Zwischen
den Stühlen
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Yvon Jansen als Charlotte und Ronald Kukulies als Wilhelm in Metropol (nach dem gleichnamigen Roman von Eugen Ruge) am Schauspiel Köln | Foto © Thomas Aurin
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Bewertung:
Wie verhält es sich mit der Wahrheit, wenn jeder jedem misstraut? Verdächtigungen weiten sich aus, wenn Geständnisse durch Gewalt erzwungen werden. Armin Petras adaptiert Eugen Ruges Roman Metropol (2019) über die Zeit der Moskauer Prozesse unter Stalin. Buchpreisträger Ruge recherchierte für seinen Roman in der Kaderakte seiner Großmutter. Ruges Großeltern flohen aus Nazi-Deutschland, fielen dann aber als treugläubige Kommunisten in Russland staatlicher Willkür zum Opfer. Armin Petras kondensierte Theaterfassung am Schauspiel Köln bebildert illusionäre Hoffnungen deutscher Flüchtlinge in der UdSSR um 1936. Die Angst vor Denunziationen und stalinistischem Terror greift um sich.
Bühnenbildner Olaf Altmann platzierte im Depot 2 vierzig Tische und Stühle eng versetzt aneinander, so dass die Ensemblemitglieder Mühe haben durch die Reihen zu gehen. Der großen Anzahl der Tische und dem damit dargestellten Gemeinschaftsort wird bedrückend die teils resignative Vereinzelung der Bedrohten gegenübergestellt. Somit markiert die gleichbleibende Bühne auch die gefängnisartige Beengtheit im Denken. Die Figuren agieren vielfach auch auf den Tischen und Stühlen – etwa während eines Beischlafs, bei Paraden oder Hinrichtungen. Im Zentrum der Tischreihen steht eine kleine Fotografie Stalins, im Hintergrund hängt eine Sowjetfahne. Schauplatzwechsel werden als Schriftzüge auf die Bühnenwand projiziert.
Charlotte (Yvon Jansen) und Wilhelm (Ronald Kukulies) werden aus ihren Ämtern entlassen, um in Moskau das ehemalige Luxushotel Metropol zu beziehen. Sie hatten Kontakt mit einem angeblichen Volksfeind, dem Charlotte ein gebrauchtes Grammophon verkaufte. Beide warten weit über ein Jahr auf das Urteil. Angeschwärzt wurde das Paar von Hilde (Sabine Waibel), der eifersüchtigen Exfrau Wilhelms, die selbst bald vom Geheimdienst als Volksfeindin verdächtigt wird. Wassili Wassiljewitsch Ulrich (etwas überzeichnet von Nikolaus Benda in Fatsuit mit Latexmaske) verantwortet als Vorsitzender des Militärkollegiums des Obersten Gerichts der UdSSR zehntausende Todesurteile für vermeintliche Feinde.
Einige der Darsteller verkörpern mehrere Figuren. Akteure werfen weiße Papierflocken aus ihren Jackentaschen über sich in die Luft (Kostüme: Cinzia Fossati), um russischen Schnee anzudeuten. So wird gezeigt, dass sie sich unter freiem Himmel befinden, etwa um möglicher Überwachung zu entkommen. Trotz staatlicher Willkür, Widersprüchen des Systems und der Verdächtigung in der Ära Stalins werden Charlotte und Wilhelm später in der DDR glühende Anhänger des Kommunismus bleiben, wie gegen Ende textlich auf der hinteren Bühnenwand skizziert wird. Ein ungetrübter Glaube an die Ideale des Kommunismus wird schlussendlich auch bei einem gemeinschaftlichen Silvesterumzug in Partylaune zu „I love it (I don’t care“ von Icona Pop (musikalische Einrichtung: Sven Kaiser) angedeutet. Armin Petras bringt seinem Publikum atmosphärisch eindrücklich mit einem starken Ensemble eine allzu vergessene, angstvoll düstere Ära näher.
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Metropol (nach dem gleichnamigen Roman von Eugen Ruge) am Schauspiel Köln | Foto © Thomas Aurin
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Ansgar Skoda - 20. Oktober 2021 ID 13226
METROPOL (Depot 2, 14.10.2021)
Regie: Armin Petras
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Cinzia Fossati
Musikalische Einrichtung: Sven Kaiser
Licht: Michael Frank
Dramaturgie: Sibylle Dudek
Besetzung:
Charlotte … Yvon Jansen
Wilhelm … Ronald Kukulies
Richter/Bork … Nikolaus Benda
Hilde … Sabine Waibel
Julius … Benjamin Höppner
Mädchen/Bürgerin … Lola Klamroth
Kurt/Schuster … Simon Schwan
Musiker … Sven Kaiser
Premiere war am 1. Oktober 2021.
Weitere Termine: 13., 28.11.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel.koeln
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