Völlig hilflos
mit MOLIÈRE
am Schauspiel
Köln
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Bruno Cathomas (re.) als Molière am Schauspiel Köln | Foto (Detail): Thomas Aurin
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Bewertung:
Am Schauspiel Köln hatte Frank Castorf letztes Wochenende einen fünfeinhalbstündigen Themenabend zu MOLIÈRE gestemmt und tat sich - unter anderem - auf seine diesbezüglichen Erfahrungen berufen, beispielsweise auf Molières Der Geizige (2012) und Don Juan (2018) oder sein Bulgakow-Doppel Die Kabale der Scheinheiligen. Das Leben des Herrn de Molière (2016). Diesmal war es allerdings kein Zentrumsstück, worauf er satteln wollte, sondern lediglich die pure Datenlage, die ihm (allumfassender und noch viel ausfransender, als das sonst bei ihm der Fall ist) Spintisierungsmöglichkeiten bot; ja und am Anfang und am Schluss warf er mir, einem jener Enthusiastenkrümel seines seit Jahrzehnten ihn auf Händen tragenden und also leiderprobten Fan- und Rezipientenzirkels, wenigstens dann das Geburts- als wie das Sterbedatum des von ihm behandelten Franzosen vor die Füße, dass ich immerhin ´ne klitzekleine Klammer für eventuelles Nach- und Mitdenken geboten kriegte. Im Voraus sei freilich schon mal angemerkt, dass ich in all der überlangen Zeit dazwischen, also zwischen 18:05 und 23:25, meistenfalls nur Bahnhof verstanden hatte, was dann wiederum einer gewissen geistigen Minderbemitteltheit meiner Person - ich gebe es ja unumwunden zu - geschuldet sein könnte. Nun gut, es ist halt wie es ist.
"13 Jahre bespielte Molière mit seiner Wanderbühne die Marktplätze des Pariser Umlands. Die Gruppe hatte sich 1643 unter dem Namen L’Illustre Théâtre gegründet und überzeugte nicht nur Bauern, Bäuerinnen und das Bürgertum, sondern zuletzt auch den Hof von Ludwig XIV. Angelehnt an das italienische Vorbild der Commedia dell'arte, in der grobschlächtige Charaktertypen sich mit Musik, Tanz, Pantomime und dem Ungeschick des Dienerpaars vereinen, perfektionierte Molière mit blitzschnellen Rollen- und Szenenwechseln die Kunst der Verwandlung. Es war der Großvater, der Molière als Kind in die Welt des Theaters einführte, ihn mit auf den Jahrmarkt nahm. Dieser erste Eindruck des Gauklertums sollte sich später durch die Beobachtung des ländlichen Karnevals verfestigten. Ariane Mnouchkine hat die Leidenschaft des französischen Dramatikers, der häufig auch Schauspieler und Regisseur zugleich war, 1978 in einem Film festgehalten. Über 30 Theaterstücke umfasst sein Lebenswerk, in denen neben Themen wie exzessiver Eifersucht, Ärztesatire, Jähzorn und Religionskritik vor allem Wahn und Heuchelei wiederkehrende Motive sind." (Quelle: schauspiel.koeln)
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Das [s.o.] sollte demnach im und als MOLIÈRE behandelt werden.
Für erwartbar ausschweifende Ablenkungsmanöver sorgten allerdings dann solche Mega-Szenen wie z.B. der (gefühltermaßen) eine Stunde währende Großmonolog des 1994 in der Ishikawa-Präfektur in Japan geborenen und hochgrandios sich hiermit verwirklicht habenden Schauspielers Kai Muramoto (!) - auf japanisch und (für Sprachunkundige) unübersetzt - - wie überhaupt sämtliche fremdsprachliche Einsprengsel, die es in Hülle und Fülle gab, unübertitelt erfolgten, und das war selbstredend (für uns/ mich Sprachunkundige/m) überhaupt nicht hilfreich und erzeugte einen mehr und mehr sich aufbäumenden Frust gegen so einen derart unverschämt anmaßenden "Umgang" eines Theaters mit seinem Publikum!!!
Jeanne Balibar war wieder einmal mit dabei und sprach und sang und tanzte oder sah einfach nur aus - zum Vor-ihr-Niederknien!
Bruno Cathomas (erkennbar als Molière) war Teil einer der ersten großen Szenen, die dann eine Probe zu einem Molière- bzw. Castorfstück beinhaltete, und er schrie da viel und haute kräftig auf die Pauke, alles so, wie es vermutlich auch dann bei den Castorfproben allenthalben zugeht; Unterhaltung pur.
Es gab auch schöne Nackt- und Badeszenen, und Paul Basonga und Justus Meier stiegen da mit Jeanne zusammen in den Zuber; und Andreas Deinert tat das alles, wie gehabt, mit seiner Kamera durch schönste Livebilder im Großformat (auf separatem Leinwandlappen) 1:1 bezeugen.
Die Thematik Stalin und die Künstler ließ den Castorf dann auch diesmal, wie sooft, nicht los, und also flogen mir dann solche Namen wie Bulgakow, Meyerhold und/ oder Mandelstam zusammenhängend oder weniger zusammenhängend um die Ohren.
Der Vollständigkeit halber noch die Namen aller anderen Akteurinnen und Akteure, die den neuerlichen Großakt kraft ihrer sensationellen Ausstrahlungen erst ermöglichten: Alexander Angelatta, Marek Harloff, Lola Klamroth, Katharine Sehnert (unter anderem als Molières Mutter) und die Pianistin Marlies Debacker, die am Klavier saß.
Aleksandar Denic konstruierte und ummodelte die Breitwandbühne Depot 1.
Und Adriana Braga Paretzki entwarf das über alle Maßen sehenswerte Haute Couture, das wiederum von den Kostümausführenden Elisabeth Schlücker, Leonard Bode, Simone Gartner-Brochhaus, Elke Scholz sowie der Schuhmacherin Daniela Ehrich in tragbare Praxis umgesetzt also verwirklicht worden war; Respekt, Respekt!!
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Castorfs Molière am Schauspiel Köln | Foto (C) Thomas Aurin
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Andre Sokolowski - 23. Januar 2022 ID 13415
MOLIÉRE (Depot 1, 21.01.2022)
ICH BIN EIN DÄMON, FLEISCH GEWORDEN UND ALS MENSCH VERKLEIDET
Regie: Frank Castorf
Bühne: Aleksandar Denic
Kostüme: Adriana Braga Paretzki
Video: Andreas Deinert
Musik: William Minke
Licht-Design: Lothar Baumgarte
Dramaturgie: Lea Goebel
Künstlerische Produktionsleitung: Sebastian Klink
Live-Kamera: Andreas Deinert & Severin Renke
Mit: Alexander Angeletta, Jeanne Balibar, Paul Basonga, Bruno Cathomas, Margot Gödrös, Marek Harloff, Lola Klamroth, Justus Maier, Kei Muramoto und Katharine Sehnert sowie die Pianistin Marlies Debacker
Premiere am Schauspiel Köln: 21. Januar 2022
Weitere Termine: 23., 28.01. / 04., 06.02.2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel.koeln/
https://www.andre-sokolowski.de
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