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MEINE GOTTVERLASSENE AUFDRINGLICHKEIT

von Christoph Nußbaumeder


Bewertung:    



Christoph Nußbaumeder ist Mitte 30, gebürtiger Eggenfelder, hat Zivildienst geleistet, früher mal in einer Autofabrik in Pretoria gearbeitet, dann Rechte, Germanistik und Geschichte studiert, lebt seit paar Jahren in Berlin und schreibt Theaterstücke; sein Werk Meine gottverlassene Aufdringlichkeit wurde bereits im letzten Jahr in den Sophiensaelen uraufgeführt - jetzt gab es drei Reprisen.

"Eine junge Frau, eine schlaflose Nacht, dröge Arbeit an Katalogtexten. Ein Glas Wein und noch eines beflügeln ihre Fantasie und bringen sie zum Grübeln über das eigene Leben. Alles könnte anders sein, besser, leidenschaftlicher, selbstbestimmter! Doch plötzlich klingelt es.

Überdurchschnittlich gebildet, selbständig, unregelmäßiges Einkommen. Die Sicherheiten, mit denen die junge Frau lange lebte, sind aufgebraucht, was bleibt, ist Verunsicherung, gepaart mit Selbstanklage. Statt in beständige Larmoyanz abzusinken, zeigt sie die Zähne und wetzt die Messer gegen die Miesmacher ihres Lebens. Eigentlich kann sie sich nichts vorwerfen – sie hat einen Uniabschluss, ist fleißig und flexibel im Kopf – und trotzdem hat sie nichts auf dem Konto und oft genug Mühe, über den Monat zu kommen. In ihr keimt die Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit, die zwar beschwerlicher war, aber in der der Glaube an Gott noch half, Rückschläge aufzufangen und zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken."
(Quelle: Suhrkamp Verlag)


* * *


Anna Eger spielt diese manische Person und stellt sie sich und uns (die wir mit ihr - wie bei so Psycho-Gruppen-Therapien - im Kreise sitzen) vor: Heißt Anna, ist 36 Jahre alt, studierte Kunsthistorikerin und schreibt für ein Auktionshaus Bildbewertungen; meistens zu irgendwelchen zu verscherbelnden Schinken aus dem 19. Jahrhundert - zwei von ihnen machen (auf A4-Kopien) justament die Runde, dass wir dieses Zeug, was rein "geschmacklich" wohl für Nazis oder Stalinisten (also früher, als die mal in puncto Kunst das Sagen hatten) hätte taugen können, auch ganz nebenbei mal sehen.

Arme Anna, Mann! Wozu du dich - nach fünf Jahren studierter Kunst - jetzt brotjobmäßig hergeben musst; es ist ein Drama an sich...

Nußbaumeder rührt mit diesem Stück den Finger in der Wunde, denn: So geht es aktuell zu. Zu viele junge Menschen mit zu vielen Flausen im Kopf studieren heutzutage - und auch früher, sicherlich - "brotlose" Fächer; Germanistik, Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft etc. pp. Alles sehr wichtig und sehr löblich, aber: Die Posten, die sie damit belegen wollen würden, sind natürlich allesamt vergeben und besetzt, und meistens kriegen dann die absolvierten Akademiker draußen nicht viel Gescheites oder überhaupt nix mehr zu tun und - - werden depressiv.

Unsre Anna freilich - mitten beim Werbetexten - erwartet justament Besuch von einem Menschen (einem Künstler) aus Fleisch und Blut; aber sie öffnet ihm, aus irgendeinem unvorherzusehenden und psychischen Defekt heraus, dann leider nicht die Tür.

Erinnerungen ans Zuhause und ans Früher werden bei ihr wach - der Vater (= Vaterkomplex) setzte ihr erziehungsmäßig zu; die Mutter starb zu früh; allein ihre Großmutter hinterließ (bei Anna) noch den markantesten und angenehmsten Eindruck - Frau vom Lande oder so. / Und die Frauen, speziell die Akademikerinnen mit Karriereambitionen, wären sowieso dann meistens die viel Dumme(re)n und müssten zuseh'n, wo sie letztlich blieben.

Anrührend, witzig und überzeugend gespielt.



Und das sind, wahrscheinlich, die Beine und die Schuhe von Anna Eger, die Meine gottverlassene Aufdringlichkeit spielt - Foto (C) Jan Langenheim

Andre Sokolowski - 8. August 2013
ID 00000007035
MEINE GOTTVERLASSENE AUFDRINGLICHKEIT (Hochzeitssaal, 08.08.2013)
Regie: Bernarda Horres und Anna Eger
Ausstattung: Anja Jungheinrich
Spiel: Anna Eger
Extra: Konstantin Bühler
Uraufführung in den Sophiensaelen war am 18. September 2012
Weitere Termine: 9. + 10. 8. 2013
Gefördert aus Mitteln der Heinz und Heide Dürr Stiftung


Weitere Infos siehe auch: http://www.sophiensaele.com


http://www.andre-sokolowski.de



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