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Uraufführung

DOPING

Die neue Gesellschafts-Komödie von Nora Abdel-Maksoud an den Münchner Kammerspielen läuft im klamaukigen High-Speed-Tempo leck

Bewertung:    



In der regierenden Ampelkoalition läuft es nicht so richtig rund. Die FDP mit ihrem Finanzminister Lindner, gerade erst bei Carmen Miosga im TV-Talk, macht dazu noch Opposition innerhalb der Regierung. Schuldenbremse, Bürgergeld, Verbrenner-Aus etc., fast überall versucht die Partei der Besserverdienenden ihre Agenda vom neoliberalem Wirtschaftswachstum und Sparen am Sozialstaat durchzudrücken. Im Theater hat man sich bisher eher um identitätspolitische Fragen und den Kampf gegen rechts gekümmert. Nun hat Nora Abdel-Maksoud eine neue Komödie über einen aufstrebenden FDP-Lokalpolitiker im Reichenparadies Sylt geschrieben und selbst inszeniert. Doping ist nach Jeeps ihr zweites Stück für die Münchner Kammerspiele. Auch diesmal wieder eine flotte Gesellschaftssatire, die aktuelle Themen boulevardesk überspitzt in High Speed auf die Bühne bringt.

Jener junge Lokalpolitiker Lütje Wesel, gespielt von Vincent Redetzki, hat mit Unterstützung seines Mentors, eines ortsansässigen Unternehmers, auf Sylt Karriere gemacht und steht als Spitzenkandidat im stressigen Wahlkampffinale, bei dem er sich in einer Einwohnerfragestunde unbequemen Zwischenrufen stellen muss. Sein Kurs aus schlankem Sozialstaat mit Kürzungen im Gesundheitswesen und Blockierung der Sanierung eines Panoramawegs kommt nicht bei allen gut an. „Freiheit, Eigenverantwortung und wer soll das bezahlen!“ - die drei Argumente der Sylt-FDP.

Der politische Marathonläufer Lütje Wesel hat als begnadeter Rhetoriker allerdings ein Problem. Beim Druck vor Menschenmengen zu reden, nässt der Hochleistungspolitiker vor laufender Kamera ein. Der bereits psychisch austherapierte Krankheitsfall wird nun selbst Opfer der eigenen Sparpolitik.

Um den Wahlkampf zu retten, greift Protegés Ole Hagenfels-Jefsen-Bohn (Stefan Merki) zur letzten Möglichkeit, einer Radikaltherapie in der ominösen Privatklinik des ausgemusterten Ex-Geburtsklinikchefs Dr. Bob (genial verhuscht mit norddeutschem Spracheinschlag gespielt von Wiebke Puls). Noch begleitet wird der ungeduldige Patient wider Willen von seiner hoch-schwangeren Parteikollegin Jagoda (Şafak Şengül). Die Tochter von Hagenfels-Jefsen-Bohn steht auf Dauerlistenplatz zwei, hat aber selbst politische Ambitionen nach oben. Das verrückte Stück-Personal ergänzt die mit einer übernatürlichen Heilkraft ausgestattete Entbindungspflegerin Gesine (Eva Bay), die die Leiden der Patienten durch Umarmung auf sich übergehen lassen kann.

*

Nora Abdel-Maksoud verbindet hier humorvoll soziale Probleme wie Klassismus und geringe Entlohnung von Care-Arbeit mit feministischen Positionen wie der Bekämpfung des Gender Pay Gap und der sozialen Rolle der Frauen in Care-Berufen bzw. in der Politik sowie der Entlohnung von berufstätigen Müttern und der Kinderbetreuung. Die Pointen purzeln dabei im Minutentakt, wobei auf nötige Tiefe nicht immer unbedingt Rücksicht genommen wird. Schnell stellt sich heraus, dass sich die vermeintliche Privatklinik auf einem lecken U-Boot befindet. Ein marodes Krankenhaus für die abgehängten gesetzlich Versicherten. Ein schönes Bild für den kaputtgesparten Gesundheitssektor, der eher auf Effektivität und Gewinn orientiert ist, als auf die Heilung schwieriger Fälle. Das soziale Gefälle an Bord und die „Markt“-Geilheit der FDP-Blase als Running Gag sorgen für weitere Spitzen.

Als das U-Boot schließlich auf den Geldberg des Unternehmers Hagenfels-Jefsen-Bohn aufläuft und die Geburt von Jagodas Kind bevorsteht, läuft das Stück gänzlich aus dem Ruder. Jagoda läuft zu feministischen Hochtouren auf und fordert ein transgenerationales Erbe für alle Mütter. Auch die sozial am anderen Ende der Verdienstskala befindliche Gesine bekommt ihr Solo für Geschlechter-Gerechtigkeit. Dazu wird auch immer wieder auf der von Moïra Gilliéron gestalteten Halbrundhorizontbühne im Chor gesungen. Etwa Hi Ren vom an Lyme-Borreliose erkrankten britischen Sänger Ren oder I am no mother, I am no bride, I am king von Florence and the Machine. Die überdrehte Groteske hat durchaus Potential für eine satirisch-theatrale Zuspitzung von realen Konflikten. Die Autorin/Regisseurin setzt aber mehr auf schräge Unterhaltung und satten Klamauk. So erreicht Doping allerdings nicht das Niveau der Vorgänger-Komödien Making-of, Rabatt oder Jeeps.



Doping von Nora Abdel-Maksoud - an den Münchner Kammerspielen | Foto (C) Judith Buss

p. k. - 9. April 2024
ID 14693
DOPING (Münchner Kammerspiele, 05.04.2024)
von Nora Abdel-Maksoud

Regie: Nora Abdel-Maksoud
Bühne: Moïra Gilliéron
Kostüm: Cleo Niemeyer-Nasser
Musik: Tobias Schwencke
Licht: Maximilian Kraußmüller
Dramaturgie: Olivia Ebert
Mit: Eva Bay, Stefan Merki, Wiebke Puls, Vincent Redetzki und Şafak Şengül
UA war am 5. April 2024.
Weitere Termine: 15., 23., 24.04./ 03., 05., 19., 31.05/ 01.06.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.muenchner-kammerspiele.de


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