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Morton Subotnick, "Jacob’s Room" (Deutsche Erstaufführung)

1. - 16.10.2010, Tonlagen in Hellerau / Dresdener Festival der zeitgenössischen Musik



Trauer à la carte

Traditionellerweise ist Jakob jemand, der mit der Mutter ein Schauspiel veranstaltet, um dem Vater genau die Unmöglichkeit einer Tradition abzuluchsen. Hinterlistig. Gleichsam ist Jakob auch der Jemand, dem die mit seinem Namen eingeschriebene Hinterlist aus der Perspektive einer temps durée nicht gelingt, jedenfalls nicht ohne bleibende Behinderungen in puncto Sexualität davonzutragen, und sie gelingt ihm auch nicht ohne konstruktive Überschreibung seiner eingeschriebenen Identität. Vielleicht kann man also auf die Idee kommen, dass ein Komponist, der sein Operchen, ein wenig Musik und Theater, „Jacob’s Room“ nennt, sich etwas bei der Namensgebung gedacht hat. Vielleicht rückt man aber nach dem Vorstellungsbesuch auch ziemlich rasch wieder von dieser Unterstellung ab, ich meine davon, dass sich jemand etwas dachte oder dass überhaupt gedacht wurde.

Das magersüchtige Sujet: Jacob hat seine Mutter im Zuge eines Genozids verloren und kommt nicht klar darauf. Das ist nicht alles. Sie hat sich noch für ihn opfern dürfen. Das Böse kam von außen („they came“).

Wir sollen wohl grundsätzlich ernst nehmen, dass es hier um Schlimmes geht, das seinen Ausdruck aus barocker Motorik, also eines musikalischen Absolutismus generiert, was durchaus amüsant ist, aber einsilbig in eine unter Wiederholungszwang betriebenen Stase einmündet wie jede Inszenierung von Robert Wilson das tut.

Natürlich hat das Geschehene Spuren in Jacob hinterlassen. Die Verarbeitung dieser Spuren gelingt Subotnick wohl vor allem darum nicht, weil er sich psychischen Räumen gegenüber kompositorisch wie dramaturgisch bloß naiv verhalten kann. Dat is’n bisschen wenig. Andere Erinnerungsreste, Lücken, Ungleichzeitiges bis zu Nichtlinearem, Verkehrung in andere Affekte als Pathos – dies zu zeigen bleibt in diesem Raum Subotnick’s dem Jacob streng untersagt. Der Raum bekommt, ich deutete das an, zwar einen Motor, der ihn in Gang hält, dieser Motor erklingt von einem in sich ungleichen Cello-Quartett, aber der Motor bekommt keinen echten Sprit. Es fehlt an Esprit. An der Tatsache ändert auch der Bio-Diesel vom Band nichts: Es ist ein durchaus geschmackvoll abgemischter Soundtrack – Sounds werden gezogen. Oooh. Es rieselt, es plätschert. Die Stimmbehandlung ist meistens schön. Sprechen ist durchaus gestattet. Auch Effekte. Man darf seine Rückenlehne zurücksetzen und genießen. Jacob, der hohe Bariton oder tiefe Tenor (Ich glaube anwesend: Florian Just), soll in diesem Raum auch nicht allzu viel sagen. Das könnte eventuell was ergeben. Eine Quasselstrippe („The Guide“, Höhe unausgereift: Ruth Rosenfeld) kommentiert the whole time, ein Mezzosopran (Mother: Katharina von Bülow) darf diskanten Requiemduft verbreiten und ein missglückter Sarastro („Grandfather“: Tom Sol) versucht ehrlich gesagt noch das Beste aus seiner Kastration zu machen.

Mirella Weingarten (Inszenierung, Bühne, Kostüme) hat uns gezeigt, dass sie Sänger auf einem Quadrat symmetrisch anziehen und anordnen kann. Ihr Ergebnis ist Excel-kompatibel.

Man darf wohl mit ähh Dieter ähh Jaenicke sagen, dass die Tonlagen 2010 in Hellerau eröffnet sind. Schlafen Sie gut!.


Wolfgang Hoops - red. 4. Oktober 2010
ID 4863
JACOB'S ROOM (Tonlagen Hellerau, 01.10.2010)
Kammeroper für vier Solisten, vier Violoncelli, Keyboards und Elektronik von Morton Subotnick (DEA)
Musikalische Leitung: Ari Benjamin Meyers
Inszenierung, Bühne und Kostüme: Mirella Weingarten
Live-Video: Lillevan


Siehe auch:
http://www.hellerau.org





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