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nachDRUCK # 6

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Doppel-Besprechung

Ganz in Familie,

Madonnen-

verehrung



Szenenfoto mit Anna Müller und Jeanne Moreau (v. l. n. r.) aus ANATOMIE TITUS FALL OF ROME, einer filmischen Installation von Brigitte Maria Mayer, die im Rahmen einer Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz noch bis zum 24. Mai 2009 zu sehen und zu hören ist. - Foto (C) Brigitte Maria Mayer


Anna Müller (16) ist die Tochter von Heiner Müller & Brigitte Maria Mayer.

Sie zum ersten Mal, und also "öffentlich", gesehen und gehört zu haben, ist die eigentliche Attraktion eines sehr anspruchsvollen Unterfangens, das mir ihre Mutter durch den Film Anatomie Titus Fall of Rome zur allgemeinen Kenntnis gab:

Und Anna Müller, wie ich deutlich sehen kann, hat fast den gleichen Mund wie ihr berühmter Vater.

Und sie spricht so seine Kapitälchen-Kommentare - Heiner Müllers gleichnamigem Shakespearestück Anatomie Titus Fall of Rome werden durch Mayer lediglich die "zeitgemäßen" Kommentare (diese sind per Kapitälchen in die Blankverse und Prosatexte, analog bzw. frei nach Shakespeare, durch den Autor eingeschachtelt worden) in dem Film verwandt - deutsch und französisch; und ihr Stimmchen klingt bestimmend und sehr eindrucksvoll.

Wenn Mayer ihrer Tochter Anna allerdings die einen Bühnenkrater hinterlassende Totalpräsenz von Jeanne Moreau zur Seite reicht, empfinde ich diesen Cocktail als Walderdbeerchen mit Champagnerbeschuss.

Jedoch, es menschelt sehr, denn: Jeanne Moreau (sie soll die Gotenkönigin Tamora sein) kann ihre Rührung sichtlich nicht verhehlen, die sie bei dem Anblick Anna Müllers (sie soll Titus' Töchterchen Lavinia sein) beschleicht.

Also "privat" hat Mayers eine Stunde Zelluloid die glaubwürdigste Stärke.




Anna Müller, Heiner Müllers Tochter, ist von ihrer Mutter Brigitte Maria Mayer in ein übergroßes Reifrockmonster gesteckt gewesen, um als Installation an sich in ihrem Film ANATOMIE TITUS FALL OF ROME für Seher herzuhalten. - Foto (C) Brigitte Maria Mayer


Was darüber ging und geht - ihr künstlerischer Anspruch, so vermute ich, war nicht viel weniger als aufzuzeigen, dass und wie der allgemeine Sündenfall der Gattung Mensch "globalisierend" wirkt und ist... und so erspart sie ihrem Zuschauer auch nicht die Öffnung einer Hündin; Männer schneiden ihr die Kehle durch und fangen deren Blut in einer Schüssel auf, wohlan, das Tier ist noch ein ganzes Stück am Leben - , kriegt bedeutungsschwere Bilder zugeteilt. Sie sind sehr stark und über alle Maßen schön. Aber sie haben kein authentisches Gesicht. Trotz dass sie sich in sündhaft schönen Nahaufnamen (Mensch, Natur, Gesellschaft) überaus gefallen; Mayer war mit ihrem Team in Afrika, Asien, Europa, sie hat also in der sogenannten Dritten und der weniger bekannten Ersten Welt (meist Studio) gedreht. Und als Autorin ihrer so markanten Bilderinszenierungen, die auf drei Leinwänden verschieden und/oder zugleich zu mir herüber scheinen, könnte sie wohl zwischen Riefenstahl, Béjart und Kubrick eingeordnet werden: körperkultig, choreografisch, planetarisch.


Jeanne Moreau flirtet mit Tänzern aus dem Staatsballett Berlin, so nutzt sie allerliebst eine der Drehpausen zu ANATOMIE TITUS FALL OF ROME, dem gleichnamigen Film von Brigitte Maria Mayer, ihrer Regisseurin. - Foto (C) Brigitte Maria Mayer


Heiner Müller war mit seinem Shakespeare-Kommentar halt nur ein Kommentar zum Shakespearestück Titus Andronikus geglückt. Die Qualitäten dieses Textes sind und bleiben sprachlicher Natur. Dem Horror der Geschichte selbst, die Shakespeare frank und frei erhöhte und versank, konnte auch Müller nichts entgegenbieten. Wollte er auch nicht. Nur kommentieren halt. Ja, Mayer tappte so in seine Falle: Denn indem sie ausschließlich nur Müllers Kommentare in ihr Filmbuch schreiben ließ, blieb sie dem Zuschauer, und also mir, den Plot zum Nachvollziehen einer der barbarischst-unterhaltsamsten Geschichten aus der Feder Shakespeares schuldig. Feuer, Wasser und Posaunen. Oder auch: Viel Lärm um nichts.

* * *


Also... ich komme aus dem Brigitte-Maria-Mayer-Film Anatomie Titus Fall of Rome wie ein begossener Pudel. Auch weil mir durch seine Regisseurin keine Art Betroffenheit zuteil geworden ist und ich hiernach so ratlos mit mir selber bin. Musik, so denke ich naiv, könnte vielleicht da helfen, sicherlich; sie hat dann schon, und im Vergleich zur darstellenden Kunst, eindeutig heilendere Züge - mache ich die Probe aufs Exempel:

Verdi / Ives werden vom DSO sowie dem Rundfunkchor Berlin gespielt.

Die Quattro pezzi sacri sind, in der Zusammenstellung, eine Art von Kunstprodukt. Vier voneinander unabhängige und eigentlich nicht zusammengehörige sakrale Werke des "späten" Verdi lassen ähnlich klingende Verlautbarungen aus Otello (Seesturm) irgendwie erahnen. Hab ich also so oder so ähnlich irgendwie schon mal gehört. Nur hier, in diesen vier bestimmten Stücken, werden, flapsig ausgedrückt, Madonnen nach und nach verehrt.

Ein Wellen-Wechsel-Bad meiner Gefühle. Denn der Chor wird hin und her geschleudert. Ist er abebbend und immer leiser werdend und so kurz vor seinem "endgültigen" Aushauch, wird er flugs, quasi von jetzt auf gleich, auf die ekstatischste der Stimmhöhen gebracht...

Ja und Sir Andrew Davis, der sich seines eigentlichen Stallgeruches Oper überhaupt nicht schämt, braucht schließlich einen Kompagnon (Co-Dirigenten Ward Stare), der mit ihm diese ausufernde und mit nichts vergleichbare Symphonie Nr. 4 von Charles Ives bewältigt. Sie geschieht zum Teil, und parallel, in unsynchronem Taktmaß. Also muss der Eine dann die Instrumentengruppe, die im Taktmaß A - der Andere diejenige, die im Takt B den "Rest" zusammen spielen, navigieren. Seltenes Naturschauspiel. Mit vielem Tschingderassabum..

Ich bleibe freilich noch ein Stückchen auf dem Sitzplatz liegen, bis der wohlwollige Großapplaus verhallt.

Schönes Konzert.


Andre Sokolowski - 2. Mai 2009
ID 4291
http://www.andre-sokolowski.de


ANATOMIE TITUS FALL OF ROME (Akademie der Künste Berlin, 01.05.2009)
nach Heiner Müller und William Shakespeare
Film von Brigitte Maria Mayer
Darsteller: Anna Müller, Jeanne Moreau, Zhao Jia, Erdal Yildiz u. v. a.
Tänzer: Nadja Saidakova und Martin Buczkó
sowie 14 Tänzerinnen und 14 Tänzer des Staatsballetts Berlin
Chor: Paul-Dessau-Chor
Im Rahmen einer Ausstellung in der Akademie der Künste am Pariser Platz / Berlin
(Ausstellungsdauer: 25. 4. bis 24. 5. 2009)
http://www.brigitte-maria-mayer.de


DSO-Konzert (Philharmonie Berlin, 02.05.2009)
Verdi: QUATTRO PEZZI SACRI
Ives: SYMPHONIE NR. 4
Rundfunkchor Berlin
(Choreinstudierung: Michael Gläser)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Dirigent: Sir Andrew Davis
(Co-Dirigent [Ives]: Ward Stare)

Weitere Infos siehe auch: http://www.dso-berlin.de




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