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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Handkes Lesestücke


Spuren der Verirrten oder KALI Eine Vorwintergeschichte.

Beide Texte sind von Peter Handke; sein Verlag hat sie vor ein paar Tagen auf den Markt gebracht. Der eine von den beiden gibt sich als Theaterstück, der andere als Prosa. Liest man sie, egal in welcher Reihenfolge, fällt zuallererst der parallele Grundton auf. Ein Auktorialer (Handke) parlandiert. Bei Spuren der Verirrten hat man ihn sehr schnell als Zuschauenden ausgemacht. In KALI Eine Vorwintergeschichte nicht viel anders. Hier wie da dient er, der Auktoriale, als das Sprachrohr seines Ich-Verfertigers. Ja und obgleich das Wörtchen "ich" fast nie oder so gut wie überhaupt nicht fällt, ist dieser Auktoriale (Handke) eine Krücke für den Leser. Kann er doch, der Leser, so am allerbesten spüren-fühlen-greifen, dass die Abläufe, um die's ihrem Beobachter (dem auktorialen Handke) ging oder zu gehen schien, vor allem seine zu beobachtenden waren oder sind. Und ich, der Leser, werde für die kurzweilige Zeit meiner Lektüre: Handke.
KALI Eine Vorwintergeschichte lässt mich in die Tiefe eines Salzbergwerks abtauchen. Und ich lese da von einer Opernsängerin, die sich in ihre Kinderwelt zurück begibt. Das Land ist mir zutiefst vertraut, es liegt im ostöstlichsten deutschen Osten, und es wird als "Toter Winkel" abgesteckt. Warum hat Handke seinen Weg dorthin gewollt? was war der Auslöser für seinen kurzen Abstecher in dieses Land?? wo lässt sich sein Befinden mit demjenigen der dieses Land Verlassenden oder Verlassenwollenden befestigen??? Alles so Fragen, die mir während meines Lesens kamen; und ich bin ein DDR-Kind; existierte dann die Vor-Geschichte jener Opernsängerin - die machte sich ja auf, um ihrer Mutter wiederzubegegnen - wirklich da in der von mir gedachten und gefühlten "alten" DDR-Gegend; ich kann auch sehr verirrt das Alles dann gelesen haben.
Spuren der Verirrten nun, dieser vermeintliche Theatertext, geht viel viel weiter. Er umklärt einen Erfahrungshorizont eines als Zuschauer bzw. Zuschauenden vorqualifizierten Handlungs-Trägers. Er ist sozusagen Hauptperson in diesem Unstück. Er bemerkt es ausdrücklich an sich, aus sich heraus. So liest er sich, auf jeden Fall. Als Monologtext ist das Ganze aufgebaut. Der Monolog des zuschauenden Zuschauers... freilich nicht nur auf offner Bühne. Handke ist derjenige. Er lässt es seinem Leser wissen, es ist für ihn eingestanden, eine abgemachte Sache zwischen ihm & mir & uns. Zuschauen, das allein, ist hier gefordert und gefragt.



Peter Handkes SPUREN DER VERIRRTEN: Axel Werner (mit Napoleon-Hut) steht einer nachbarschaftlich zwielichtigen Szene zwischen Carmen-Maja Antoni und Ursula Höpfner als Beobachtender bei - Foto (C) Monika Rittershaus


Claus Peymann, der bereits das zehnte oder elfte Mal ein Stück von Peter Handke inszeniert, nimmt Handke als den Auktorialen wortwörtlicher Weise ernst, er macht ihn körperlich. Der Zuschauer, der Zuschauende (Handke) wird als Rolle, als Figur, als handelnde Person gegeben. Jene auktorialen Stellen dieses durchgehenden Prosatextes - alle handlungsfreien Stücke Handkes sind zugleich auch wunderbar gesetzte Prosatexte; dieser Trend, für/gegen das Theater anzuschreiben, wird in letzter Zeit auch immer mehr und immer wieder von der Jelinek'schen Stückästhetik aufgegriffen und bestätigt - werden dann auch 1:1 in praxi umgesetzt. Das nimmt der generellen Poesie dieser geheimnisvollen Arbeit ihren Wind. Es deckelt auf was eigentlich vor allgemeiner Neugier schützen sollte. Und es macht es auch den Darstellenden überhaupt nicht einfacher, hinter die milchstraßigen Läufte, die dem Zuschauer und Zuschauenden während seiner fast zwei Stunden dauernden Beobachtungen in den Sinn gekommen waren, zu gelangen.

Episodensehen.

Allgemeinerlebtes... hoch gekommne Szenenschnippselei.

Kein noch so künstlich dargestellter Mensch, der jenem Zuschauer und Zuschauenden (Handke) wirklich was von sich und seinem Leben, etwas markig Einprägsames, dann verriete.

Es ist nichts zum Spielen, nichts zum Nachgespieltsein.

Peter Handkes Text erklärt sich allenfalls durch seine Poesie.

Und hätte Peymann statt der Spuren der Verirrten besser KALI Eine Vorwintergeschichte auf den Spielplan des BE gesetzt, es wäre ganz genauso ausgegangen. Keinem Ausführenden trifft die Schuld. Es war und bleibt ein schöner Ehrgeiz, Peter Handkes Lesestück geprobt zu haben.


Andre Sokolowski - 15. Februar 2007
ID 2982

SPUREN DER VERIRRTEN (Berliner Ensemble, 12.02.2007)
Inszenierung: Claud Peymann
Bühne: Karl-Ernst Herrmann
Kostüme: Angelika Rieck
Mit: Carmen-Maja Antoni, Christina Drechsler, Ursula Höpfner, Franziska Junge, Charlotte Müller, Elisabeth Rath, Marina Senckel, Boris Jacoby, Roman Kaminski, Gerd Kunath, Thomas Niehaus, Dirk Ossig, Rainer Philippi, Michael Rothmann, Marko Schmidt, Veit Schubert, Konrad Singer, Norbert Stöß, Georgios Tsivanoglu, Axel Werner und Thomas Wittmann
Uraufführung am Berliner Ensemble: 17. Februar 2007


Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-ensemble.de






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