"Hämmern"
auf dem
Heimweg
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In C von Sasha Waltz - mit Orlando Rodriguez | Foto (C) Jo Glinka
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Bewertung:
Sasha Waltz nutzte In C als Titel ihrer schon im März per Live-Stream welturaufgeführten Tanz-Performance - doch der eigentliche Urheber des Titels ist der US-amerikanische Komponist und Trancemusiker Terry Riley (86); sein im Jahre 1964 entstandenes Werk gilt als ein frühes Zeugnis der sich um die Zeit längst etabliert gehabt habenden so genannten Minimal Music, zu deren berühmtesten Vertretern auch Steve Reich, Moondog, Philip Glass oder (bis in die Gegenwart) John Adams zählen.
"Riley gibt eine Gruppengröße von etwa 35 als 'wünschenswert' an. Mit kleineren oder größeren Gruppen kann das Stück aber auch gespielt werden.
Das Stück kann als Antwort auf die abstrakten, akademisch wirkenden seriellen Techniken gesehen werden, die von Komponisten in der Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet wurden.
In C besteht aus 53 kurzen, nummerierten musikalischen Phrasen mit einer ausführlichen Spielanweisung des Komponisten: Jede Phrase kann beliebig oft wiederholt werden, jeder Musiker entscheidet selber, wann er zur folgenden Phrase übergeht. Rhythmische Verschiebungen sind erwünscht, genauso wie die Überlagerung benachbarter Phrasen. Allerdings sollten die Spieler nicht weiter als zwei bis drei Phrasen auseinander sein, und sie müssen ein gemeinsames Metrum einhalten (das auch von einem Instrument gespielt werden kann).
Riley erlaubt (wohl auch aus praktischen Gründen) die Oktavtransposition von Phrasen und notfalls deren Auslassung, weiter führt er aus, dass auch rhythmische Augmentationen eine gute Wirkung haben können.
Wie in einigen Ausgaben der Partitur genau beschrieben wird, ist es üblich, dass einer der Musiker die Note C (in Oktaven) in durchgängigen repetierten Achteln spielt. Diese Begleitfunktion als Metronom wird als 'der Puls' (The Pulse) bezeichnet.
In C hat keine bestimmte Länge; Aufführungen können von kurzer (15 Minuten) oder auch langer (mehrere Stunden) Dauer sein. Riley weist darauf hin, dass 'Aufführungen durchschnittlich zwischen 45 Minuten und anderthalb Stunden dauern'. Die erste Aufnahme des Stücks wurde von elf Musikern gespielt. (Unter der Zuhilfenahme von 'Overdubbing' wurden etliche Dutzend Instrumente eingesetzt.) Bei einer anderen Aufführung 2006 in der Walt Disney Concert Hall wirkten über 124 Musiker mit."
(Quelle: Wikipedia)
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Im Zuge ihres permanenten Grundkonzepts als Dialog von Tanz, Musik und Raum (Licht: Olaf Danilsen) tat sich die Choreografin dieses Mal für eine Kooperation mit der 1992 gegründeten New Yorker Gruppe BANG ON A CAN ALL-STARS entscheiden.
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Terry Rileys In C mit der New Yorker Formation Bang on a Can All-Stars (v.l.n.r.: Robert Black am Bass, Ken Thomas am Saxophon, David Cossin am Schlagzeug und Mark Stewart an der Gitarre) sowie Sasha Waltz & Guests | Foto (C) Sebastian Bolesch
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Die sechs Musikerinnen und Musiker waren daher jetzt - im Unterschied zur Online-Uraufführung vor neun Monaten - ganz körperlich und also live zugegen, und sie lieferten ein mehr als 60 Minuten andauerndes und für ungeübte Ohren sich vielleicht stupide anhörendes "Hämmern", dass es einem [mir erging es jedenfalls dann so] den Heimweg über nicht mehr aus den Ohren wollte. Rileys Klang-Trance teilt sich zwingend mit; und jenes "Hämmern", was ich meinte, geht natürlich ausschließlich vom Schlagwerk (besorgt von David Cossin) und den Tasten des Klaviers (gedrückt von Vicky Chow) aus, alle andern Instrumente (gespielt vom Kontrabassisten Robert Black, der Cellistin Arien Hlusko, dem Gitarristen Mark Stewart und dem zwischen seiner Klarinette und seinem Altsaxophon alternierenden Ken Thomas) steuern all das Übrige, was einem arabesken Melos gleichkommt, bei. Dem hörerischen Sog vermag sich kaum wer zu entziehen - und obgleich ich konstatierte, dass z.B. meine linke Sitznachbarin immer wieder zwischendurch mal einnickte; doch, wie gesagt, bei derartigen Klang-Trancen soll so was vorkommen, ja und es zeigt daher auch, wie so etwas auf den einen oder auf die andere mitunter wirkt...
Das mich während des Heimwegs angefasst habende "Hämmern" hatte aber auch, und das nicht etwa beiläufig, eine sehr starke visuelle Komponente, und das machte dann den fast viel stärkeren und nachhaltigeren (Zweit-)Eindruck bei mir aus, indem ich mich sofort und irgendwie diffus an all die traumhaft schönen Einzelbilder, die das Dutzend traumhaft schöner Tänzerinnen und Tänzer (in den Kostümen von Jasmin Lepore) - der mit Sebastian Abarbanell, Edivaldo Ernesto, Melissa Figueiredo, Tian Gao, Hwanhee Hwang, Annapaola Leso, Michal Mualem, Sean Nederlof, Zaratiana Randrianantenaina, Aladino Rivera Blanca, Orlando Rodriguez und Joel Suárez Gómez besetzten SASHA WALTZ & GUESTS-Truppe - körperlich sowie gestisch zauberte, zurückbesann.
Und erst ab 37. Minute [ja, ich blickte umgehend auf meine Uhr, die das bestätigte] war zwischen zwei der zwölf Beteiligten ein physischer Direktkontakt beobachtbar: ein Mann hob eine Frau... Danach, wie unbeabsichtigt oder gar zufällig, neues und/ oder weiteres Berühren zwischen zwei, manchmal auch drei Agierenden: sacht, vorsichtig, verschämt, leise und immer liebevoll. Egal, wer da im öffentlichen Fokus wessen stand, diese Berührungen erzählten immer oder meistens eine oder mehrere Geschichte(n). Überwiegend waren es dann freilich Soli also einzelne, vereinzelte Erzählungen, die aus den Körpern oder Gesten der vereinzelt Tanzenden zu mir gesprochen hatten. Schlicht und schön.
Wollte man überdies dem rein Sportiven der Performance wertend beikommen, müsste man es als einen schweißtreibender Kraftakt sondergleichen attestieren!
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Eines der ästhetisch aufregendsten Ausnahmeprojekte Sasha Waltz', die ich bislang zur Kenntnis nahm; und ich bin froh und dankbar, dass ich das dann gestern Abend hören, sehen und erleben durfte.
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In C mit Sasha Waltz & Guests | Foto (C) Yanina Isla
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Andre Sokolowski - 11. Dezember 2021 ID 13353
IN C (Radialsystem Berlin, 10.12.2021)
Konzept und Choreografie: Sasha Waltz
Kostüme: Jasmin Lepore
Licht: Olaf Danilsen
Konzept und Dramaturgie: Jochen Sandig
Tanz und Choreografie: Sebastian Abarbanell, Edivaldo Ernesto, Melissa Figueiredo, Tian Gao, Hwanhee Hwang, Annapaola Leso, Michal Mualem, Sean Nederlof, Zaratiana Randrianantenaina, Aladino Rivera Blanca, Orlando Rodriguez und Joel Suárez Gómez
Bang on a can All-Stars:
Robert Black, Bass
Vicky Chow, Klavier
David Cossin, Schlagzeug
Arlen Hlusko, Cello
Mark Stewart, E-Guitarre
Ken Thomson, Klarinette und Saxophon
Uraufführung (im Live-Stream) war am 6. März 2021.
Erste Aufführung (vor Publikum): 10. Dezember 2021
Weitere Termine: 11., 12.12.2021
Eine Produktion von Sasha Waltz & Guests. Made in radialsystem
Weitere Infos siehe auch: https://www.sashawaltz.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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