19. Februar 2013, Deutsches Theater Berlin
DAS HIMBEERREICH (UA)
von Andres Veiel
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Das Himbeerreich von Andres Veiel, uraufgeführt am Schauspiel Stuttgart - Foto (C) Arno Declair | Bildquelle: staatstheater-stuttgart.de
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Der Filmemacher Andres Veiel (24 h Berlin [2010] oder Wer, wenn nicht wir [2011]) hat ein sog. dokumentarisches Theater zusammengestellt, das mit Das Himbeerreich - einem wahrscheinlich nicht nur in der Branche gebräuchlichen Begriff für eine finanziell gut ausgestattete und also sorglos anmutende Sphäre von in Ruhestand Geratenen - betitelt ist.
Es geht hierin um Banker, und zwar fünf Persönlichkeiten inkl. eines ihrer langzeitigen Personalchauffeurs. Die Herrschaften - von vielleicht Anfang 30 bis womöglich Ende 60 - sind in einer Art Vorstandsetage, welche lediglich mit ein paar Schreibtischsesseln und zwei imposanten Aufzügen, die immer wieder mal herauf-/herunterfahren (Bühne von Julia Kaschlinski), ausgestattet ist, anderthalb Stunden lang mit diesem oder jenem "dienstlichen" Geschwätz beschäftigt; kaum entschlüsselbare und noch viel, viel weniger versteh- oder begreifbare Finanzinterna - das Programmheft gibt uns Lesern dankenswerter Weise ein recht brauchbares Glossar mit Fachbegriffen aus der Banken- und Finanzwelt als Lektürevorschlag - lassen zunehmend das (intellektuelle) Mitdabeiseins- und Konzentrationspendel der Zuhörenden/Zuschauenden arg in Richtung Null bewegen...
Veiel soll ja dem Vernehmen nach so an die fünfzehnhundert Manuskriptseiten mit Interviews von nicht ganz unwichtigen Leuten, die aus dem Finanzsektor entstammen, im Besitz haben; er hatte sich mit ihnen über vier Jahre je einzeldialogisch ausgetauscht - hatte das Alles jetzt auf 40 Seiten (für sein Stück) gewissermaßen abgeschreckt, ja und herausgekommen ist der vorliegende nicht ganz kurzweilige Abend.
Freilich überwiegt die Neugier, sozusagen "in das Innere" des Bankenapparates, der die letzten Jahre so total in Misskredit geriet (= Finanz- und Bankenkrise), einmal reinzuhören oder reinzuschauen; zu erleben, wie der Banker so an sich dann tickt - doch außer ein paar Sprechchor-Einlagen, die sehr Persönliches und sehr Privates der Betroffenen (und "handelnden" Personen dieses Stücks) zum Besten geben, tut man außer diesem unsäglich-internen Banken-und Finanzgeschwätz so gut wie nichts über die Fünf und den Chauffeur erfahren.
Ulrich Matthes fällt da als Exot und Fremdkörper am angenehmsten auf; er lässt - in Exbanker-Katharsis-Aufwallungen - geistesblitzartige Schlüsse zu, die durchaus aufhorchen und manchmal gar das Blut zum Kochen oder Stocken bringen lassen; Beispiel: "Wie kommen Sie da raus aus diesen Billionen Schulden? - Inflation. Wen trifft es? Die, die keine Häuser haben, keine Goldbarren im Safe, den kleinen Sparer, der sein Vermögen verliert. Wozu führt das? Gigantische Rezession. Wer gewinnt daran, wo geht das Geld hin? An die, die heute schon auf den Zusammenbruch des gesamten Systems Hunderte von Milliarden wetten. Warum wird da niemand wütend? Warum werden die Zelte abgebaut und in den Museen ausgestellt? - Die eigentlichen Fragen werden nicht gestellt."
Ja, gut zu wissen.
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Das Himbeerreich in Koproduktion des Schauspiels Stuttgart mit dem Deutschen Theater Berlin - Foto (C) Arno Declair | Bildquelle: staatstheater-stuttgart.de
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Andre Sokolowski - 20. Februar 2013 ID 6580
DAS HIMBEERREICH (Deutsches Theater Berlin, 19.02.2013)
Regie: Andres Veiel
Bühne: Julia Kaschlinski
Kostüme: Michaela Barth
Chorleitung: Stefan Streich
Dramaturgie: Ulrich Beck und Jörg Bochow
Besetzung:
Dr. Brigitte Manzinger ...Susanne-Marie Wrage
Gottfried W. Kastein ... Ulrich Matthes
Dr. Dr. hc Walter K. von Hirschstein ... Joachim Bißmeier
Bertram Ansberger ... Manfred Andrae
Niki Modersohn ... Sebastian Kowski
Hans Helmut Hinz ... Jürgen Huth
Uraufführung am Schauspiel Stuttgart: 11. Januar 2013
Berliner Premiere: 16. 1. 2013
Weitere Termine: 7. - 9. 3. 2013 (Stuttgart) /
23., 27. 2.; 6., 11., 14., 23., 31. 3.; 1. 4. 2013 (Berlin)
Koproduktion des Schauspiels Stuttgart mit dem Deutschen Theater Berlin
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspiel-stuttgart.de
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