Diese Mauer fasst
sich selbst
zusammen
und der Stern
hat gesprochen,
der Stern hat auch
was gesagt
von Miroslava Svolikova
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Bewertung:
Den Retzhofer Dramapreis hatte Miroslava Svolikova schon für die hockenden (ebenfalls zu den ATT eingeladen) bekommen, nun gab es für die junge österreichische Dramatikerin bei den AUTORENTHEATERTAGEN auch noch den Hermann-Sudermann-Preis für ihr neues Stück mit dem kryptischen Titel Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt oben drauf. Entstanden ist diese surreal anmutende Farce im Rahmen des Hans-Gratzer-Stipendiums, das ihr das Schauspielhaus Wien für den Stückentwurf verlieh.
Dass sich Svolikova mit ihrem Text bei szenischen Lesungen gegen 50 MitbewerberInnen durchgesetzt hat, ist fast schon Ironie. Handelt das Stück doch genau von diesem Dilemma, dem sich junge Kreative permanent aussetzen. Drei hoffnungsvolle Talente (Simon Bauer, Katharina Farnleitner und Steffen Link) wähnen sich im Glück eine Ausschreibung gewonnen zu haben und sehen sich nun am Ziel wiederum zwei Konkurrenten gegenüber. Bewaffnet mit Sieben und dem Willen, sich durchzusetzen, treffen sie in einem Museum für merkwürdige Dinge auf einen Museumsführer (Sebastian Schindegger), der von sich behauptet, ein Hologramm zu sein, und einer taffen Putzkraft, die als Regisseurin (Dolores Winkler) alles im Griff zu haben scheint. Wundersam herumliegende Zettel, deren Botschaften man kaum noch lesen kann, geben zusätzliche Rätsel auf.
Die Autorin kommt aus der bildenden Kunst, entsprechend bildhaft auch die Sprache ihres zuweilen vor sich hin kalauernder Textes, der in regelrechte Wortverballhornungen führt. Das könnte schnell auch fad werden, aber das gut aufgelegte Schauspielhaus-Ensemble, allen voran Sebastian Schindegger als bramarbasierender, fusselbärtiger Professorentyp und Dolores Winkler, die auch immer wieder in einem gelben Europa-Sternenkostüm auftaucht, halten das komödiantische Niveau stetig hoch. Die drei Eleven spitzen Stift und Ohren, schreiben alles Gehörte bereitwillig mit und repetieren es gehorsamst. Es geht schließlich um so etwas großes, wie „die Rettung der Onion“.
Die witzige Inszenierung von Franz-Xaver Mayr spielt in einem von Michela Flück gebauten Bühnenkasten, in dem nur ein fester Tisch mit vier Stühlen und ein Fenster die weiße Leere der Wände durchbrechen. Aber wo ist die eigentliche Geschichte, der rote Faden, den der Museumsführer beschwört? „Das dringende Bedürfnis nach Handlung!“ wird durch groteske Wortkaskaden immer wieder unterlaufen. Schon gleich zu Beginn fällt das Wort Farce, das hier im doppelten Sinn zutrifft. Das Stück nimmt das Thema Kunstwille und „scheue“ Institution lustvoll auf die Schippe und führt es in sich drehenden Sätzen immer weiter ad absurdum. Der Stern der „Onion“ erscheint als die Parodie seines politischen Versprechens. Ein Übriggebliebener am leeren Himmel, der hoffnungsfroh umarmend nach den anderen sucht. Ein sarkastischer Abgesang an die einstige Gemeinschaft.
„Die Dinge wünschen sich nichts mehr, als erzählt zu werden.“ Doch wo hört man auf, wo fängt man an? So werden schließlich auch die drei Aspiranten bis zur Ermüdung durch die immer gleichen weißen Ausstellungsräume geführt, lassen sich ein skurriles Exponat nach dem anderen vorführen, mit faden Parolen motivieren oder im wahrsten Sinne des Wortes mit schaumigen Reden einseifen. Danach trocknet man sich mit dem Picasso-Handtuch aus dem angeschlossenen Museumsshop. Doch der Wille zur Erfüllung des Ausschreibungsziels lässt die drei ohne Zweifel immer weiter machen. Der Wunsch der Welt seinen Willen aufzudrücken wird zusammengehalten durch Angstschweiß. Keiner will auf dem Weg zur „Kariette“ durch die Maschen des Auswahlsiebs fallen. Doch die kurzzeitig vereinzelten Individuen landen schließlich wieder vereint im Eimer. Was für sie abfällt, sind lediglich verlorene Fingernägel ihrer Vorgänger oder Häppchen einer historischen Käseplatte.
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Diese Mauer fasst sich selbst zusammen und der Stern hat gesprochen, der Stern hat auch was gesagt am Schauspielhaus Wien | Foto (C) Matthias Heschl
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Stefan Bock - 23. Juni 2017 ID 10102
DIESE MAUER FASST SICH SELBST ZUSAMMEN UND DER STERN HAT GESPROCHEN, DER STERN HAT AUCH WAS GESAGT (Kammerspiele des DT, 21.06.2017)
Regie: Franz-Xaver Mayr
Bühne / Kostüme: Michela Flück
Dramaturgie: Anna Laner
Mit: Simon Bauer, Katharina Farnleitner, Steffen Link, Sebastian Schindegger und Dolores Winkler
Uraufführung am Schauspielhaus Wien: 13. Januar 2017
Gastspiel zu den AUTORENTHEATERTAGEN BERLIN
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielhaus.at
Post an Stefan Bock
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