20. Januar 2012, Uraufführung im Theater Bonn
DER WIND MACHT DAS FÄHNCHEN
von Philipp Löhle
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Cowboy oder Indianer spielen oder eben Familie. In Philipp Löhles neuem Stück Der Wind macht das Fähnchen ist auf den ersten Blick alles harmonisch in der üblichen Kleinzelle Familie mit Vater Holger, Mutter Petra, Tochter Sibylle und Sohn Tim. Aber schon dieser erste Blick stimmt bei näherem Hinsehen skeptisch: Alles ist irgendwie zurechtgezimmert, die Kulissenwand steht verkehrt herum, das Wohnzimmer ist ein simples Podest ohne weitere Requisiten, die Yuka-Palme in der Ecke aus Pappe ausgeschnitten, wie später auch das Auto. Der erste Eindruck: So richtig gemütlich geht es nicht zu in dem „Einfamilienstück“ von Löhle, das Dominic Friedel in der Werkstatt des Bonner Theaters in Szene gesetzt hat – trotz oder doch vielleicht eher wegen der vollbrünstigen Behauptungen von Vater Holger, stolz auf seine Familie zu sein.
Löhle und Friedel präsentieren uns eine kleine Zeitreise mit der vorgeführten Familie vom letzten Jahrtausend ins aktuelle, ohne eine allzu genau Zeitangabe. Nur gelegentlich gibt es Verweise auf Zeitphänomene wie den Beginn des Internetzeitalters. Leider – und das ist ein Manko des Abends – vollzieht sich all das recht gemächlich und breit. Etwas mehr Tempo hätte der Inszenierung gut zu Gesicht gestanden. Und etwas mehr Aktion. Löhles Text ist sehr pointiert und setzt in den innerfamiliären Dialogen auf Direktheit und Humor, aber die Akteure Rolf Mautz (Vater), Tatjana Pasztor (Mutter), Birger Frehse (Sohn) und Philine Bührer (Tochter) sitzen oder stehen in der Regel nur herum. Um stärker miteinander zu agieren, bietet die Bühne in ihrer Kargheit dann eben doch ein bisschen zu wenig Spielmöglichkeiten.
Parallel zu dieser Familiengeschichte, in der sich kleine und große Dramen abspielen – die Eltern trennen sich, die Tochter studiert Biotechnik, verdient ihr Geld aber lieber mit dem Verkauf von selbstgenähter Kleidung, der Sohn dümpelt orientierungs- und antriebslos dahin – erzählt der Vater von der Insel Nauru im pazifischen Ozean. Mit diesem kleinen Eiland vergleicht er seine Familie, aber hier wie dort gibt es Probleme, die nicht zuletzt mit materiellem Wohlstand zu tun haben oder, im Falle der Familie in Löhles Stück, mit Erwartungshaltungen, die beispielsweise Holger als Familienvater glaubt erfüllen zu müssen. Da passt es nicht ins Bild, keine Arbeit zu haben, also sitzt er stundenlang im Auto, versucht, kein Geld auszugeben, und hofft, dass niemand vorbeikommt, der ihn kennt.
Löhles Stück hält nach kurzweiligem, amüsantem Beginn gut die Waage zwischen Banalem, Situationen, die absurd anmuten, und kleinen Trägodien, die mit einer Prise trockenen Humors gewürzt werden. Er beobachtet genau und trifft in vielen Punkten sehr präzise das, was Familie im Positiven wie im Negativen ausmacht. Mit Rolf Mautz in seinem Selbstverständnis als Haupt der Familie und seinem fatalen Stolz, Tatjana Pasztor als patenter und leidensfähiger Mutter, Birger Frehse als gedichteschreibendem Sohn, der letztlich eine ganz andere Karriere einschlägt, und Philine Bühler als leicht angeschrägter Tochter, die das Beste aus ihrem Studienfrust macht, hat Regisseur Friedel ein Schauspielerteam versammelt, das gut miteinander harmoniert. Nur würde man ihnen wünschen, dass sie ein bisschen mehr miteinander ins Spiel kommen, dass der Abend ein bisschen an Fahrt aufnimmt. So bleibt nur die Erkenntnis, dass die Familie ein äußerst kompliziertes Konstrukt ist, in dem Menschen auf seltsame Art und Weise miteinander verbunden sind.
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Karoline Bendig - 21. Januar 2012 ID 5696
DER WIND MACHT DAS FÄHNCHEN (Werkstatt Theater Bonn, 20.01.2012)
Inszenierung: Dominic Friedel
Ausstattung: Karoline Bierner
Licht: Lothar Krüger
Dramaturgie: Almuth Voß
Besetzung:
Vater … Rolf Mautz
Mutter … Tatjana Pasztor
Sohn … Birger Frehse
Tochter … Philine Bührer
Uraufführung war am 20. Januar 2012
Weitere Termine am: 27. 1. / 1., 4., 24. 2. / 3., 29. 3. 2012
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater.bonn.de
Post an die Rezensentin Karoline Bendig
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