10. Januar 2014 | HAU Hebbel am Ufer
IDEALISTEN
vom Schauplatz International
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Idealisten vom Schauplatz International - Foto (C) Dorothea Tuch
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"Es war Januar, sie saßen in der Sonne und hatten sich soeben von der PR-Angestellten des nobelsten Kaschmirproduzenten Europas ein Theater zeigen lassen. Er hatte es ins umbrische Hinterland gebaut, weil er sich für einen Mann der Renaissance hielt, weil er an einen humanistischen Kapitalismus glaubte. Sie waren nicht sicher, ob er ein Idealist, ein Hochstapler oder einfach sehr geschäftstüchtig war. Sich selbst hielten sie ohne Zweifel für Idealisten. Sie waren fröhlich, und in diesem Moment in der Winterwärme sah alles noch nach Kunst aus, aber bald würde es Arbeit sein. Denn baut sich der Idealist die Falle nicht selbst, in die er lächelnd fällt? Ausgehend von Beobachtungen zur italienischen Renaissance, zum Stummfilm 'One Week' von Buster Keaton und zum eigenen Leben fragt Schauplatz International, was Idealismus bedeutet und warum seine Vertreter komisch erscheinen, wenn sie auf die Realität treffen..." (Quelle: Hebbel am Ufer)
Dieses (s.o.) steht zwar alles so schön aufgeschrieben da - aber man hört und sieht von Diesem in den abgeleisteten zwei Stunden im HAU1 tatsächlich nichts.
Stattdessen treten, ganz am Anfang, Martin Bieri mit seiner performenden Kollegin Anna-Lisa Ellend auf und flüstern, kurz nachdem sie ein paar Allgemeinplätze zum stückgebenden Thementitelchen Idealisten aus sich raus zum Säuseln brachten, diesen letzten Satz: "Ich sag jetzt nichts mehr."
Hiernach scheint es dennoch etwas spannungsreich obgleich nicht wirklich wegweisend oder erleuchtend, halt nur stellenhaft interessant(er) fort- oder voranzugehen:
"Während Martin Lorenz nach mathematischen Proportionen und mit Zitaten des Renaissance-Komponisten Andrea Gabrieli die Musik macht, errichtet die in Bern und Berlin ansässige Gruppe mit einem Bausatz und Plänen von raumlaborberlin ein Denkmal für den Idealismus, die Komik und sich selbst – und führt damit die konkreteste Handlung aus, die im symbolischen Raum des Theaters überhaupt möglich scheint." (Quelle: dto.)
Wieder (s.o.) bloß so unverschämt daherbehauptet à la "führt damit die konkreteste Handlung aus, die im symbolischen Raum des Theaters überhaupt möglich scheint".
Ja, seit Mauricio Kagel - um so einen kleinen Wink mit Zaunspfahl anzustellen - hat die Welt sich (nicht bloß "theatralisch") grundlegend verändert...
Und obgleich - und in der Tat - der phänomenal ausgedachte und bewerkstelligte Bühnenaufbau (ein sich nach und nach aus den herausgehobnen Bodenbrettern sowie anderen herbeigeschafften Bauteilelementen auftürmendes Fantasiegebilde ähnlich einer Berglandschaft [in Umbrien?]) optisch sowie funktional das eigentliche Hauptspektakel dieser merkwürdigen und an sich nicht in das Deutsche übersetzbaren Gegebenheit für unsereiner dargestellt hat; wie sich Bieri/Ellend in ihm halten und bewegen, ohne jemals zu verunfallen, ist wahrhaftig bewundernswert!
Belehrer- und zugleich verarscherisch kriegen wir permanente rote Laufschriftinhalte serviert wie etwa "Dränge niemandem deine Liebe auf" oder "Alles begann mit einer Reise: Hinter dir lagen fünfzehn Jahre Arbeit" oder "Man muss zu zweit gehen, um weit zu kommen" oder "Der Schlächter denkt an Schweine, wenn du zu ihm von Ideen sprichst" oder "Idealismus ist keine warme Dusche" usw. usf.
Schlussendlich werden wertvoll-bibliofile und in Leinen gebundene Exemplare eines Reisetagebuchs durch die Parkettreihen als temporäre Leihgabe gereicht, woraus zum kollektiven Lesen angeregt bzw. eingeladen wird...
Allmählich leert sich dann der Saal.
Wir sind unangereichert und zudem - vor lauter höflichkeitsbedingtem Dagebliebenseins - ermüdet und erschöpft.
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Idealisten vom Schauplatz International - Foto (C) Dorothea Tuch
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Bewertung:
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Andre Sokolowski - 12. Januar 2014 ID 7500
IDEALISTEN (HAU1, 10.01.2014)
Idee, Konzept, Realisation: Schauplatz International
Mit: Martin Bieri, Anna-Lisa Ellend, Albert Liebl und Lars Studer
Konzept, Raum, Kostüme: raumlaborberlin
Komposition, Schlagzeug: Martin Lorenz
Akkordeon: Silke Lange
Technik, Lichtdesign: Max Stelzl
Produktionsleitung: Ralf Grunwald, Eva-Maria Bertschy
Recherche und Vermittlung Italien: Anna Gubiani
Uraufführung und Berliner Premiere war am 9. Januar 2014
Weiterer Termine: 11. + 12. 1. 2014
Koproduktion mit Schlachthaus Theater Bern, Dampfzentrale Bern, Kaserne Basel und Ringlokschuppen Mülheim
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauplatzinternational.net
http://www.andre-sokolowski.de
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