Licht am Ende
des Tunnels?
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Richard Wagner
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Kirsten Harms, die junge Chefin in der Bismarckstraße, ließ und lässt es diesen Monat wagnermäßig kräftig krachen. Nicht nur dass sie sämtliche von Wagner komponierte Lieder für zwei Abende zur kollektiven Darbietung durch hauseigenes Sängerinnenpersonal bestimmte - auch Das Rheingold / Die Walküre / Siegfried / Götterdämmerung setzte sie lärmend auf den Spielplan, was in Allem gut gemeint und trefflich zu bezeichnen ist. Die Lieder gab es so in dieser vollständigen Aufeinanderreihung ja noch nie. Und Wagners RING wird in Berlin fast ausschließlich nur noch von den Belegschaften der Deutschen Oper in Beschlag genommen (der in der Regie von Harry Kupfer etwas jüngere und intelektuellere im Staatsoperngebäude nebenan war ganz zuletzt 2001 unter Simone Young bestaunbar); Kontinuitätsbewältigungen nenne ich das.
Für die reanimatorische Gesamtbemühung sollte es der Intendantin recht und billig sein, ein neues dickes RING-Programmbuch den Besetzungszetteln der vier Opern beizugeben; und die ahnungslosen Käufer - die zum RING hier "aufschlagen", sind aber meistens immer wohl dieselben, also haben sie die legendäre Produktion von Friedrich & Sykora längst schon, nicht nur einmal, live erlebt - stutzen ganz kurz und fragen sich: Wie das, ein neuer RING? Nein, nein, so schnell schießen die Preußen freilich nicht.
Aber im Ernst: Ist diese Inszenierung wirklich noch zu halten?? Hörbar rummst es im Gebälk. Und außer'm sogenannten Zeittunnel Peter Sykoras, dem alleinigen Geniestreich aus der über 20jährigen Regie von Ex-Haushüter Götz, ist heute nicht mehr viel an Einfällen aus dieser Arbeit übrig, ganz im Gegenteil: Die engagierten Gastsolisten wissen oftmals nicht sehr viel mit sich und ihren Abläufen in Friedrichs kongenialer Inszenierung zu beginnen. Und so steh'n sie meistens unbeholfen rum oder bewegen sich, wenn überhaupt, sehr linkisch. Es gibt Ausnahmen: Richard Paul Fink & Burkhard Ulrich (Alberich und Mime in Das Rheingold) singen ihre Rollen nicht nur fulminant, sie spielen sie auch so und geben ihrem Schauspielaffen unaufhörlich Zucker.
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Erste und stumme Szene vor dem legendären Zeittunnel aus Friedrichs und Sykoras kongenialer Inszenierung DER RING DES NIBELUNGEN an der Deutschen Oper Berlin - Foto (C) Bernd Uhlig
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Die Walküre hat durch ihre hochkarätige Besetzung allgemeinen Boden gut gemacht. Es ist im Nachhinein nicht auszumachen, wer von ihnen allen der Trophäenträger ist. Fakt ist, so ernstlich gut und über alle Maßen ausgewogen hat man selten die Gelegenheit, Götter und Menschen in der sängerischsten Eintracht zu erleben. Vielleicht sollten Robert Dean Smith & Eva Johansson (Zwillingspaar) genannt sein; auch weil es ein Wiederhören mit den beiden in den andern Teilen leider dann nicht gibt. Brünnhilde-Wunder Evelyn Herlitzius allerdings, so viel ist sicher, wird dann auch in Siegfried / Götterdämmerung den Rest der Mannschaften in Grund und Boden singen!!
Was die Exklusivverpflichtung Donald Runnicles' , vom Klanglichen gesehen, für die Neuauflage dieses RINGs bedeuten sollte, war bereits am Anfang der nicht mehr als mittelmäßig einzustufenden Verlautbarungen des Orchesters völlig rätselhaft geblieben; und wenn so viel Hörner schon im Rheingold patzen, Mann-o-Mann... Ein zu beobachtendes Phänomen ist ja, dass das Orchester unterm jeweiligen GMD - falls wer vorhanden - garantiert zu spielerischer Höchstform aufläuft; es war immer so. Also Palumbo hätte sich dann schon für diese Großtat chefsachdienlich trimmen lassen müssen, hat er aber nicht, doch was nicht ist kann ja noch werden...
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Tags darauf dann Parsifal in der Berliner Staatsoper:
Zwei Inszenierungen von Harry Kupfer (1977 / 1992) gingen der jetzt dienlichen von Filmemacher Eichinger (2005) voraus. Sie waren selbstverständlich beide besser. Auch weil man - sehr reizvoll übrigens - die völlig unterschiedlichen, ja fast schon gegenläufig stimmenden Konzepte dieses Regisseurs im Sinne vor und nach der sogenannten deutschen Wende nachvollziehen konnte. Unvergessliches Regietheater!
Nun will Daniel Barenboim ja unermüdlich seine beiden Lieblingsopern (denn auch Tristan hat er letztes Jahr neu inszenieren lassen) in moderne, immer wieder neue Sichtweisen am Leben halten; und wenn uns das allergrößte Glück zuteil würde, könnten wir seinen allerneusten Tristan dann (den macht ja, dem Vernehmen nach, Patrice Chereau), als "Austausch" mit der Scala, wo er nächste Weihnachten Premiere haben soll, dereinst auch hier im Knobelsdorffer Bau erleben; aber Schluss damit, ja, wir verlieren uns in Nebensächlichkeiten...
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So sieht es in Bernd Eichingers stinklangweiliger Produktion von Wagners PARSIFAL Unter den Linden aus, der Chor steht nur so rum, ein paar der Leute gehen ab und zu auch einen Schritt... - Foto (C) Monika Rittershaus
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Nichts, aber auch gar nichts gibt es - um zum Eichinger zurückzukehren - zur Regie des "neuen" Parsifal zu sagen. Dass sie überhaupt zustande kommen durfte, ist der allerfetteste Skandal. Diese an null hoch tausend ganz und gar ideenlose Produktion glänzt einzig und allein durch seine formidabele Besetzungsliste: Pape (Gurnemanz), Brendel (Amfortas), Fritz (Parsifal) und... Michelle De Young (Kundry)! De Young bestach bereits beim Schlingensief in Bayreuth, wir erinnern uns sehr gern an ihren absoluten Spielwitz; generell hatte man dort den Eindruck, dass die Mitwirkenden, ganz entgegen ihres weichknöchigen hochdebilen Publikums, die allgemeine Chose um das immergrüne Spaß- und Krachkind Christoph nonchalantest teilten. / Hier nun, heute, konnte man bei der De Young auch ihre ungeheuerliche Stimmpräsenz (sie ist viel besser noch als vor drei Jahren) live bestaunen. Wenigstens dann diese Art Gewinn.
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Andre Sokolowski - 11. Februar 2007 ID 2975
www.andre-sokolowski.de
DAS RHEINGOLD an der Deutschen Oper Berlin (9. Februar 2007)
Musikalische Leitung: Donald Runnicles
Inszenierung: Götz Friedrich
Ausstattung: Peter Sykora
Besetzung: Terje Stensvold (Wotan), Markus Brück (Donner), Felipe Rojas Velozo (Froh), Clemens Bieber (Loge), Richard Paul Fink (Alberich), Burkhard Ulrich (Mime), Reinhard Hagen (Fasolt), Phillip Ens (Fafner), Marina Prudenskaja (Fricka), Manuela Uhl (Freia), Ceri Williams (Erda), Catriona Smith (Woglinde), Ulrike Helzel (Wellgunde) und Nicole Piccolomini (Flosshilde)
Die Statisterie der Deutschen Oper Berlin
Das Orchester der Deutschen Oper Berlin
Nächste Aufführung am 20. Februar 2007
außerdem: DIE WALKÜRE (10. Februar 2007)
Besetzung: Robert Dean Smith (Siegmund), Reinhard Hagen (Hunding), Terje Stensvold (Wotan), Eva Johansson (Sieglinde), Marina Prudenskaja (Fricka), Evelyn Herlitzius (Brünnhilde), Michaela Kaune (Helmwige), Manuela Uhl (Gerhilde), Ruth Staffa (Ortlinde), Ulrike Helzel (Waltraute), Yvonne Wiedstruck (Siegrunde), Sarah van der Kemp (Rossweiße), Andion Fernandez (Grimgerde) und Ceri Williams (Schwertleite)
Das Orchester der Deutschen Oper Berlin
Nächste Aufführung am 21. Februar 2007
http://www.deutscheoperberlin.de
PARSIFAL an der Berliner Staatsoper (11. Februar 2007)
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
Inszenierung: Bernd Eichinger
Bühnenbild: Jens Kilian
Video: fettFilm (Möller | Hinrichs)
Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer
Besetzung: Wolfgang Brendel (Amfortas), René Pape (Gurnemanz), Burkhard Fritz (Parsifal), Jochen Schmeckenbecher (Klingsor), Michelle DeYoung (Kundry) u. a.
Staatsopernchor (Choreinstudierung: Eberhard Friedrich)
Staatskapelle Berlin
Nächste Aufführungen: 18./25./29. 3. sowie 24./29. 6. 2007
http://www.staatsoper-berlin.de
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