Dreigroschen-
oper durch
Bob Wilson
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Stefan Kurt als Macheath und Angela Winkler als Jenny in Robert Wilsons DREIGROSCHENOPER am Berliner Ensemble - Foto (C) Lesley Leslie-Spinks 2007
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Angela Winkler ragt in jeder Hinsicht aus Brecht/Weills Dreigroschenoper, die nun endlich, und nach jahrelangem Mühen (Stichwort ist "Mit freundlicher Genehmigung von Barbara Brecht-Schall"), der Multikünstler Robert Wilson ins/mit dem BE gezaubert hat, heraus. Weil: Winkler fasziniert, verblüfft, berührt und irritiert in dieser festzustellenden Vierfaltigkeit! So hat sie sich dann mit der Hure Jenny, also diesem dritten von den Mädchen, das von Stinkefinger Macheath nach und nach "missbraucht", missachtet, weggeschmissen wird, als ihrer Rolle abgefunden. Und sie singt - die Sensation des Abends! - ihre Songs, vor allem den von Salomon, mit einer wispergleichen Lerchenstimme, und sie tremoliert sich leise, immer leiser werdend, schwindsuchtartig in soprane Höhen, dass es einem heiß und kalt den Rücken runterrieselt; sowas Irreschönes habe ich mein ganzes Leben nicht (noch nicht) aus einer Frauenkehle jemals je verlauten hören. Und wie sie hinfort, und insbesondere nach "Salomon", sich kaum noch auf den Beinen halten kann, wie sie, emotional vernichtet, an der körperlichen Gleichgewichtsstruktur trotz aller Ohnmachtsahnung keinen Zweifel lässt, ist zusätzlich in einem Exzessivgrad sehenswert, dass ich nur raten will und kann: Allein der Winkler wegen in's BE zu gehen; schon im Wintermärchen, auch von Wilson hier gemacht, bestach sie insgesamt als vordergründig-unvergessbar.
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Dieses Alles soll nicht heißen, dass die Anderen der Winkler nicht das Wasser hätten reichen können - - selbstverständlich nicht! Das Fulminanteste an dieser neuen Inszenierung ist ja auch, dass - und dann wiederum im Gegensatz zu dem von mir Behaupteten in puncto Winkler - keiner vor dem andern prononciert zu stehen kommt. Eine Ensembleleistung wird hier manifest, die sich, und sicher auch durch all die technischen Verstärkungen und Toneffektereien, an dem Brechttext intensiver als jemals vorher (in andern Inszenierungen) erlebt, sehr gründlich und sehr (text-)verständlich abzuarbeiten bemüht.
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Das Allzumenschliche, quasi dieser Gefühlsurschleim als der Stations-Geschichte Macheath Messer's (Mann bescheißt 3 Frauen und wird, freilich nicht nur dafür, rechtens mit dem Galgentod bestraft) ja und weswegen man wohl eigentlich an diesem vielzu "überbewerteten" Polit-Sozial-und-Kriminalstück immer wieder szenisch Hand anlegen sollte, kommt bei Robert Wilson freilich allerprächtigst an die Oberfläche. Sein Talent zur langminütigen Bewegung und zum Scherenschnitt korrespondiert aufs Adäquateste mit diesem knappsten Brecht-Plot. Und so hängen wir, als Zuschauer, vollständig ohne müd' zu werden, an den Lippen der Akteure, um nur ja nix ihrer Stimmaussagen zu verpassen...
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Die Dreigroschenoper ist ein neuerlicher rund-rundlicher Rundumschlag von Peymann - der den Wilson nun bereits das dritte Mal an seinem Hause einfach machen ließ was er schon immer machen wollte. Wundervoll!
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Andre Sokolowski - 30. September 2007 ID 3455
DIE DREIGROSCHENOPER (Berliner Ensemble, 29.09.2007)
Regie, Bühne, Lichtkonzept: Robert Wilson
Kostüme: Jacques Reynaud
Musikalische Leitung: Hans-Jörn Brandenburg, Stefan Rager
Mit: Christina Drechsler, Anke Engelsmann, Ruth Glöss, Traute Hoess, Franziska Junge, Marina Senckel, Gitte Reppin, Gabriele Völsch, Angela Winkler; Heinrich Buttchereit, Jürgen Holtz, Boris Jacoby, Roman Kaminski, Stefan Kurt, Christopher Nell, Walter Schmidinger, Martin Schneider, Konrad Singer, Jörg Thieme, Georgios Tsivanoglou, Axel Werner, Mathias Znidarec - und den Musikern Ulrich Bartel (Banjo/Violoncello/Gitarre/ Hawaii-Gittarre/Mandoline), Hans-Jörn Brandenburg (Harmonium/Klavier/Celesta), Tatjana Bulava (Bandoneon), Martin Klingeberg (Trompete), Stefan Rager (Pauken/Schlagzeug), Jonas Schoen (Saxophon/ Klarinette/Fagott), Benjamin Weidekamp (Saxophon/Flöte/Klarinette), Otwin Zipp (Posaune/Kontrabass)
Premiere war am 27. September 2007
Weitere Termine: 13. - 15. sowie 27. / 28. 10. und 16. - 18. sowie 30. 11. 2007
Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-ensemble.de
http://www.andre-sokolowski.de
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