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Die Burg lacht

DIE GEFESSELTE PHANTASIE und DER RAUB DER SABINERINNEN


Die gefesselte Phantasie von Ferdinand Raimund - am Burgtheater Wien | Foto (C) Matthias Horn

Bewertung:    



An Herbert Fritsch scheiden sich die Geister. Die einen lehnen ihn rundweg ab, die anderen können gar nicht genug von seiner Methode bekommen. Ich bekenne: ich bin ein Fritsch-Fan. Ihm verzeihe ich, was ich anderen Theatermachern vorwerfe: dass sie sich nicht auf Stücke und Texte einlassen, die sie inszenieren, sie schlicht nicht verstehen oder bewusst missverstehen. Bei Herbert Fritsch kann ich mich nicht sattsehen an den – großenteils aus der Schauspiel- und Clownsgeschichte übernommenen – Einfällen der Körpersprache, die ansonsten meist vergessen wurde oder jedenfalls zu kurz kommt. Und so überzeugt Fritsch am meisten, wo er sich einen schwachen Text wählt oder selbst die Grundlage seiner Stücke montiert oder erfindet.

Jetzt aber hat er am Akademietheater Die gefesselte Phantasie von Ferdinand Raimund inszeniert. So steht es jedenfalls auf dem Programmzettel. Und er hinterlässt den (hoffentlich täuschenden) Eindruck, dass sich seine Methode erschöpft habe.

Nun kann man darüber streiten, ob Raimunds „Original-Zauberspiel“ von 1828 überhaupt noch auf die Bühne gebracht werden muss, ob es nicht nur noch als Beitrag zur österreichischen Dramen-Heimatgeschichte taugt. Bei den Raimundspielen Gutenstein gab es im Sommer 2022 eine Inszenierung von Achim Freyer, die allgemein gelobt wurde. Ich habe sie leider nicht gesehen. Herbert Fritsch jedenfalls scheint an dem Stoff gescheitert zu sein.

Dabei finden wir alles wieder, was wir an Fritsch schätzen: die Auferstehung von Groucho Marx, Marty Feldman oder Harold Lloyd; die komischen Gänge; das Ankämpfen gegen die Schwerkraft; das Torkeln als Kunst, die gelegentlich zum ermüdenden Dauereffekt ausartet.

Was Herbert Fritsch damit anstellt, ist kein Stück, sondern eine Aneinanderreihung von Kabinettstücken. Claudia Bauer hat so mit humanistää! einen Sensationserfolg erzielt. Bei der Gefesselten Phantasie steht Raimunds Text der Aufführung eher im Wege. Was Herbert Fritsch dazu eingefallen ist, wird weder die Raimund-Getreuen, noch seine eigenen Anhänger glücklich machen. Nennen wir wenigstens die beiden Schauspieler, die die Fritsch-Methode am überzeugendsten beherrschen: Markus Scheumann und Tim Werths. Am meisten nervt Lenya Gramß, die als Mitglied des Chors ständig Angst zu haben scheint, dass man sie nicht bemerken könnte. Und es hätte nicht geschadet, wenn Fritsch dem Schauspieler Gunther Eckes verraten hätte, dass neben den Verrenkungen die Tugend der Artikulation im Theater nicht von Nachteil ist.

* *

Ist Ferdinand Raimund nur mäßig komisch – er hat lebenslang darunter gelitten, dass er nicht als zweiter Grillparzer anerkannt wurde –, so ist der populäre Schwank Der Raub der Sabinerinnen von Franz & Paul von Schönthan, dessen „tieferer Sinn“ sich auf eine Liebeserklärung an das Theater beschränkt, ganz ungeniert auf Lachen angelegt. Wer nun meint, dieser Dauerbrenner müsse in einem Staatstheater ganz anders aussehen als in einem Boulevardtheater, sieht sich in Wien eines Besseren belehrt. Der einzige Unterschied besteht in den hervorragenden Schauspieler*innen. Und wenn schon Boulevard, dann auch gleich Charleys Tante, also Männer in Frauenkleidern und umgekehrt. So spielt Birgit Minichmayr, heiser und mit ordinärem Wienerisch, den Theaterdirektor Striese, Sabine Haupt wunderbar schrill den Gymnasialprofessor Gollwitz, Dietmar König dessen Frau und Rainer Galke die Weinhändlerin Karla Groß. Die Souffleuse sitzt als Papagei mit dem Kopf im Käfig mit auf der Bühne. Zwischendurch wird auf das Kino angespielt, aber der Einfall wird nicht weiter entwickelt. Im Hintergrund finden mehr oder weniger sichtbare Aktionen statt. Wer sie wahrnimmt, hat Glück gehabt. Wer nicht, eben nicht. Es scheint nicht darauf anzukommen.

So recht wird auch an diesem Abend nicht klar, welches Manko des Burgtheaters er korrigieren soll.



Der Raub der Sabinerinnen am Burgtheater Wien | Foto (C) Marcella Ruiz Cruz

Thomas Rothschild - 11. Oktober 2023
ID 14425
DIE GEFESSELTE PHANTASIE (Burgtheater Wien, 08.10.2023)
von Ferdinand Raimund

Regie & Bühne: Herbert Fritsch
Kostüme: Geraldine Arnold
Musik: Ingo Günther
Licht: Friedrich Rom
Dramaturgie: Sabrina Zwach
Mit: Arthur Klemt, Tim Werths, Maria Happel, Marcel Heuperman, Sarah Viktoria Frick, Elisa Plüss, Gunther Eckes, Markus Scheumann, Tilman Tuppy, Bless Amada, Sebastian Wendelin u.a.
Premiere war am 29. März 2023.
Weitere Termine: 16.10./ 06.11.2023

DER RAUB DER SABINERINNEN (Akademietheater, 10.10.2023)
von Franz & Paul von Schönthan

Regie: Anita Vulesica
Bühne: Henrike Engel
Kostüme: Janina Brinkmann
Musik: Camill Jammal
Sounddesign: Rupert Derschmidt
Choreografie: Mirjam Klebel
Licht: Norbert Piller
Dramaturgie: Rita Czapka
Mit: Birgit Minichmayr, Sabine Haupt, Dietmar König, Stefanie Dvorak, Lukas Vogelsang, Dorothee Hartinger, Rainer Galke, Julian Hansemann und Annemarie Fischer
Premiere am Burgtheater Wien: 15. April 2023
Weitere Termine: 20., 31.10./ 07.11.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.burgtheater.at/


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