer-Helm trägt und geistesabwesend spricht, hält er eine Replik der Film-Requisite Grays Sports Almanach in der Hand, auch ein Verweis auf die legendäre Sci-Fi-Trilogie. Könnten solche Schutzanzüge auch bald für Normalbürger anlässlich extremer Klimaveränderungen auf unserem Planeten Alltag werden – ähnlich wie die FFP2-Schutzmasken gegen Corona?
|
Wildfire Road (Flächenbrand) am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu
|
Das Bonner Programmheft erinnert daran, dass durch den Klimawandel verursachte Dürreperioden Landschaften und Wälder mehr und mehr austrocknen lassen und so die Zunahme von Waldbränden beschleunigen. Es gab 2022 den seit langem verheerendsten Waldbrandsommer mit über 700.000 Hektar verbranntem Land, insbesondere in Spanien, Rumänien, Portugal, Griechenland und Italien wütenden die Feuer. Auch in Deutschland, in Brandenburg und dem Harz und im Berliner Grunewald brannten Waldstücke. Durch Feuer freigesetztes Kohlendioxid treibt in einem Circulus vitiosus die Klimakrise an.
Verena Regensburgers vorsichtig tastende Inszenierung schafft es, das Grauen des voranschreitenden Klimawandels in eine unterhaltsame Story und nachdenklich stimmende Bilder zu bannen. Gleichzeitig entlässt einem die Geschichte mit vielen Fragen, da Schicksale und Spannungen zwischen einzelnen Figuren oft nur angerissen wurden. So bleibt das effektvolle Bühnenbild von Marie Häusner am nachhaltigsten in Erinnerung.
|
Ansgar Skoda - 13. November 2022 ID 13910
WILDFIRE ROAD (Werkstatt, 10.11.2022)
Regie: Verena Regensburger
Bühne: Marie Häusner
Kostüme: Veronika Utta Schneider
Licht: Ewa Górecki
Sounddesign: Azhar Syed
Dramaturgie: Jan Pfannenstiel
Mit: Sandrine Zenner und Sören Wunderlich
UA am Theater Bonn; 10. September 2022
Weitere Termine: 02., 09., 30.12.2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de
Post an Ansgar Skoda
skoda-webservice.de
Freie Szene
Neue Stücke
Premieren (an Staats- und Stadttheatern)
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|