28. März 2009, Deutsche Staatsoper Berlin
AIDA, dirigiert von Daniel Barenboim
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Aida ist ein Volksstück. Jedermann, und also jeder Unbedarfte (und Bedarfte), kennt das Ding, zumindest von dem Titel her. Und so geschieht es also auch, dass die Veranstalter, die mit Aida rechnen oder punkten, ihre kauffreudigen Heerscharen per Bus und Bahn und Billigflieger zu Aida bringen. Es grenzt immer an ein Großevent. Es werden Eislaufhallen oder Fußballstadien eigens für Aida angemietet, und viel Tiere (Elefanten!) und noch viel mehr Menschen (schöne [nackte] Sklaven) sind der absolute Hingucker in der Aida, also für das unbedarfte (und bedarfte) Volk... und überhaupt und sowieso schlechthin.
Auch in den "regulären" Opernhäusern steht Aida weiterhin, und niemals klein zu kriegen, auf den Spielplänen. Und es gibt kleine sowie große Bühnen, und die kleinen haben einen kleinen und die großen einen etwas größeren Etat, auch für Aida. Überall kann man sie also hin und wieder dann erleben. Einzig nachvollziehbar ist der jeweilige Unterschied in den entsprechend guten oder schlechten oder völlig diskussionsunwürdigen Szenariumsweisen. Denn man will sich schon, also im Subventionsmilieu, vom jeweils andern Konkurrenten etwas mehr absetzen als wie üblich. Und so hört man dann auch, wenn man also unvermittelt in so eine Vorstellung (ins Staatstheater) rein gerät, rechts neben sich so Floskeln wie "Aber wo sind denn jetzt die Pyramiden" oder "Nein, ich dachte immer, dass so Sklavinnen und Sklaven als Ballett auftreten" oder "So hab ich mir aber dann die Grabkammer nicht vorgestellt" etc. pp. Des Volkes Stimme halt.
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Aida an der Deutschen Staatsoper Berlin. Das Bild zeugt von dem musealen Grad der Inszenierung des Pet Halmen, die seit über dreizehn Jahren sehr erfolgreich läuft. Auch Daniel Barenboim, der dann die 55. der Vorstellungen dirigierte, ist sich dessen voll bewusst und lässt und ließ sich - was man hier freilich nicht sieht - sehr kräftig feiern, und zurecht! - - Foto (C) Marion Schöne
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Unter der Linden in Berlin hatte Theatermaler-Regisseur Pet Halmen - dreizehn Jahre ist es her - Aida für die Staatsoper als Tagtraum eines Kolonialtypen, der die Vitrinen im Ägyptischen Museum (das in Kairo?) nacheinander abgegangen war, und wo sich also jetzt das museale Interieur verselbständigte, inszeniert. Nicht schlecht, nein wirklich nicht. Es sorgt zwar schon für etwas angestrengte Dechiffrierungsarbeit bei den Unbedarften UND Bedarften; aber immer noch dann besser, dass es was zum Denken gibt, als dass man "nur" auf die Musik in der Aida abgerichtet ist.
Und die (diese Musik), also den ganzen Verdi dieses allzu schönen Opernschinken, hatte Daniel Barenboim nun wieder höchstpersönlich zu uns "sprechen" lassen. Barenboim leitete also die Aida in der 55. der Repertoirevorstellungen; er war dann auch derjenige, der die Aida wohl am öftesten von allen alternierenden Aida-Dirigenten dieses Hauses machte; irgendwie muss die Aida ihm total am Herzen liegen, und das merkt der Hörer eins zu eins: Die Staatskapelle spielt nicht nur, sie explodiert geradezu!! Und zwar sowohl nach außen (Forte usw.) wie nach innen (Pianissimo). Es ist ein Schwelgen und ein Wellen und ein Wogen und ein Flirren, und man kommt aus seinen Gänsehäuten einfach nicht mehr raus.
Norma Fantini / Anna Smirnova waren das gegenspielerische Königstochterpaar. Und es fiel schwer, oder auch nicht, die Eine im Bedeutungsgrad der Andern vorzuziehen oder umgekehrt. Begriff man spätestens doch hier: Aida ist wohl nicht die Liebesstory der äthiopischen Aida, nein, sie ist viel mehr noch, sie ist wohl vor allem dann die Liebesleidgeschichte der ägyptischen Amneris. Und so hätte die Aida auch vielleicht dann als Amneris, so vom Titel her, in Opernalmanache Einzug finden können.
Auf zur Staatsopern-Aida nach Berlin!
Andre Sokolowski - 29. März 2009
ID 4248
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AIDA (Deutsche Staatsoper Berlin, 28.03.09)
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
Inszenierung / Ausstattung / Licht: Pet Halmen
Besetzung: Andreas Bauer (Der König), Anna Smirnova (Amneris), Norma Fantini (Aida), Walter Fraccaro (Radames), Christof Fischesser (Ramphis), Juan Pons (Amonasro), Gal James (Priesterin) und Paul O'Neill (Ein Bote)
Chor der Deutschen Staatsoper Berlin
(Choreinstudierung: Eberhard Friedrich)
Staatskapelle Berlin
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Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de
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