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nachDRUCK # 6

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Repertoire

Gesang über

rote Augen



Dracula am Schauspiel Frankfurt | Foto © Arno Declair

Bewertung:    



Benjamin Schöneckers Bühnenbild ist bereits vor Beginn ein echter Hingucker: Inmitten der Bühne thront eine romantische Ruine mit langer und mächtiger Wendeltreppe aus Holz. Die Stufen sind mit rotem Teppich ausgelegt. Es gibt hohe Türen und Fenster und einen Torbogen. Links vor der Ruine sehen wir einen großen Tisch mit sechs Stühlen, rechts davon alte Automaten und Waschgelegenheiten. Das Ensemble bewegt sich fortan inmitten dieses atmosphärischen Settings teils synchron. Es schwankt, schreitet mit seitlichem Schritt oder prozessiert hintereinander weg. Die Besucher hören allerlei Monologe, das Geschehen wird oft zum Publikum hin erzählend gesprochen.

Bram Stokers Klassiker Dracula (1897), das bekannteste Werk des Iren, collagiert fragmentarisch-vielschichtig Tagebucheinträge, Briefe, Zeitungsartikel, Telegramme, Notizen und anderes mehr zu einem Roman, der heute wohl die bekannteste Vampirgeschichte aller Zeiten ist. Johanna Wehners Frankfurter Inszenierung zeigt die Ensemblemitglieder meist als eine Gruppe, welche die Hergänge berichtend aufzeigt. Das Geschehen wird teils chorisch wiedergegeben.

Der Anwalt Jonathan Harker (Christoph Bornmüller) fährt ins rumänische Transsylvanien ins Schloss von Graf Dracula (Matthias Redlhammer), um den Kauf einer Immobilie vorzubereiten. Zu Beginn gibt es hier eine spannende Gutshofszene, wo er anderen Besuchern sein Ziel nennt. Diese möchten ihn sogleich von seinem Kurs zum Kunden Dracula abbringen. Seine Verlobte Mina Murray (Caroline Dietrich) besucht derweil ihre Freundin Lucy Westenra (Judith Florence Ehrhardt) im englischen Whitby. Sie macht sich bald Sorgen, da ihre Freundin schlafwandelt. Im Schloss Draculas wundert sich Jonathan, dass Dracula nie mit ihm diniert. Es beunruhigt ihn, dass dieser auch nicht in seinem Rasierspiegel sichtbar wird, obwohl er ihn von hinten plötzlich anspricht und zu sehen sein müsste. Dracula warnt seinen Gast davor, Räume mit geschlossenen Türen zu betreten. Vage Botschaften wie die wiederholt eingeworfenen Verse „In meinen Ohren ein Singen“ und „Rote Augen“ hängen andeutungsreich in der Luft.

Anfangs steht Dracula als Fremder oft am Rande der Gruppe und heult mitunter wie ein Wolf. Er behauptet müde, wenn die anderen Texte vortragen, dies verstünde doch keiner. Als sich die Figuren, die von Stoker flach angelegt auch schablonenhaft eindimensional gespielt werden, über Trauer und Gräber unterhalten, bringt sich Dracula gerne mehr mit ein. Als eine Art Bedenkenträger behauptet er, die Jahrhunderte des Trauerns und die Verschreckerei seien verlorene Liebesmüh. Alles sei erlogen und erfunden. Unter jedem zweiten Grabstein ruhe niemand mehr. Grabpflege sei eine lethargische Litanei. Die oberflächliche Gemeinschaft schließt ihn bald aus, da er offensichtlich unangepasst, gar unheimlich ist und eine bedrohliche Andersartigkeit verkörpert.

Ein verwirrter Nervenpatient, Mr. Renfield, den der Arzt John Seward (Stefan Graf) wissenschaftlich ambitioniert und trotzdem ratlos betreut, wird von mehreren und wechselnden Akteuren verkörpert (u.a. von Arash Nayebbandi). Bald begutachtet auch Heidi Ecks als Abraham van Helsing den Patienten, interessiert sich jedoch mehr für andere Krankengeschichten.

Sie hat scheinbar leichtes Spiel, als sie Dracula mit einem Verfolgertrupp zur Strecke bringen möchte. Sie überzeugt die Umstehenden durch Expertise anhand von Aufzeichnungen und Unterlagen, über die Dracula nur lässig die Nase rümpfen kann. Sie weiß, der Feind schläft nie und legt ihren Kompagnons die Pflicht auf, ihn zu verfolgen. Doch nur allzu bald schlafwandelt auch Mina, die van Helsing aus ihren Unternehmungen ausschließt. Auch bei ihr deutet die Inszenierung – ähnlich wie bei Lucy – nur sehr leise einen baldigen Hang zur Dunkelheit und Verführbarkeit an.

Eine mehrfach vom Ensemble wiederholte Hausmusik von „Froh zu sein bedarf es wenig“ lässt fleischlastige Verse, wie „Ofenfrische Aubergine, prall gefüllt mit bestem Hack“ oder „Hähnchenschenkel, warm und knusprig“ nachklingen.

Leider bleibt die Aufführung selbst recht blutarm, langatmig, ermüdend und banal. Choreographierte Gesten und das mimische Spiel der Akteure ist mitunter recht schleichend. Sie blicken bewusst aneinander vorbei oder in die Ferne, wenn sie ihren Schauder oder Unbehagen ausdrücken. Es fehlt – trotz durchaus guter Darsteller und einem stimmungsvollen Schauplatz – etwas an Bisskraft und dem prickelnden Reiz der Schauerromantik. Am Ende bricht immerhin der Boden ein. Mehrere Bodenplatten erweisen sich als marode. Die Kontrolle scheint so doch verloren.



Dracula am Schauspiel Frankfurt | Foto © Arno Declair

Ansgar Skoda - 1. Dezember 2023
ID 14504
DRACULA (Schauspiel Frankfurt, 26.11.2023)
Regie: Johanna Wehner
Bühne: Benjamin Schönecker
Kostüme: Ellen Hofmann
Komposition & Musikalische Leitung: Vera Mohrs
Komposition & Sound: Kostia Rapoport
Dramaturgie: Katja Herlemann
Licht: Ellen Jaeger
Mit: Christoph Bornmüller, Caroline Dietrich, Heidi Ecks, Judith Florence Ehrhardt, Stefan Graf, Arash Nayebbandi und Matthias Redlhammer
Premiere war am 27. Oktober 2023.
Weitere Termine: 01., 06., 09., 23., 31.12.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspielfrankfurt.de


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