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Premierenkritik

Warten auf Stefan

NICHT MEIN FEUER von Laura Naumann am Schauspiel Stuttgart

Bewertung:    



Die Zeiten, da Schriftsteller und, beklagenswerterweise seltener, Schriftstellerinnen in ihrer Kammer saßen und nach der geeigneten Form für die Stoffe suchten, die ihnen im Kopf umher rumorten, sind lange vorbei. Heute sieht die typische Biographie einer jungen Dramatikerin so aus:


"Laura Naumann, geboren 1989 in Leipzig, studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Sie ist seit 2012 Teil des Theaterkollektivs 'Henrike Iglesias' und war Gründungsmitglied des Gametheaterkollektivs 'machine eX'. 2006 und 2008 war sie Preisträgerin beim Treffen junger Autoren der Berliner Festspiele, 2008 wurde sie zum Dramatikerworkshop des Stückemarkts des Berliner Theatertreffens eingeladen und nahm 2009 am World Interplay Festival für junge Dramatiker:innen in Australien teil. Für das Stück süßer vogel undsoweiter wurde ihr 2009 der Münchner Förderpreis für neue deutschsprachige Dramatik verliehen und sie wurde zu den Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin eingeladen. Naumann war außerdem 2009/2010 Stipendiatin des Autorenlabors am Düsseldorfer Schauspielhaus und erhielt 2014 und 2019 das Literaturstipendium der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen. Für 'Rang I – Das Theatermagazin' bei Deutschlandfunk Kultur schreibt und spricht sie seit 2017 regelmäßig ihre Radiokolumne 'Dramatischer Betriebsausflug'. Laura Naumann lebt in Berlin, wo sie seit Kurzem ein Filmstudium begonnen hat."

(Quelle: schauspiel-stuttgart.de)



*

Nachwuchsdramatikerin kann man Laura Naumann nicht nennen. Dafür wurden schon zu viele Stücke nach dem Studium in Hildesheim, Workshops, Preisen und Stipendien, auch in großen Häusern, aufgeführt. Im Foyer des Kammertheaters am Schauspiel Stuttgart war es nun Nicht mein Feuer, und es entpuppte sich als das typische Stück einer jungen Dramatikerin mit einer typischen Biographie.

Im Garten warten die Gäste, also wir, auf Stefan, um dessen fünfundfünfzigsten Geburtstag zu feiern. Ein Entertainer (Peer Oscar Musinowski) tut, was Entertainer (früher Conférenciers, heute auch Animateure) halt tun: Er versucht, Stimmung zu machen, erzählt faule Witze, bei denen man nicht über die Pointe lacht sondern über die Zumutung, das jemand sie für witzig hält, setzt sich eine Perücke auf die Glatze und singt Schlager wie Ich möchte ein Eisbär sein, Major Tom, 99 Luftballons oder Junimond, die Hits wurden, als Laura Naumann noch nicht geboren war. Soll das signalisieren, wie verstaubt dieses Gartenfest ist, oder erwartet sich die junge Dramatikerin Greise als Zuschauer? Wenn das alles eine Parodie sein soll, ist es zu nahe am Parodierten, um auch nur eine Spur von Kritik zu enthalten. Das Theaterpublikum lacht denn auch und spendet eifrig Applaus, wenn Musinowski sich tapfer abstrampelt oder wenn er sich – „Wir machen Glamour“ – im paillettenbesetzten Hemd zeigt.

Stefan aber kommt nicht.

Da geht das Licht aus und dem einsamen Schauspieler der Text. Danach sitzt er mit einer Flasche in der Hand auf einem Mauerfragment und sinniert vor sich hin. Er führt ein imaginäres Gespräch mit dem sterbenden Stefan. Die Verzweiflung über all die Schrecknisse, die zurzeit auf der Tagesordnung stehen, quillt über. Ist das ernst gemeint? Das Publikum lacht. Dann aber zählt der Solist ohne Ende auf, was er liebt. Gerettet! Als Zugabe singt er mit einer neuen Kopfbedeckung Ich will Spaß. Sein Wille geschehe. Auf der Bühne verneigen sich, der Schauspieler inbegriffen, elf Personen. Die ziehen dann, Hände auf den Schultern der Vorderfrau oder des Vordermanns, durch den Zuschauerraum. Ein paar Fans des Mitmachtheaters schließen sich an. Heissa!

Viel Aufwand, wenig Output. Wenn es denn partout ein Einpersonenstück sein soll, vergesse man Hildesheim. Es muss ja nicht unbedingt Das letzte Band von Beckett sein. Aber man könnte doch einen Blick werfen in Thomas Bernhards Einfach kompliziert oder in Peter Turrinis Endlich Schluss. Beckett, Bernhard, Turrini haben nicht Kreatives Schreiben studiert. Sie waren Dramatiker mit Biographien, die nicht mehr als typisch gelten können. Ach Stefan, du weißt wohl, warum du nicht gekommen bist.



Peer Oscar Musinowski in Nicht mein Feuer - am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Björn Klein

Thomas Rothschild – 13. Mai 2023
ID 14194
NICHT MEIN FEUER (Foyer Kammertheater, 12.05.2023)
von Laura Naumann

Inszenierung: Franziska Berlitz
Bühne: Jennifer Jünger
Kostüme: Stefanie Schulz
Musik: Maurice Strobel,
Licht: Peter Krawczyk
Dramaturgie: Sabrina Hofer und Lennart Göbel
Mit: Peer Oscar Musinowski
UA im Zimmertheater Tübingen war am 26. November 2022.
Premiere am Schauspiel Stuttgart: 12. Mai 2023
Weitere Termine: 14.05./ 01., 06., 09., 26. 06./ 02.7.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de


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