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Premierenkritik

Western-

Travestie-

Nummer, mit

reiner

Frauen-

Besetzung



Der Diener zweier Herren am BE | Foto (C) JR, Berliner Ensemble

Bewertung:    



Das der italienischen Commedia dell’arte zugerechnete Bühnenstück Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni ist heute zumeist ein Unterhaltungs-Klassiker für die Open-Air-Saison. Die Komödie blickt aber auch auf eine beachtliche Aufführungsgeschichte auf großen europäischen Bühnen zurück. Und so unpolitisch, wie das Stück immer wieder dargestellt wird, ist es dann auch. Zuallererst ist es aber großes Komödienfutter für herausragende DarstellerInnen. Das Gendern kann man sich in diesem Fall allerdings sparen. Regisseur Antú Romero Nunes hat seine neue Inszenierung für das Berliner Ensemble rein weiblich besetzt. Man muss das immer noch betonen, auch wenn diese Art der eingeschlechtlichen Besetzung momentan vielfach in Mode gekommen ist. Da werden dann zum Beispiel aus Schillers klassisch männlichen Räubern auch mal Räuberinnen.

Doch Regisseur Nunes belässt es bei der reinen Travestie. Frauen spielen Männer und benehmen sich auch so. Wobei die fünf grandios aufspielenden Schauspielerinnen Constanze Becker, Judith Engel, Lili Epply, Cynthia Micas und Stefanie Reinsperger ihre Rollen genüsslich in die Karikatur treiben. Eine schöne Klamotte zum Advent, die mit Geschlechterzuschreibungen spielt, gekonnt Film-Ästhetiken einsetzt und zudem noch den aktuellen Genderdiskurs am Theater aufgreift.

Bei Beibehaltung des Grundplots hat Nunes Goldonis Komödie in den Wilden Westen verlegt und eine eigene englischsprachige Fassung erarbeitet. Das erklärt sich nicht gleich von selbst. Die harlekineske Hauptfigur des Dieners Truffaldino wird hier als der Sprache nicht mächtiger Außenseiter eingeführt. Stefanie Reinsperger als namenloser The Servant spricht ein gebrochenes, mit Fehlern behaftetes Englisch, das sie noch mit direkt aus dem Deutschen ins Englische übersetzten Phrasen garniert. So wird aus der Rampensau a stage-pig oder aus dem Geistesblitz a ghost-lightning.

Wirkliche Geistesblitze durchziehen diese vor förmlich an den falschen Barthaaren herbeigezogenen pennälerhaften Späßen nur so strotzende Inszenierung allerdings kaum. Wir erleben eine Slapstick-Kanonade der Sonderklasse, bei der die Schauspielrinnen in ihren Westernkostümen mit Beule im Schritt, kuriosem Überbiss und Kaugummi-Südstaaten-Slang chargieren und dem ewig hungrigen Servant ein ums andere Mal übel mitspielen. Constanze Becker gibt hier die beiden Herren, einer davon eine verkleidete Frau auf der Suche nach ihrem Liebsten, der des Mordes an ihrem Bruder beschuldigt auf der Flucht im selben Gasthaus wie die Angebetete absteigt, was für einige Verwechslungen und Verwirrungen sorgt, von denen das Stück eigentlich lebt.

Den eingeweihten Gastwirt spielt Judith Engel als alten maulfaulen Stutzer mit Bäuchlein. Lili Epply und Cynthia Micas glänzen als gelenkiger Möchtegern-Freier Braiden (alias Silvio) und gewiefter Brautvater Willie-Jay (alias Pantalone). Der Brauthandel zu Beginn mit im Winde flatterndem „Contract“ ist fast schon das Beste des Abends. Mehrfachbesetzungen treiben die Verwirrung noch auf die Spitze. Und so wechseln erbrochene Briefe und Geldsäcke Mann bzw. Frau und kulminiert die Komödie auch hier beim Doppel-Lunch der beiden Herren, bei dem Stefanie Reinsperger mit Stierhoden und anderen Köstlichkeiten der regionalen Küche über die Bühne jongliert.

Nebenbei versucht Regisseur Nunes noch die Geschichte des sich aus finanziellen Gründen zwischen zwei Herren aufreibenden, nicht heimisch werdenden Ausländers zu erzählen. Das geht dann irgendwie in die Richtung Anpassung bis zur Selbstaufgabe. Was die Frage der Integration betrifft war das Theater - zumindest das Gorki - aber schon wesentlich weiter. Am Ende löst sich dann hier auch nicht alles in Wohlgefallen auf. Um dazuzugehören muss der Servant schließlich mit den Wölfen heulen und hassen. Sein kleines Spielzeuglamm hängt er selbst zum Häuten an den Haken. Ansonsten hat das Ganze eher den geistigen Tiefgang einer Schlammpfütze vor dem örtlichen Salon und ist mehr als 700 Meilen Westwärts von dem entfernt, was, würde der Regisseur die Sache wirklich ernst nehmen, aus dieser Besetzungskonstellation wirklich herauszuholen wäre.



Der Diener zweier Herren am BE | Foto (C) JR, Berliner Ensemble

Stefan Bock - 10. Dezember 2021
ID 13352
DER DIENER ZWEIER HERREN (Berliner Ensemble, 09.12.2021)Regie: Antú Romero Nunes
Bühne: Matthias Koch
Kostüm: Helen Stein, Lena Schön
Musik: Anna Bauer und Arne Bischoff
Licht: Rainer Casper
Dramaturgie: Clara Topic-Matutin
Mit: Constanze Becker, Judith Engel, Lili Epply, Cynthia Micas und Stefanie Reinsperger
Premiere war am 9. Dezember 2021.
Weitere Termine: 18., 19., 30.12.2021 // 08., 09., 30., 31.01.2022


Weitere Infos siehe auch: https://www.berliner-ensemble.de/


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