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Gastspiel

24. November 2013 - junges theater basel

MORNING

von Simon Stephens


Plakat des jungen theater basel zu Morning von Simon Stephens | Bildquelle http://www.jungestheaterbasel.ch



Freiheit der Freundin - das junge theater basel übergibt sich in Berlin

"Kürzlich erschien in einer amerikanischen Tageszeitung der Bericht eines Jugendpsychologen, der als harmloser Betrachter und Zuhörer eine Veranstaltung der englischen Beatles besucht hatte. Er schreibt: 'Ich hatte einen amüsanten Abend erwartet, als ich zu der Beatle-Show ging. Tatsächlich aber war das Erlebnis unter den 14 000 Jugendlichen unfaßbar und beängstigend. Diese Hysterie und Hemmungslosigkeit hatte ich nicht erwartet.'" (Quelle: Die Zeit, 1964)

* * *

Alex zitiert in Art und Weise Oskar Matzerath. Er rührt die Trommel, der Tanz kann beginnen. Seine Schwester Stephanie verspricht Großes von sich. In der Vorläufigkeit ihrer Gegenwart plündert sie den kleinen Bruder und ignoriert nach Kräften die krebskranke Mutter. „Das ganze Haus stinkt nach ihrer Scheiße.“

Die krepierende Empathie einer Desperaten sorgt in Morning für Tumulte. Der englische Dramatiker Simon Stephens schrieb das Jugendstück für Schauspieler des jungen theater basel. Das Ensemble liefert ein Gastspiel im Berliner Maxim Gorki Theater ab. Spielsprache ist Schweizerdeutsch. Regie führt Sebastian Nübling.

Eine Zeile überschreibt das Geschehen: „I’m living out my life like I’m on the run.“ Die Choreografie erinnert an West Side Story und Voodoo-Veitstanz. Tabea Buser spielt Stephanie als Tobsüchtige. Sie marodiert auf der Bühne. Ihre Stimmungswechsel gleichen Anfällen. Ständig könnte sie kotzen.

Die beste Freundin Cat (Jara Bihler) will sich den Grenzen der Heimatstadt vor Ablauf einer Woche bereits entzogen haben. Sie zählt die Tage als seien die Tage Stunden.

Stephanie erlebt die Freiheit der Freundin als Verrat. Von den alten Bindungen erscheint Cat keine wertvoll genug, um Verluste festzustellen.

Cat ist die Wohlhabende im Spiel. Sie hat die Aussichten, die anderen haben das Nachsehen.

„Wie viel Schrecken erträgt die Leere?“ heißt es einmal. Alex allein könnte die Frage beantworten. Alex, der sich um die Mutter kümmert. Er kann seine Augen nicht verschließen vor dem Siechtum, und als es vorbei ist, zwingt er sich in eine schwarze Jacke zur Feier der Beerdigung. Die Verdrängungswut seiner Schwester löst bei ihm Fassungslosigkeit aus. Doch kriegt er sich immer wieder ein. Joshua Brunner spielt Alex statuarisch wie einen Zinnsoldatenzwerg. Sein reduziertes Spiel geht über Erwartungen hinaus. Es reißt einen Horizont der Plausibilität auf, während die Mädchen im Spiel manisch heiß laufen. Stephanie wäre lieber mit Jacob (Lukas Stäuble) zusammen als mit ihrem verletzlichen Stephen. Nico Herzig spielt Stephen als Göttinnenanbeter. Jede Station der Anbahnung dokumentiert eine Tätowierung. Stephen lässt sich seine Ergebenheit auf den Leib schreiben. Schließlich schlägt Stephanie Stephen den Schädel ein. In der Zwischenzeit verweigern Jacob und Anna (Olivia Ronzani) dem Extremismus ihrer Generationsgenossen die Gefolgschaft. Musik und Sport stehen auf ihrer Agenda, Stephanie hält das nicht aus.

Olivia Ronzani spielt Anna akrobatisch und amokabstinent. Sie ahnt, dass Stephen nicht nur verschwunden ist. Anna will die Festung von Stephanies Selbstbezogenheit schleifen und zur Person durchdringen. Um zu erfahren: Kein Anschluss unter dieser Nummer.

Klar, Stephanie zerschlägt die Gegenstände ihrer Sehnsucht im Traumafuror. Ihre Verlustängste hetzen sie durch Alpträume. In Morning steckt also eine ganze Menge.




Das junge theater basel gastierte mit Morning im Berliner Maxim Gorki Theater - Foto (C) Uwe Heinrich



Bewertung:    


Jamal Tuschick - 25. November 2013
ID 7399
MORNING (Maxim Gorki Theater, 24.11.2013)
Regie: Sebastian Nübling
Ausstattung: Ursula Leuenberger
Sound: Tobias Koch
Visuals: Philip Whitfield
Dramaturgie: Uwe Heinrich
Licht: Urs Reusser
Mit: Jara Bihler, Joshua Brunner, Tabea Buser, Nico Herzig, Olivia Ronzani und Lukas Stäuble
Uraufführung war am 1. August 2012 im Traverse Theatre (Edinburgh Festival)
Premiere der DSE in Basel: 26. 1. 2013
Gastpiel des jungen theaters basel
http://www.jungestheaterbasel.ch


Weitere Infos siehe auch: http://www.gorki.de


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