Bayreuther Festspiele 2008
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Herheims ambitionierte,
selten funktionierende
Illustrationszwänge
im Parsifal
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Er ist ein Bild von einem Mann! Ja und man ahnt natürlich, wenn man ihn so auf den Fotos sieht, er soll und wird nicht uneitel zu nennen sein (auf jeden Fall nicht uneitler als sein Kollege Schlingensief, der auch ein Bild von einem Mann ist, und der vor vier Jahren ebenso dasselbe Stück dem Grünen Hügel, und nicht unbedingt zur Freude Wolfgang Wagners, der ihn seiner Zeit, vielleicht sogar auf Anraten von seiner Tochter Katharina, an das Festspielhaus berief, als hochaltäriges Present vermachte; ja, noch nie zuvor wurden in Bayreuth derart viele und nur scheinbar unzusammenhängende Bebilderungen sichtbar als in dieser mittlerweile Kultstatus erreicht habenden Inszenierung). Ein Vergleichen drängt sich auf.
Was deutlich unterschieden werden muss:
Dass Stefan Herheim - seine Inszenierung Parsifal ist hier gemeint - ein spürbar eindeutiges Exemplar der Gilde Opernregisseure ist; also er ist als solcher, als ein Opernregisseur, zum Jungstar aufgestiegen, und das Bayreuther Debüt sollte ihm schon den wohl verdienten Riesenschritt auf dem Karriereleiterchen bescheren, nichts wäre ihm mehr zu gönnen...
Und dass Christoph Schlingensief ein Multikünstler und Hans-Dampf-in-allen-Gassen ist; also es hieße Eulen nach Athen tragen, wenn man sich jetzt an dieser Stelle seines vielspartigen Werks, und sei es nur in unbedarften Ausschnitten, erinnerte.
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So wären also dann, im Nachhinein, die Ehrgeize wie folgt gewichtet: Herheim wollte Alles (und erreichte eigentlich, außer am Festspielhause inszeniert zu haben, nicht sehr Vieles) - - Schlingensief trat an zu irritieren, weil er eingestandner Maßen selbst vom Stückchen irritiert gewesen war; die artifizielle "Unbeholfenheit" machte sein Abarbeiten an dem merkwürdigen Werk so überaus sympathisch; letztes Jahr muss dem Vernehmen nach die allgemeine Stimmung ganz und gar gekippt sein, aus der anfänglichen kollektiven Ablehnung wurde ein imperialer Jubelschrei; jetzt ist die Arbeit leider nicht/nicht mehr (nicht mal als Filmmitschnitt) zu sehen, o wie schade!!!
Bilder, Bilder, Bilder...
Stefan Herheim ist zum Beispiel sehr bemüht gewesen, Filme Ingmar Bergmanns (Fanny und Alexander; Sterbeszene mit dem Vater), Stanley Kubricks (Shining; Badewannenszene mit der Greisin) oder Josef von Sternbergs (Der blaue Engel; Marlene Dietrichs Beine und Zylinder) zu zitieren. Und warum, weils zufälliger Weise in den Kontext seine Bilderorgie passte?
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Stefan Herheim sieht man hier auf einer Probe zu dem neuen in Bayreuth, und er scheint gerade mit Erklärungen zum Thema Schwan und anderes Geflügel, was im Ersten Aufzug seiner Inszenierung aufzutreten hat, beschäftigt. Alle Mitwirkenden folgen ihm, so wie man sehen und erahnen kann, sehr aufmerksam bei seinem willfährigen Unterfangen. - Foto (C) Bayreuther Festspiele
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Im gesamten Ersten Aufzug müssen Herheims Haupt- und Randakteure (Sänger, Chor, Statisten) als Geflügel Darstellungen übernehmen. Und warum, weil zufälliger Weise viel von Tauben oder Schwänen irgendwie die Rede wäre?
Herheims Parsifal-Geschichte hat einen recht nachvollziehbar "illustrierten" Rahmen: Wahnfried. Dort beginnt und endet seine Story. Parsifal (der junge Wolfgang Wagner?) lässt die Mutter (Winifred?) im Stich und/oder träumt sich seinen eignen Parsifal bis in die neue Zeit hinein. Am Schluss entsorgen Trümmerfrauen (1951, Neubayreuther Zeit) den Schutt vergangener Epochen, und der Junge Parsifal, in der Matrosenkluft von Bergmanns Alexander, fängt mit Gurnemanz und Kundry irgendwas zusammen an... Null Ahnung, was das Alles letztlich soll.
Ein starkes und sehr ambitioniertes Bild ist Herheim allerdings geglückt, bevor die Klingsor-Burg am Schluss des zweiten Akts zusammenstürzt: Da lässt er vor der Villa Wahnfried Riesenhakenkreuzflaggen nach oben ziehen, eine Formation von Waffen-SS aufmarschieren und den Reichsadler in Stein herabschweben. Die Szene kippt sofort: Der Reichsadler kracht lautstark auf die Bühne und zerschellt, die schwarzen Bluthunde werden erschossen und die Hakenkreuzflaggen knittern in sich zusammen; Wahnfried brennt. / Gleichsam bleibt zu bemerken: Ähnliche Bebilderungsattacken hat man öfter schon am Schluss der Götterdämmerung, und nicht nur da, gesehen; also wenig Neues, eigentlich so gut wie nichts.
Gesungen wurde anständig - man wird erwarten können, dass dann die bzw. der, wer auf dem Grünen Hügel steht, sich allergrößte Mühe geben - alles Namen übrigens, die man auch andernorts, mal hier oder mal da, live zu erleben kriegte; sogenannte Megastars sind hier nicht oder noch nicht oder längst nicht mehr zu sehen und zu hören, war mal, der Legende nach, ganz anders früher, und die Besten, hieß es, nur die Besten aller Besten sängen hier. Doch allenthalben Detlef Roth (Amfortas) lieferte eine gesanglich sowie mimisch mehr als imponierende Gesamtleistung.
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Und Daniele Gatti dirigierte klug und breit, und das Orchester spielte unendlicher Weise schön - und so (vielleicht nur so!!!) wird Parsifal auch bei der Uraufführung hier an diesem sagenhaften Haus geklungen haben. Onanie des Herzens für die Ohren.
Mehr vom Zauber dieses Unsichtbaren, bitte!
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Andre Sokolowski - 7. August 2008 ID 3945
http://www.andre-sokolowski.de
PARSIFAL (Bayreuther Festspiele, 06.08.2008)
Musikalische Leitung: Daniele Gatti
Inszenierung: Stefan Herheim
Bühnenbild: Heike Scheele
Kostüme: Gesine Völlm
Besetzung: Detlef Roth (Amfortas), Diógenes Randes (Titurel), Kwangchul Youn (Gurnemanz), Christopher Ventris (Parsifal), Thomas Jesatko (Klingsor), Mihoko Fujimura (Kundry) u. a.
Der Festspielchor
(Choreinstudierung: Eberhard Friedrich)
Das Festspielorchester
Premiere war am 25. Juli 2008
Weitere Termine: 10., 16. und 28. 8. 08
Weitere Infos siehe auch: http://www.bayreuther-festspiele.de
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