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Uraufführung

Rhythmisch

strukturiert



Niederwald von Wolfram Höll am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

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Den Leipziger Dramatiker Wolfram Höll verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Schauspiel Leipzig. Für seine Stücke Und dann (2013) und Drei sind wir (2016) erhielt Höll den Mülheimer Dramatikerpreis. Mit Niederwald legt er nun sein viertes Stück zur Uraufführung vor. Auch hier geht es um eine Familie mit Traumaerfahrung. Elsa-Sophie Jach, Hausregisseurin am Residenztheater München, hat den sprachlich wieder sehr rhythmisch strukturierten Verstext in der Spielstätte Diskothek inszeniert. Da bietet sich auch sofort Livemusik zur Untermalung an. David Hirst spielt E-Gitarre und hin und wieder singt auch das Ensemble den Text dazu.

Das Bühnenbild von Aleksandra Pavlović besteht aus einem zylinderförmig mit Gaze behängten Metallgestänge, das später einen mit Schaukeln bestückten Innenraum freigibt. Im Hintergrund ist ein Bergpanorama zu sehen, das auch mal auf die Gaze projiziert wird. Hier liegt Niederwald, das kleine schweizerische Heimatdorf der Mutter, in das ein Vater mit seiner Tochter und der Uroma nach dem Unfalltod der Mutter gekommen sind. Teresa Schergaut spielt diese zunächst noch halbwüchsige Tochter, die zu Beginn mit einem Spielzeugauto die Geschichte von einem traditionellen Brautraub erzählt, in dessen Folge die Mutter verunglückt ist. Die Flucht des Vaters (Markus Lerch) ist eine Flucht vor der Trauer und auch der Wahrheit, die die Tochter dann vehement einfordert, und damit nicht nur sich sondern letztendlich auch den Vater aus der Lethargie und Depression befreien wird.

Im Dorf leben die beiden Urgroßtanten Anna (Anne Cathrin Buhtz) und Alice (Paulina Bittner), die die Ankunft der Neuankömmlinge argwöhnisch beobachten und es ihnen nicht nur durch die mundartliche Sprachbarriere schwer machen. Erste Annäherungen wagt die Uroma, indem sie sich auf die Bank der beiden zwillingsartig kostümierten Urgroßtanten setzt. Thomas Braungardt spielt die Uroma nicht ohne Witz. Ein sich in Text und Kostümen (Aleksandra Pavlović) widerspiegelnder, leicht grotesker Humor durchzieht die Inszenierung und lässt die emotionale Schwere, die auch im Text lastet, etwas leichter erscheinen. Im alten Haus und in einem mythischen Totenzug bleibt die Mutter stetig präsent und lässt das Vergangene und die Trauernden nicht ruhen.

„Desperado, du reitest nun schon seit Jahren/ allein und verloren durch die Prärie/ so hart und rastlos bist du auf der Suche/ doch hier in der Einsamkeit findest du dich nie“ singt einmal Teresa Schergaut einen Song von Udo Lindenberg. Gemeint ist der Vater, der hier im Dorf nicht wirklich ankommen kann. Der Text, der die Personen wie ein konkretes Sprachmuster im Schriftbild nebeneinander stellt, erzählt eine wundersame Geschichte von Fremdsein, Sprachlosigkeit und Sprachverwirrung. Da wird auch der Natur mit Pflanzenwelt und Aletsch-Gletscher viel Raum gegeben. Die auf die beiden Urgroßtanten (von denen noch eine im Laufe der Geschichte stirbt) reduzierte Dorfgemeinschaft vermittelt zusätzlich das Bild von emotionaler Abgeschiedenheit. Vielleicht hätte man sich da etwas mehr an szenischem Beiwerk gewünscht. Da bleibt doch einiges Bild-Metapher und reine Poesie. Am Ende ist es dann aber dennoch etwas mehr als nur ein zaghaftes Stochern im undurchdringlich wirkenden Nebelmeer der Schweizer Berg- und Seelenlandschaften.




Niederwald von Wolfram Höll am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

p. k. - 19. Dezember 2023
ID 14530
NIEDERWALD (Diskothek, 16.12.2023)
von Wolfram Höll

Regie: Elsa-Sophie Jach
Bühne & Kostüme: Aleksandra Pavlović
Maske: Anja Engert und Astrid Storch
Musik: Max Kühn
Dramaturgie: Georg Mellert
Licht: Mattheo Fehse
Videotechnik: Robert Gotthardt
Ton: Alexander Nemitz
Mit: Teresa Schergaut (als Tochter), Markus Lerch (als Vater), Thomas Braungardt (als Uroma), Anne Cathrin Buhtz (als Anna), Paulina Bittner (als Alice) und den Live-Musiker David Hirst
UA am Schauspiel Leipzig: 16. Dezember 2023
Weitere Termine: 20., 26.12.2023// 21., 30.01.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-leipzig.de/


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