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No meat

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Mara Widmann in Unser Fleisch, unser Blut am Münchner Volkstheater | Foto (C) Arno Declair

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Endlich geht´s los im neugebauten MÜNCHNER VOLKSTHEATER, einem traumhaft schönen Bau, gleich drei hochmoderne Bühnen, pünktlich fertig geworden und sogar im Budget geblieben. München strahlt, und Intendant Christian Stückl auch. Schon zwei Stunden vor Beginn der Aufführung – und das ist nicht die Premiere – steht er im obligaten grauen Strickjackerl in der Abendsonne vor dem spektakulären Eingang und hilft mit, den eintrudelnden Gästen nach Kontrolle des Impfausweises ein grünes Bändchen uns Handgelenk zu kleben.

Neben seinem Edward II. gibt’s hier zum Auftakt auf der Bühne 2 etwas zu sehen, das zur unmittelbaren Nachbarschaft, dem alten Schlachthof, passt wie die Leber- zur Blutwurst: Unser Fleisch, unser Blut. Eine szenische Schlachtschüssel von Jessica Glause, einer Autorin der jungen Generation, der man im Volkstheater besonders gern eine Bühne bietet.

Wobei die Autorin und Regisseurin betont, dass es ihr nicht darum gehe, die neuen Nachbarn wie Hackfleisch „in die Pfanne zu hauen“. Vielmehr hat sie intensiv recherchiert und eine ganze Reihe von Leuten, die mit der „Fleischproduktion“ zu tun haben, ausführlich interviewt. Daraus wurde ein „Kaleidoskop“ von Stimmen erstellt, die Darsteller der einzelnen Berufe verkörpern auch die Tiere, ihre Schützlinge oder auch Opfer. Mara Widman spielt und singt (ganz wunderbar!) die Tierärztin und das Pferd. Anne Stein ist die Bäuerin und die Kuh, Jonathan Müller der Koch und der Hund, Maral Kesharvarz die Bäuerin und die Ziege und Jakob Immervoll sowohl Metzger als auch Schwein.

Was hat es auf sich mit dem Tierwohllabel? „Greenwashing“. Der Vorzeige-Bauernhof? Ein Erlebnispark für Städter. Sie sehen, dass der Biobauer zögert und weint, wenn er seine Milchkuh schlachten muss. Sie sehen nicht, wie die übliche Tötungsmaschinerie nur angehalten wird, wenn eine bürokratische Auflage nicht erfüllt ist. Massentierhaltung bedeutet Stress, Schreie, Gestank. Warum überhaupt der irrsinnige Fleischkonsum? Weil Fleisch billig ist. Und Deutschland auch hier Exportmeister. Die vegane Gegenbewegung zum karnivoren Hedonismus aber sagt: Fleisch essen ist ein politischer Akt. Du bist, was du isst. Nur ein Ringen um die moralische Lufthoheit?

Glauses Projekt stellt die verschiedenen Perspektiven einander gegenüber und bringt einem das Leiden der Tiere nahe: Gesellschaftskritik anhand vieler Details. Dazu die Analyse der Strukturen plus Zukunftsversprechen. Heißt die Lösung tierfreies Fleisch aus dem 3D-Drucker?

Diese ganze Textüberlast könnte die Zuhörenden erschlagen, wird aber erträglich und szenisch fassbar gemacht durch temperamentvolle, revuehafte Tanz- und Musikeinlagen (Musikkomposition: Joe Masi) rund um eine Torte aus Weißwürsten. Da blökt die Ziege, muht die Kuh, wiehert das Pferd. Der Karneval der Tiere (Bühne und Kostüme: Mai Gogishvili) spielt sich aufs bunteste auf verschiedenen Podien ab, die herauf und herunter fahren durch ein spielfreudiges Leben in Licht und Schatten (Licht: David Jäkel).

Glücklicherweise sind Glauses Figuren wie der sympathische, bayerische Traditionsmetzgermeister aber nicht nur wandelnde Thesen, sondern glaubhafte Menschen.

Wird sie jetzt denunziert, die Freude an der duftenden Leberkässemmel? Nein.Vielmehr gilt der Rap: „No meat, no milk, no wool, no silk, no eggs, no honey, my choice, my money…"



Jakob Immervoll in Unser Fleisch, unser Blut am Münchner Volkstheater | Foto (C) Arno Declair

Petra Herrmann - 1. November 2021
ID 13264
UNSER FLEISCH, UNSER BLUT (Münchner Volkstheater, 29.10.2021)
Regie: Jessica Glause
Bühne & Kostüme: Mai Gogishvili
Komposition: Joe Masi
Live-Musik: Joe Masi
Dramaturgie: Katja Friedrich
Licht: David Jäkel
Mit: Jakob Immervoll, Maral Keshavarz, Jonathan Müller, Anne Stein, Mara Widmann und Joe Masi
Premiere war am 16. Oktober 2021.
Weitere Termine: 01., 12.-14.11.2021


Weitere Infos siehe auch: https://www.muenchner-volkstheater.de/


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