Don Carlo
an der DOB
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Foto (C) Barbara Aumüller im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN
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Verdi hat mindestens drei Fassungen seines Don Carlo - nach dem gleichnamigen Schiller-Schauspiel - hergestellt. Allein die erste (in französischer Sprache!), die ein Auftragswerk für die Pariser Oper war, erforderte die Kürzung auf weit weniger als 4+ Stunden, weil die Intendanz das Risiko nicht einzugehen willens war, dass deren Gäste ihre Vorstadtzüge nach den Vorstellungen hätten nicht mehr schaffen können... Später (und auf Italienisch) strich und retuschierte er aus stofflich-inhaltlichem Grund. Fast 20 Jahre dauerte das schöpferische Hin und Her, Vor und Zurück, Hinein sowie Hinaus an diesem wahrlich merkwürdigen Stück, was insgesamt dann keinerlei Zufriedenheiten mit dem Ding an sich - weder für Verdi noch für seine früheren und aktuellen Rezipienten - bringen sollte. Nunmehr hatte sich die Deutsche Oper Berlin für eine von den beiden italienischen Folgefassungen entschieden; es ist jene mit "nur" vier (statt eigentlich fünf) Akten. Ja und auch hier wurde und wird dem Mitverfolger des Geschehens deutlich und bewusst, wie völlig unbedarft und dilettantisch selbst ein Mann wie Verdi diesem schon bei Schiller schwer zu handhabbaren Politik-sowie-Gesellschaftsbrocken mit den reichlich privatimen Einsprengseln begegnetete und ergo hilflos ausgesetzt gewesen war...
Ja, für uns Heutige "liest" sich die Verdi-Oper schlicht und einfach so: Don Carlo ist der vierfach auf ihn einschlagenden Liebeslast genausovieler Mitmenschen (vier!!!!) dauermäßig ausgesetzt, dass er sich letztlich auf die eine-einzige, für die er ernstlich brennt und bebt, in für ihn fürchterlicher Konsequenz entscheidet - Elisabeth von Valois, der Gattin seines Vaters also seiner leibhaftigen Stiefmutter, mit der er allerdings schon früher mal was Sexuelles haben musste oder so! Die Restlichen (Philipp, Posa und Eboli) bemühen sich in unterschiedlich starkem Drang um oder gegen ihn; enttäuschte oder/und versagte Lieben bringen dann die Handlung insgesamt in Fahrt, und Eboli und Philipp knallen irgendwie dann völlig durch; und Posa bleibt wie eine Gräfin Geschwitz, die für Lulu in den Knast gegangen war, de facto, und von Carlo also ungeliebt, letztendlich auf der Strecke... / Alles das brachten uns jetzt die vier Protagonisten des von uns besuchten Abends eindrucksvoll und überzeugend nah; allen voran der wohl am italienischsten von allen singende (und spielende!) Markus Brück als Posa. Die Raum einnehmende und Szenenbeifallsstürme abräumende Anna Smirnowa als Eboli vermochte wohl das physischste und körperlich ertüchtigendste Potenzial gehabt zu haben; leise Zwischentöne gab es demnach von ihr nicht. Und Meagan Miller als Elisabeth sang schön und sah genauso aus. Alastair Miles als Philipp konnte seine große Hat-mich-nicht-geliebt-Arie berührend zu uns rüber transportieren... // Der aus Marseille kurzfristig eingeflogene Giuseppe Gipali als Carlo schlug sich tapfer; gegen das Orchester resp. die Kollegen kam er allerdings mit seiner unbrachialen Stimme wenig an. /// Kristinn Sigmundsson hatte als Großinquisitor einen imposanten aber stimmlich, und vor allem in den tiefen Lagen, etwas ramponierten Auftritt.
Donald Runnicles dirigierte das Orchester der Deutschen Oper Berlin; den Chor studierte William Spaulding ein.
Marco Arturo Marelli inszenierte ganz im Zeichen einer über 300 Jahre währenden und wütenden Inquisition, welche von jener unrühmlichen Uranin der Philipps oder Carlos - jener Isabella von Kastillien (1451-1504), die den Schreckensapparat von Spanien aus begründete und quasi installierte - ausgegangen war. Sehr konsequent und schlüssig durchgearbeitet!
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Foto (C) Barbara Aumüller im Auftrag der DEUTSCHEN OPER BERLIN
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Andre Sokolowski - 11. April 2012 ID 5836
DON CARLO (Deutsche Oper Berlin, 08.04.2012)
Musikalische Leitung: DONALD RUNNICLES
Inszenierung, Bühne, Licht: MARCO ARTURO MARELLI
Kostüme: DAGMAR NIEFIND
Dramaturgie: ANDREAS K. W. MEYER
Chöre: WILLIAM SPAULDING
Besetzung:
Philipp II. ... ALASTAIR MILES
Don Carlo ... GIUSEPPE GIPALI
Rodrigo, Marquis von Posa ... MARKUS BRÜCK
Der Großinquisitor ... KRISTINN SIGMUNDSSON
Elisabeth von Valois ... MEAGAN MILLER
Prinzessin Eboli ... ANNA SMIRNOVA
Tebaldo ... MARTINA WELSCHENBACH
u. a.
CHOR DER DEUTSCHEN OPER BERLIN
ORCHESTER DER DEUTSCHEN OPER BERLIN
Premiere war am 23. Oktober 2011
Weitere Termine: 14. / 29. 4. 2012
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutscheoperberlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
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