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nachDRUCK # 6

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Gastspiel

Energetisierte

Erdgeister



Deep River mit dem Alonzo King LINES Ballet | Foto © RJ Muna

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Die elf Ensemblemitglieder der Kompanie sind gekleidet in tiefen Erdtönen von Robert Rosenwasser: sieben Tänzerinnen bewegen sich meist in maskulinen Tanktops, die vier männlichen Akteure agieren oberkörperfrei und tragen oft Röcke. Das zeitgenössische, 1982 in San Francisco gegründete Alonzo Kings LINES Ballet gastierte mit Deep River an der Oper Bonn auf einer spartanischen, requisitenlosen Bühne.

Kings Kompanie besteht aus Ensemblemitgliedern aus der ganzen Welt, darunter aus Kanada, den Vereinigten Staaten, Südkorea und Deutschland. Auf ihren Auslandsreisen war das Ensemble zuletzt 2019 in Bonn zu sehen. Choreograph Alonzo King arbeitete in Deep River mit dem Pianisten und Komponisten Jason Moran und der Sängerin Lisa Fischer zusammen, unter Einbezug von zusätzlicher Musik von Maurice Ravel, James Weldon Johnson und der Jazzlegende Pharoah Sanders. Die spirituellen Kompositionen entstammen teils afrikanischen und jüdischen Kulturkreisen. Die klangvolle Stimme der 2015 sowie 1992 jeweils mit einem Grammy ausgezeichneten Sängerin Fischer strahlt sphärisch, wirkt vielfach jedoch auch durch Echos künstlich verstärkt oder verzerrt.

Eine Geschichte von Deep River ist schwer zu ergründen. Menschliche Körper werden wohl am ehesten als ausgefeilte, sinnliche vibrierende Instrumente des ewigen Werdens und Vergehens vorgeführt. Denn laut Kompanieleiter King geht es in seiner Choreographie darum, den Menschen als Höhepunkt der Schöpfung zu betrachten. Die fesselnde Darbietung der multiethnischen Gruppe erzählt dabei auch eine zeitlose Geschichte von der Freiheit von Individualität und von der Geborgenheit in einem Gruppengeschehen.

Zu Beginn rufen die Akteure mal "Yes, yes... No, no…", später lacht ein Paar gemeinsam kindlich laut beim spielerischen Paartanz. Die talentierten Tänzer bewegen sich harmonisch im Tandem, um dann bei synchronisierten Parts einen eigenen Rhythmus zu entwickeln. Variationen in der Qualität der Bewegungen eröffnen regelmäßig eine Interaktion mit Partnern oder eine Verbindung zur Gemeinschaft.

Bewegungen werden erforscht, Rhythmen artikuliert. Kleine gestische Formen, wie etwa Kopfdrehungen, in die Luft geworfene Arme und sich fließend verändernde Handbewegungen erscheinen kunstvoll ausgefeilt. Eine filigrane Tänzerin (Adji Cissoko) wird von männlichen Partnern mehrfach in die Luft gehoben, lässt sich dabei mit voll versteiften Körper fallen. Gleich darauf vollführt sie rasante Sprünge voller Leichtigkeit, dehnt ihre Gliedmaßen mit weit nach oben gestreckten Beinen aus. Partner- und Synchrontanz sowie Solo-Performances gehen nahtlos ineinander über.

Insgesamt wirkt die Darbietung etwas abstrakt und es fehlt ein bisschen an Strukturen, Einheitlichkeit und Höhepunkten. Nichtsdestotrotz ist die erstaunliche Energie und Geschmeidigkeit der einzelnen Tänzer, allen voran des kraftvoll präzisen Joshua Francique und des technisch enorm versierten James Gowan atemberaubend. Die Gesamtwirkung des Ensembles ist bemerkenswert. Es gab für die Ensemble-Leistungen Standing Ovations im ausverkauften Bonner Opernhaus.



Deep River mit dem Alonzo King LINES Ballet | Foto © RJ Muna

Ansgar Skoda - 23. Januar 2023
ID 14014
Weitere Infos siehe auch: https://linesballet.org/


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