Edward II
von Christopher Marlowe
|
Marlowes EDWARD II. in einer Neuinszenierung von Ivo van Hove an der Schaubühne am Lehniner Platz - (C) Jan Versweyveld
|
Der holländische Stückeschreiber als wie Stückeregisseur Ivo van Hove hat jetzt Marlowe's Stück Edward II. an der Schaubühne Berlin gestemmt. Jan Versweyveld hat ihm hierzu einen aus 8 nur käfiggroßen Einzelzellen bestehenden Männerknast gebaut - die Zellen sind in einer Reihe; und sie sind dann in der Mitte, also zwischen 2 mal 4, durch eine Freifläche für Auf- und Abgänge der Schauspieler sowie einer über sie thronenden Beobachtungs- und Schaltzentrale (für den Knastwächter) geteilt. Alles wird videoüberwacht; also hat dann der Zuschauer eingehende Gelegenheit, das augenblicklich mit den Überwachungskameras (sogar mit Nachtsicht-Linsen) Eingefangene auf einer Video-Großleinwand live und parallel mitzuverfolgen...
Diese Sicht der Dinge - und des Stückes - scheint mir völlig schlüssig, denn: Aufgrund der Tatsache, dass dann die Hauptgestalt im Stück, weil sie in blöd machender (blinder) Liebe zu 'nem andern Mann entflammt ist und allein aus diesem Grunde alle Politik-und-Staats-und Repräsentationsverpflichtungen aufs Peinlichste und auch auf das Gefährlichste vernachlässigt, in jene damals schon suspekte Schublade der "schwulen Sau" geriet, konnte und kann die (General-)Sicht nur in puncto MÄNNER-STÜCK gewesen sein. Auch existiert im Stücktext sowieso "bloß" eine Frau; es ist die angetraute Königin-Gemahlin des Verrufenen, ja und die leidet selber, und zwar nicht zu kleinlich, an der unerwiderten und aber früher doch vielleicht einmal vorhandenen oder gewes'nen Gattenliebe usw. usf.
Das Ende dieses liebestollen Königs - Edward II. (1284-1327) - ist historisch uneindeutig überliefert; trotzdem geht die Sage, dass ihm damals im Gefängnis drei Personen eine glühende Eisenstange durch ein aufgesägtes Kuhhorn in den Anus trieben; ein verallgemeinernderes Ur-Verständnis für das homosexuelle Treiben von Monarchen war zum damaligen Zeitpunkt sicherlich schwer vorstellbar.
Edward II. ist jedoch kein Schwulen-Stück in erster Linie, das ist absolut wohl klar - in allererster Linie geht es hier um Günstlingswirtschaft und die rechtzeitige (oder auch zu späte) Unterbindung solcher Machenschaften, weil "so was" noch niemals einem Staatsgebilde gut bekommen war und ist; Recht so!
*
Die Männer dieser Produktion sind oftmals nackt - teils splitternackt, teils halbnackt. Sie sind oft auch duschen. Sprechen/spielen tun die meisten ziemlich gut; allen voran Star-Profi Kay Bartholomäus Schulze (Königin Isabella). Das stigmatisierte Liebespaar Edward II. & Gaveston, verkörpert von Stefan Stern & Christoph Gawenda, macht einen glaubwürdigen Doppeleindruck. Alle andern: geht so...
Trotzdem zieht sich dieser Abend irgendwie sehr hin - ab irgendeinem Punkt hat man sehr schnell das Spiel durchschaut; auch löst dann "nur noch" eine Mordszene die andre ab. Und ohne jede Ahnung einer privatimen Schockstarre - so ging's halt damals zu; Mordsrenaissancetheater.
|
Ivo van Hove inszenierte an der Berliner Schaubühne Marlowes EDWARD II., logischer Weise, als reines Männerstück - Foto (C) Jan Versweyveld
|
Andre Sokolowski - 21. Dezember 2011 ID 5553
EDWARD II (Schaubühne Berlin, 20.12.2011)
von Christopher Marlowe
Fassung von Bart van den Eynde
Regie: Ivo van Hove
Bühne und Licht: Jan Versweyveld
Kostüme: An d'Huys
Musik: Eric Sleichim
Video: Tal Yarden
Dramaturgie: Bart van den Eynde und Maja Zade
Besetzung:
König Edward II ... Stefan Stern
Gaveston ... Christoph Gawenda
Königin Isabella ... Kay Bartholomäus Schulze
Prinz Edward ... Bernardo Arias Porras
Kent ... David Ruland
Lancaster ... Sebastian Nakajew
Mortimer ... Paul Herwig
Spencer ... Moritz Gottwald
Leicester ... Urs Jucker
Premiere war am 17. Dezember 2011
Nächste Termine: 19. bis 22. 1. 2012
Weitere Infos siehe auch: http://www.schaubuehne.de
http://www.andre-sokolowski.de
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|