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Neue Stücke

Höllenspuk

zwischen

Eldorado,

McDonald´s und

Göttlicher

Komödie



Eure Paläste sind leer (all we ever wanted) von Thomas Köck an den Münchner Kammerspielen | Foto (C) Armin Smailovic

Bewertung:    



Man stelle sich die Münchner Kammerspiele 2026 vor, abgeranzt und als Parkhaus missbraucht, so zeigt sich nämlich die Ansicht des schönen Jugendstilrangs als Bühnenbild (Julia Kurzweg) für Jan-Christoph Gockels Uraufführungsinszenierung von Thomas Köcks Stück Eure Paläste sind leer (all we ever wanted). Darin wollen ein paar Konquistadoren-Puppen mit einem alten VW Golf nach Eldorado fahren. Das sagenumwobene Goldland am Amazonas trägt das umgestürzte McDonald‘s-Zeichen als Anfangsbuchstaben. Ein mit Opiaten zugedröhnter Bademantelträger muss sich ein paar aufdringlicher Journalisten erwehren und im Schlachthaus fallen die Mitarbeiter reihenweise um.

Alle klar? Wenn nicht, auch nicht so schlimm, die Welt liegt nach Köck eh in den letzten Zügen, und die Paläste der Macht und des westlichen Konsums sind leer und nur noch von Gespenstern der Vergangenheit bevölkert. Ein Haunted House mit Direktanschluss zur Hölle. Apokalyptische Stoffe haben derzeit Hochkonjunktur am Theater. Und auch Autor Thomas Köck hat uns schon mit einer ganzen Klimatrilogie beglückt. Nun geht er noch einen Schritt weiter und verknüpft die Krisen der Gegenwart mit den kolonialen Altlasten der alten Welt, die im 15. Jahrhundert aufbrach, die neue zu entdecken. Die Themen für sein Stück entlehnt Köck Werner Herzogs Film Aguirre - der Zorn Gottes mit Klaus Kinski in der Rolle eines wahnsinnigen Konquistadoren, der vom britischen Schriftsteller und Kulturwissenschaftler Mark Fisher bei Derrida entlehnten Idee der Hauntologie und der von Pharmakonzernen verantworteten Opiad-Epidemie in den USA mit ihren an die 200.000 Todesfällen.

Im Zentrum aber steht eine namenlose Ich-Figur, in der aber unschwer der durch die Jahrhunderte wandernde blinde Seher Teiresias zu erkennen ist, den hier auch alle mal mit blutiger Augenbinde spielen dürfen. Sein lyrischer Klagegesang beim Durchstreifen der leeren Paläste rahmt den übrigen Text. Er, der alles immer schon hat kommen sehen, beklagt die Unbelehrbarkeit der Menschen im Angesicht vergangener Missetaten, bezichtigt sich aber auch selbst, tatenlos zugesehen haben. Ein Vorwurf, der auch heute auf viele Menschen passen dürfte. Teiresias wandert wie Dante in seiner Göttlichen Komödie durch die Ringe der Hölle, das Fegefeuer und Paradies. In großletternen Überschriften werden Stationen wie INFERNO, PURGATORIO oder PARADISO auf den geschlossenen Vorhang projiziert. In sogenannten Zwischenspielen u.a. vor dem Vorhang als verqualmte, ionische Gesprächsrunde geht es darum, wem die Paläste gehören, wer sie gebaut hat und dass es in der Wiederholung der Bilder keine Erlösung gibt. Die Bitte um Erlösung vor dem Jüngsten Gericht gipfelt schließlich in liturgischen Versen und einer Kreuzigung am McDonald‘s-M.

Zu den hochpoetischen aber auch sehr ausschweifenden Texten Köcks baut Gockel ein Bild nach dem anderen, wiedermal unterstützt durch die Puppen des Schauspielers und Puppenbauers Michael Pietsch. Sie werden vom Ensemble geführt und gesprochen. Das Problem ist, diese auf den ersten Blick scheinbar nicht zusammengehörenden Fließtexte und Spielszenen zu einem Theaterabend zusammenzufügen. Hochpathetische Teiresias-Passagen wechseln mit Klamauk im Ronald-McDonald-Kostüm und mit der Live-Kamera gedrehten Szenen im VW. Stark ist die Musikbegleitung von Anton Berman und Maria Moling an Keyboard und Schlagzeug. Katharina Bach bläst hin und wieder auf der Trompete und Christian Löber spielt E-Gitarre. Aber auch Bernardo Arias Porras, Nancy Mensah-Offei und Leoni Schulz haben ihre Auftritte. So richtig zusammenhalten kann diesen sich selbst nicht sehr ernst nehmenden Abend aber nicht mal die immer wieder traurig über die Bühne wandelnde Puppe eines kleinen Jungen. Die um ihre Zukunft betrogene Jugend bedeckt die Toten auf der Bühne mit einem Leichentuch. Ein nicht enden wollender Höllen-Spuk in weißen Laken.



Eure Paläste sind leer (all we ever wanted) von Thomas Köck an den Münchner Kammerspielen | Foto (C) Armin Smailovic

Stefan Bock - 5. Januar 2022
ID 13388
EURE PALÄSTE SIND LEER (ALL WEG EVER WANTED) | Münchner Kammerspiele, 02.01.2022
von Thomas Köck

Regie: Jan-Christoph Gockel
Bühne: Julia Kurzweg
Kostüme: Janina Brinkmann
Musik: Anton Berman, Maria Moling
Puppenbau: Michael Pietsch
Lichtdesign: Christian Schweig
Dramaturgie: Tobias Schuster
Mit: Bernardo Arias Porras, Katharina Bach, Christian Löber, Nancy Mensah-Offei, Michael Pietsch und Leoni Schulz
UA war am 13. November 2021.
Weitere Termine: 14., 20., 21., 30.01. / 10., 19., 20.02.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.muenchner-kammerspiele.de


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