17. November 2012, Premiere am Theater im Bauturm (Köln)
EIN BISSCHEN RUHE VOR DEM STURM
von Theresia Walser
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Im Theater im Bauturm Köln gibte es Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm von Theresia Walser - Foto (C) Lutz Voigtlaender
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Befindlichkeiten im Scheinwerferlicht
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Eine der erfolgreichsten Produktionen am Kölner Theater im Bauturm ist seit Jahr und Tag Yasmina Rezas Kunst, ein Stück, in dem drei Männer darüber streiten, ob ein monochrom weißes Bild Kunst sei – die neueste Premiere am Theater im Bauturm hat das Zeug, ebenfalls langfristig beim Publikum Erfolg zu haben. Und wieder sind es drei Männer, die dieses Mal über die Frage streiten, ob bzw. wie das Böse auf der Bühne darstellbar sei. Was sehr didaktisch-theoretisch klingt, wird in der Regie von Friedhelm Roth-Lange ein kurzweiliger und amüsanter Abend mit Tiefgang.
Theresia Walser lässt in ihrem Stück Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm (UA 2006) drei Schauspieler aufeinandertreffen, die an einer Podiumsdiskussion teilnehmen sollen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Nazi-Größen gespielt haben, zwei von ihnen Adolf Hitler, einer Goebbels. Den höchsten Wiederkennungseffekt der drei hat Gerhardt Haags Franz Prächtel, der als Schweizer für sich in Anspruch nimmt, als Einziger politisch unverfänglich Adolf Hitler spielen zu dürfen. Hier ist niemand anderes als Bruno Ganz gemeint, der Hitler in dem Film Der Untergang so beängstigend gut verkörpert hat. Haag spielt Prächtel als Schauspieldiva, stets auf der Suche nach dem Ort auf der Bühne, wo er am besten ausgeleuchtet wird – überheblich gegenüber den Kollegen und zugleich äußerst empfindlich, wenn es um Kritik an seiner Person geht. Wunderbar, wie Haag in der Vorhanglücke vorbeischreitet als aufrechter General und die ein oder andere Pose des Kollegen Ganz aus dem Film aufgreift.
Die drei Männer warten auf der Bühne darauf, dass die Diskussion beginnt. Der Tisch, an dem sie sitzen, ist wackelig, das richtige Wasser ist auch nicht da – die Stimmung ist angespannt. Und schließlich sollen sie ja später vor Publikum über wichtige Fragen reden. Wie ist es z. B., Hitler zu spielen? Kann man das mit gutem Gewissen überhaupt tun? Und ist es danach nicht schwierig, wieder eine andere Rolle zu spielen? Zwischen den drei Schauspielern entspinnt sich eine Diskussion, die von diesen konkreten Fragen hin zu Überlegungen führt, was Theater heutzutage überhaupt zu leisten imstande ist.
Eher nassforsch in dieser Runde kommt Philip Schlomms Ulrich Lerch daher. Der Jüngste der drei wirkt zunächst wie der Moderator der Podiumsdiskussion, nur um sich im Laufe des Abends immer stärker als Vertreter eines zeitgenössischen Theaters zu profilieren, in dem es nicht mehr um den Schauspieler und die Rolle, sondern um gesellschaftliche Relevanz und politische Positionierung gehe, darum, wie er es beschreibt, den Graben zwischen Publikum und Bühne zuzuschütten.
Kai Hufnagels Peter Soest dagegen arbeitet sich vornehmlich am Kollegen Prächtel und dessen Erfolg ab. Um sich von dessen Hitler-Darstellung abzugrenzen, betont er dabei stets, dass er Hitler in seinem Spiel nicht vermenschlichen wollte. Seine Ausführungen dazu, wie er als Hitler einen Schokoladenkuchen gegessen und dabei den ganzen Kontext dieser Figur mitgespielt habe, sind urkomisch.
Die Inszenierung ruht sich nicht darauf aus, gewichtige Fragen über die Darstellbarkeit des Bösen und die gesellschaftliche Relevanz von Theater zu stellen. Vielmehr steht bei aller Ernsthaftigkeit der humorvolle Umgang mit diesen Themen im Vordergrund. Und vor allem sind es die gut aufgelegten Darsteller Gerhardt Haag, Kai Hufnagel und Philip Schlomm, die niemals Langeweile aufkommen lassen und vollständig in ihrem Element sind. Die Positionen auf der Bühne sind am Ende unversöhnlich, dabei aber weniger getragen von ästhetischen Überzeugungen als von persönlichen Eitelkeiten und Befindlichkeiten. Am Ende fällt der Vorhang – er kracht auf die Bühne. Insgesamt ist es also mit der Ruhe vor dem Sturm nicht weit her an diesem Abend. Und dabei hat die eigentliche Podiumsdiskussion noch gar nicht begonnen.
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Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm im Kölner Theater im Bauturm - Foto (C) Lutz Voigtlaender
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Karoline Bendig - 19. November 2012 ID 6358
EIN BISSCHEN RUHE VOR DEM STURM (Theater im Bauturm, 17.11.2012)
Inszenierung: Friedhelm Roth-Lange
Bühne: Kai Hufnagel
Kostüme: Sabine Päsler
Sound: Jan Paul Werge
Dramaturgie: Sarah Youssef
Besetzung:
Hitler-Darsteller, Franz Prächtel ... Gerhardt Haag
Hitler-Darsteller, Peter Soest ... Kai Hufnagel
Goebbels-Darsteller, Ulrich Lerch ... Philip Schlomm
Premiere war am 17. November 2012
Weitere Termine: 18., 21. - 24. 11. / 5. - 8., 19. - 22., 31. 12. 2012 / 8. - 11. 1. 2013
Weitere Infos siehe auch: http:/www.theater-im-bauturm.de
Post an Karoline Bendig
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