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Feuilleton


Deutsche Staatsoper Berlin, 23. Juni 2005

CHIEF JOSEPH



Alfredo Daza als Chief Joseph I
(c) Ruth Walz

Hohles Häuptlingsstück

Hans Zender, 1936 in Wiesbaden geboren, wird in einschlägigen Lexika als deutscher Dirigent und Komponist (STEPHEN CLIMAX, DON QUICHOTE DE LA MANCHA - seine ersten beiden Opern) ausgewiesen. Und, seit über vierzig Jahren im Geschäft, kann sich die Branche überdies auf ihn als eine der erstaunlichsten und vielseitigsten Musikerpersönlichkeiten unsrer Zeit verlassen; nicht allein in Eingedenk der langjährigen Dienstverpflichtungen als Kieler oder Hamburgischer Generalmusikdirektor - nein, er hat sich beispielsweise auch als Lehrer für Komposition oder Musikschriftsteller einen Namen machen können. Gestern nun war an der Deutschen Staatsoper Berlin die Uraufführung seiner dritten Oper: CHIEF JOSEPH.

Chief Joseph also war der Häuptling von den Nez Percé, die ihre angestammte Heimat im Gebiet der heutigen US-Bundesstaaten Washington, Oregon und Idaho hatten, bis sie 1863 - weiße Goldgräber "entdeckten" das Indianerland - durch einen fadenscheinigen Vertrag in ein auf ungefähr ein Zehntel ihres ursprünglichen Lebensraumes eingedämmtes Reservat vertrieben worden waren. Auseinandersetzungen von Leuten seines Stammes mit den Neusiedlern führten zu Kampfhandlungen unter Einbeziehung der US-Armee, es gab viel Tote. Joseph und sein Volk wurden zuletzt nach Oklahoma strafverbannt, viele erkrankten, starben. 1885 kehrte er mit einem Rest des alten Stammes in das Reservat zurück. Er durfte nicht mehr ins Wallowa-Tal, seiner Geburtsheimat, und starb ... gebrochnen Herzens. So oder so ungefähr der Hintergrund, die Vorgeschichte.


Alfredo Daza als Chief Joseph I
(c) Ruth Walz


"In meinem Stück wird der Gegensatz 'wild-zivilisiert' nicht als das Spannungsverhältnis 'primitiv-hochentwickelt' aufgefasst - allerdings auch nicht im Rousseau'schen Sinn als das des 'edlen Wilden' zum 'verdorbenen Kulturmenschen'. Gezeigt wird vielmehr das beiderseitige Gefangensein in einem einseitigen Weltbild. Die scheinbar aufgeklärten Weißen sind in ihrer Grundeinstellung des Machen-und-Haben-Wollens, welche die (innere wie äußere) Natur vergewaltigt, genauso eingeschlossen wie die Eingeborenen in ihren magischen Riten. Deswegen reden die beiden Parteien in meinem Stück immer aneinander vorbei", schreibt Zender. Diesen eigentlich so einfachen und doch dann wiederum so unleicht rezipierbaren wie ebenhin den Aufbau und den Ganzsinn dieses Stücks ausmachenden gedanklichen Konstrukt vor Augen (besser noch: vor Ohren!) haltend, stellt der Zuhörer des anstrenglichen Abends sehr verwundert fest: Gesungen und gesprochen wird doch ausschließlich in Englisch. Warum das?
Allein die deutsche Übertitelung veranschaulicht in etwa dieses blut- und bodenlose "musikalische Theater in drei Akten": Jüngling Joseph lernt die die Indianer permanent bescheißen und vertreiben wollenden Weißhäuter kennen (I. Akt). Joseph ist Chief und muss das Land von seinem Volk an dessen Feind verhandeln. (II. Akt). Joseph, als Chief gescheitert, lehrt die Nachkommen zuletzt den Ghostdance tanzen (III. Akt). Das Stück an sich entpuppt sich als ein Plattitüdensammelsurium. Selten habe ich ein der Art allgemeinplatzangereichertes Geschwätz - der Operntext ist dem Programmbuch beigefügt - erlesen und ertragen müssen. Es ist viele gute Absicht in den Zeilen, selbst wenn es ums Aufzitieren weltpolitischer Momente (beispielsweise: zwei US-Piloten funken sich ihre Befindlichkeiten angelegentlich ihrer Bebombardierungstaten zu ... und ob der Eine wieder 'ne Atombombe herunterschmeißen würde oder ähnlich) geht; auch kriegen Pound, Machaut und Goethe ab und zu Zitatplätze in Zenders Textcollage zugestanden - dieses macht den Hohlkörper freilich nicht dichter. Denn: Es fehlt dem Stück das Herz, die Seele. Null Beziehungskiste(n). Keiner liebt, und keiner hasst wen. Jedenfalls an keiner Stelle wirklich nachvollziehbar. Allenfalls Wacoba, die als Chief's Frau angedacht gewesen war, hätte ein bisschen mehr an Material in diese Richtung liefern können ...
Auffällige Gähnkrämpfe zu meiner Rechten.

Familiäre Beifallsäußerungen.


Andre Sokolowski - red. / 24. Juni 2005
ID 1939
CHIEF JOSEPH
Musikalisches Theater in drei Akten von Hans Zender

Uraufführung:
23. Juni 2005

26. Juni 2005
01. | 03. Juli 2005


Musikalische Leitung: Johannes Kalitzke
Inszenierung: Peter Mussbach
Bühnenbild: Jimmie Durham
Kostüme: Bernd Skodzig
Licht: Franz Peter David
Dramaturgie: Ilka Seifert
Chief Joseph I: Alfredo Daza
Chief Joseph II: Meik Schwalm
Chief Joseph III | Old Joseph: Wolfgang Newerla
Young Joseph: Tölzer Knabe
1. Indianer: Tim Severloh
2. Indianer: Karol Cieplucha
3. Indianer: Peter-Jürgen Schmidt
4. Indianer: Matthias Vieweg
Mr. Spalding: Bernd Zettisch
Händler: Peter Menzel
Tool-hool-hool-suite | 5. Indianer: Derrick Ballard
General Howard | Governor Stevens: Nicholas Isherwood

1. Tourist:Florian Hoffmann
2. Tourist:Tom Sol
Wacoba:Isolde Siebert
Ensemblestimme:
Neue Vocalsolisten
Staatskapelle Berlin


In englischer Sprache mit deutschen Übertiteln


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de/de/fs_b2_joseph.htm






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