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Premierenkritik

Zugedröhnt



algo pasó (la última obra) am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Björn Klein

Bewertung:    



Warum muss das Theaterpublikum bei der so genannten Premierenfeier eigentlich mit Musik zugedröhnt werden, die jedes Gespräch verhindert? Haben Sie schon ein Konzert erlebt, dessen Ende mit einer Theateraufführung gefeiert wurde? Haben die Theatermacher so wenig Vertrauen zu ihrem eigenen Medium? Soll uns diese Gepflogenheit davon überzeugen, dass Musik leichter zu verdauen ist als Sprache? Soll sie die Zuschauer über einen Theaterabend hinwegtrösten, den sie nicht verstanden haben?

*

algo pasó (la última obra) macht es dem Publikum des Stuttgarter Kammertheaters nicht leicht. Gesprochen wird das von einem Kollektiv unter der Ägide des aufstrebenden österreichischen Erfolgsautors Thomas Köck verantwortete Stück wechselweise und zum Glück übertitelt deutsch und spanisch. Internationalität durch erschwerte Kommunikation? Oberflächlich handelt es von Entführten und Ermordeten in Lateinamerika sowie von Waffenlieferungen und Gewalt aus Europa. Die kommen allerdings eher stichwortartig und ohne Kontext vor wie ganz am Rande die Flucht vor den Nazis. Stattdessen ist redundant von Archiven als Ort der Erinnerung die Rede und von der Bedeutung eines Anfangs und eines Endes.

Zwei Frauen und zwei Männer in roten Overalls, die mühelos als Tankstellenwärter gelten könnten, hecheln durch den Text und auf der Bühne hin und her, auf der wiederum spindförmige Quader umfallen, aufgerichtet und kombiniert werden oder ihre Flächen, ganz im Geist der Zeit, für wenig systematische Videoprojektionen frei geben. Außerdem häufen sich, als Sinnbild fürs Archiv und für das vernichtete Gedächtnis, leere Kartons. Das ist minutenweise hübsch anzuschauen. Für nahezu zwei Stunden reicht es nicht aus. Da braucht man dann schon Erholung. Bei Musik, bei der Premierenfeier.

Wer ernsthaft am Thema der Desaparecidos interessiert ist, dem sei der Film La historia oficial von Luis Puenzo empfohlen. Wenn er ihm nicht gefällt, kann er immer noch danach Musik hören, „nur, wenn sie laut ist“.




algo pasó (la última obra) am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Björn Klein

Thomas Rothschild – 24. Oktober 2021
ID 13240
algo pasó (la última obra) | Schauspiel Stuttgaert, 23.10.2021)
von Bola de Carne, Thomas Köck, Anna Laner & Andreas Spechtl

Text und Inszenierung: Thomas Köck
Co-Regie und künstlerische Produktionsleitung: Anna Laner
Bühne, Video und Licht: Daniel Primo
Kostüme: Laura Martínez Martínez
Musik: Andreas Spechtl
Dramaturgie: Carolin Losch
Mit: Bernardo Gamboa, Micaela Gramajo, Timo Wagner und Annina Walt
Uraufführung war am 23. Oktober 2021.
Weitere Termine: 24., 26., 27., 29-31.10. / 01.-03.11.2021
Eine Koproduktion des Schauspiels Stuttgart mit Cultura UNAM y Teatro UNAM,
Théâtre National du Luxembourg und dem Goethe-Institut Mexiko


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de


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