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Premierenkritik

Die Damen warten von Sibylle Berg in den Hamburger Kammerspielen



Die Damen warten an den Hamburger Kammerspielen - Foto (C) Oliver Reetz



Some Day My Prince Will Come

Gerade eben erst wurde Sybille Bergs neues Stück Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen am Maxim Gorki Theater Berlin uraufgeführt. Berg nimmt darin die Orientierungslosigkeit und Wut junger Frauen im digitalen Zeitalter des Postfeminismus aufs Korn. Regisseur Sebastian Nübling hat diesen satirisch angelegten Fließtext auf vier junge Schauspielerinnen verteilt. Vor gut einem Jahr wurde in Bonn das letzte Stück von Sibylle Berg uraufgeführt. Die Damen warten behandelt die Situation von Frauen im Alter zwischen 40 und 50 auf genau die gleiche satirisch-sarkastische Art, die Berg nun mal besonders eigen ist. Wieder sind es vier Protagonistinnen, die hier aus verschiedenen Perspektiven auf ihr Lebensentwürfe blicken. An den Kammerspielen in Hamburg ist das Stück nun mit prominenter Besetzung in der Regie des Grimme- und Fernsehpreisträgers Kai Wessel (Zeit der Helden, 2013 auf Arte) erneut zur Aufführung gekommen.

*

Zu Anfang sitzt Hildegard Schroedter auf der Bühne und lässt das Publikum warten. Regisseur Wessel hat den Prolog in Bergs Stück etwas umgebaut. Anstatt der Vorstellung der vier Protagonistinnen lässt er zunächst Hildegard Schroedter, Marion Martienzen und (als männlichen Sidekick) Kai Hufnagel ganz aktuell über Frauen im Beruf und Haushalt, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und Frauen in Vorstandsetagen referieren. Die Frau dringt ein in den geschützten Raum der Männerverwahrstätten und sieht sich alsbald den üblichen männlichen Vorurteilen ausgesetzt. Sie kriegt das Kind, der Mann flieht aus der hormonell aufgeladenen Atmosphäre daheim ins Büro. Kausalkette: Sekretärin, Scheidung, Pfändung des Gehalts. Wer ist da eigentlich das schwache Geschlecht? Das sitzt gleich zu Beginn. Die Zielrichtung ist damit klar ausgegeben.

Nach einem ersten Black öffnet sich die Bühne und zeigt eine Art Wellness-Tempel mit Säule im Hintergrund. Unsere vier Damen werden hier zu einem von der demokratisch gewählten Regierung organisierten Wellness-Wochenende erwartet. Sie sollen anlässlich des Frauentags ein kostenloses kosmetisches Update in Form einer Typberatung, neuen Frisur, Gesichtsbehandlung und Körper-Massage bekommen. Beim Handauflegen auf eine Art Wahrheitsdetektor beichten die vier nach und nach eintreffenden Frauen aus ihrem Leben. Ziemlich taff agiert Nina Petri als Wissenschaftlerin und Pathologin Frau Grau. Die 25 Jahre bei der Beförderung Übergangene setzt Geist über Körperlichkeit, fühlt sich aber letztendlich in ihrem Bild als geschlechtloses Wesen nicht bestätigt. Für die Maklerin Frau Töss (aufgedonnert: Julia Jäger) sieht es karrieremäßig ähnlich aus. Sie begreift allerdings die Tatsache von den Männern auf ihren Körper reduziert zu werden auch als Angebot, und hat sich in der Rolle der ewigen Liebhaberin bestens eingerichtet.

Dagegen stehen die Hausfrau und Mutter Frau Merz-Dulschmann (Marion Martienzen mit betont gieksiger Stimme) und die alleinerziehende Angestellte Frau Luhmann (Hildegard Schroedter). Marion Martienzen gibt hier ganz das brave Klischee einer Frau, die sich nach geschlechtlicher Pflichterfüllung dem Verschönern des eigenen Heims widmet und über fehlende Anerkennung und das Desinteresse klagt. Erst spät geht ihr auf, dass sich ihr Mann längst Abwechslung bei einer Anderen wie etwa Frau Töss sucht. Die burschikose Frau Luhmann sieht das alles eher relativ leidenschaftslos und pragmatisch. Sie macht sich schon lange keine Illusionen mehr und hadert nur noch mit ihrem YouPorn süchtigen Sohn. So in ihre eigene Welt eingefahren, lässt Berg die vier nun auf einander und den männlichen Host des Wellness-Wochenendes namens Horst (Kai Hufnagel) los.

Nach dem Motto „man kann Frauen gestalten und formen, wie einen Klumpen Lehm“ macht sich der staatlich geprüfte Masseur, Fitnesstrainer, Stilberater und Hair-Make-Up-Artist eifrig daran, den Damen das passende Outfit zu verpassen und nervt nebenbei mit sexistischen Bonmots männlicher Persönlichkeiten aller Epochen von Luther bis Beckett sowie eigenen Ansichten zum Thema. Dass er neben so manch anderem Song auch noch den vielgecoverten Schmachtfetzen „Some Day My Prince Will Come“ aus Disneys Snow White auf der Gitarre klampfen muss, lässt den „Vogel“, wie ihn Frau Grau despektierlich tituliert, gänzlich ins Groteske fallen. Hier entpuppt sich ein etwas zu kurz geratenes männliches Exemplar als Weichei und Muttersöhnchen, dass die Schuld dafür natürlich dem weiblichen Geschlecht gibt.

Das Wellness-Satire-Programm spult sich dann in drei Akten zu den Bereichen Arbeit, Zu Hause und Der Körper ab und gibt einiges an Gelegenheiten zum fiesen Sticheln untereinander oder Lästern über die Männer und die missratene Brut daheim. Als der selbst gefrustete Horst die auf ihren Liegen auftrumpfenden Damen kurzerhand als "unterfickt" bezeichnet, wendet sich das Blatt. Deren Frust entlädt sich nun am willkommenen Opfer. Da ist es aber schon zu spät. Das volle Verwöhnprogramm entpuppt sich nämlich als abgekartetes Spiel, die nutzlos gewordenen Frauen aus dem Blickfeld der Männer zu entsorgen, um Platz für junge eloquente Entscheidungsträger zu schaffen. In einer Art unterirdischen Wellness-Hölle finden sich die vier dann auf Schaukeln wieder und trällern selbst befreit ein Liedchen von einer Welt ohne Männer: „Wir sind allein, Gott ist die Frau.“

Man hat Sibylle Bergs Stück nach der Uraufführung mit der Kraft der Textflächen einer Elfriede Jelinek verglichen. Das ist vielleicht etwas zu viel der Ehre. Lediglich in der Intensität des Wortschwalls ihrer Protagonistinnen und der Lust zum Kalauern erreicht Berg hier die Nähe zur österreichischen Nobelpreisträgerin. Kai Wessel hat allerdings auch einiges an Spitzen herausgeschnitten. Das Damen-Quartett bemüht sich auffallend in leicht unterkühltem Understatement. Ein Spiel der zunächst gekonnt kleinen Gesten, das etwas zu unvermittelt in die offene Aggression kippt. Das Stück ist beileibe keine leichte Konversationskomödie für den gehobenen Boulevard. Dazu kommt die unentschiedene Regie. Zu brav, zu bieder dann doch wieder vom Blatt inszeniert. Etwas mehr Expressivität wäre hier durchaus nicht fehl am Platz. Zumindest wirkte das Publikum nach der Premiere in den Kammerspielen etwas verstört. Und das ist doch immerhin schon mal die halbe Miete.




Die Damen warten an den Hamburger Kammerspielen - Foto (C) Bo Lahola



Bewertung:    


Stefan Bock - 29. Januar 2014
ID 7560
DIE DAMEN WARTEN (Hamburger Kammerspiele, 26.01.2014)
Regie: Kai Wessel                   
Ausstattung: Maren Christensen
Mit: Kai Hufnagel, Julia Jäger, Marion Martienzen, Nina Petri, Hildegard Schroedter
Uraufführung im Theater Bonn war am 15. Dezember 2012
Premiere an den Hamburger Kammerspielen: 26. 1. 2014                                
Weitere Termine dort bis 2. 3. 2014


Weitere Infos siehe auch: http://www.hamburger-kammerspiele.de/


Post an Stefan Bock

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