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Ein humorvolles Stück über eine junge Frau, deren wichtigster Halt ihr Herrenrad ist, in zwei Inszenierungen in Berlin und Karlsruhe



Das ist Harald-Alexander Korp, Autor und Produzent von Fisch fährt Fahrrad - Foto (C) http://www.fischfaehrtfahrrad.de


Im Damensattel

„Mehr als 500.000 Menschen sind in Berlin täglich mit dem Rad unterwegs, mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren“, meldete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel im vergangenen Jahr für die Titelstory „Der Straßenkampf“, und die Autoren bilanzierten: „Die Machtverhältnisse auf den Straßen ändern sich, zwischen Blechlawinen im Stau windet sich eine Armee von Einzelkämpfern an die Spitze; auf dem Asphalt entwickelt sich eine neue, wilde Gesellschaftsordnung, (…) die zu bissigen Gefühlsausbrüchen führt.“

Eine dieser Einzelkämpferinnen, die ihr Gefühlsleben komplett ans Fahrrad angeschlossen zu haben und damit gut zu fahren scheint, ist Franziska – die junge Frau in Fisch fährt Fahrrad, dem neuen Theaterstück von Harald-Alexander Korp. Genauer gesagt handelt es sich um eine Musikrevue für eine Schauspielerin und einen begleitenden Pianisten, der in der Berliner Inszenierung von Corinna Jarosch als Akteur nur kurz in die One-Woman-Show eingreifen darf. Der Berliner Theaterautor Korp – selbst passionierter Zweiradfahrer – nutzt den seit Jahren anhaltenden Trend des Umsattelns in bürgerlichen Kreisen als Folie für das humorvolle Porträt einer Großstadtneurotikerin, deren wichtigster Halt ihr Herrenrad ist. Ein altes, schweres und schnörkelloses, aber fahrtüchtiges Rad ist das. Denn wer mit genügend eigener Lebendigkeit gesegnet ist wie Franziska, braucht kein fancy Fixie oder vollbewegliches BMXer, sondern solide Wertarbeit, die frau beim alltäglichen Ritt durch den Asphaltdschungel nicht im Stich lässt. Und so kurvte Franziska mit ihrem treuen Gefährten über die Off-Bühnen Berlins – just bevor auf der Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt (ehemals Kongresshalle) mit einem „Aktionstag der Über Lebenskunst.Radoffensive“ Sonntag nachmittag die Alltagstauglichkeit des Fahrrads als DAS innerstädtische Verkehrsmobil unter Beweis gestellt wurde.

Da Traummänner auch im Sattel eher die Ausnahme sind und die hochemotionale Franziska auf dem Stahlross, nicht aber in Herzensdingen die Balance zu halten vermag, will ihr ein Tandem partout nicht gelingen. Immerhin: Die Radfetischistin verlässt sich nicht aufs Glück, sondern zeitgemäß auch auf SMS und Online-Dating, doch auch damit kann schnell die Luft raus sein. „Wegen der Defizite in ihrem Leben wird das Fahrrad vermenschlicht und der Mann (= Pianist) wie selbstverständlich verdinglicht“, sagt Regisseurin Corinna Jarosch über ihre Inszenierung, die deutlich vom Originaltext abweicht, in der Franziskas Fahrrad tatsächlich ein Eigenleben entwickelt. Jarosch verzichtet auf diesen surrealen Aspekt und „Slapstick-Pointen“ und betont stattdessen die „Verzweiflung der Figur, die ins Komische kippt“. Was auch funktioniert, denn der Text von Harald-Alexander Korp ist keine burleske Nummernrevue mit sinnfreier Rad-Akrobatik, sondern überzeugt mit hintersinnig-romantischen Passagen ebenso wie mit Witz (z. B. bei Franziskas Typologie Rad fahrender Männer in Berlin).

Auch wenn das Stück die eine oder andere schärfere satirische Spitze noch vertragen hätte: Es steht und fällt mit der Schauspielerin der Franziska, und in der Berliner Inszenierung steht es dank Conny Mews wie eine 1. Wie Mews die verschiedenen, auch widersprüchlichen Seiten der Fahrrad-Franziska – von spröde bis flippig, von launisch bis übermütig – verkörpert und so bündelt, dass vor unseren Augen eine stimmige Persönlichkeit entsteht, ist schlicht große Schauspielkunst, die über alle Schwächen, die eine Off-Produktion so mit sich bringt, hinwegsehen lässt. Dazu noch die schön ins leicht Jazzige überführten, neu arrangierten Evergreens von Pianist Sebastian Kommerell: Zumindest in Berlin war Fisch fährt Fahrrad eine kurzweiliges Vergnügen. Auf den Vergleich mit der deutlich anderen Inszenierung – Hilfe, mein Rad klammert! – von Friedemann A. Nawroth in Karlsruhe darf man gespannt sein.



Foto (C) http://www.fischfaehrtfahrrad.de


Max-Peter Heyne - 17. Juni 2012
ID 6035

Weitere Infos siehe auch: http://www.fischfaehrtfahrrad.de


Post an unseren Rezensenten Max-Peter Heyne



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